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Im Schweiße deines Angesichts sollst du dein Brot essen, bis dass du wieder zu Erde werdest, davon du genommen bist.“ (1. Mose, 3/19)

Das ist der Urgrund allen Übels – die Vertreibung aus dem Paradies. Und warum? Wegen eines Bio-Apfel-Baums, den Gott ins Paradies gesetzt hatte, dessen Früchte unsere Vorfahren Adam und Eva aber nicht essen durften, weil der Apfelbaum nämlich der Baum der Erkenntnis war. Und kaum hatten Adam und Eva sich über das Verbot hinweggesetzt und in den Apfel gebissen, überkam sie schon die erste Erkenntnis, nämlich die, dass sie nackt waren. Und kaum hatten sie das erkannt, kam auch schon die Anordnung zum Auszug aus dem Paradies mit dem Hinweis vom Schuften im Schweiße unseres Angesichts.  Seitdem müssen wir Leistung erbringen. Zu der Helmut Kohl bekanntlich im Zuge der „geistig-moralischen Erneuerung“ 1982 ausführte: „Leistung muss sich wieder lohnen.“ Und seit dem Ausgang aus dem Paradies sind wir für unser Handeln verantwortlich – erkauft durch die Möglichkeit, uns unseres Verstandes zu bedienen und Erkenntnisse zu gewinnen.

41 Jahre nach Kohls damaligem Satz sind der Kanzler und seine Aussage so ziemlich in Vergessenheit geraten. An den Satz zu erinnern, fällt heute auf unfruchtbaren Boden, womit wir auf Umwegen auch wieder bei Mose angekommen sind, denn dort wird davon gesprochen, dass wir unser Brot im Schweiße unseres Angesichts essen sollen, also verbunden mit harter Arbeit. Anders gesagt: Bevor wir unser Brot essen können, müssen wir Leistung erbringen – in welcher Form auch immer. Adam und Eva haben sich damals Gottes Wort schweigend gefügt. Heute hätten sie wahrscheinlich Gott erwidert: „Was uns interessiert, ist unsere Work-Life-Balance!

Und die klappt natürlich nur, wenn man es mit der Leistung nicht übertreibt – oder besser: mit der Anstrengung, um Leistung zu erbringen.

Der Leistungsbegriff ist seit den Tagen des Auszugs aus dem Paradies in Verruf gekommen, zumal er mit Begriffen wie Konkurrenz, Wettbewerb, Ergebnisorientierung konnotiert wird. Und diese Konnotationen sind mittlerweile nahezu verpönt.

Nehmen wir mal als Beispiel den Sport. Einst war Deutschland bei bestimmten Sportarten in der Spitzengruppe weltweit. Bestes Beispiel: der Fußballsport. Nicht ohne Grund meinte der englische Nationalspieler Gary Lineker nach der Niederlage der englischen Mannschaft gegen die deutsche Elf im Halbfinale der WM 1990 sagen zu müssen: “Football is a simple game; 22 men chase a ball for 90 minutes and at the end, the Germans always win.”

Und heute? Deutschland spielt belanglosen, langweiligen, nicht attraktiven und erfolglosen Fußball, scheidet gerne auch schon in der Vorrunde aus – Frauen wie Männer, Senioren wie Jugendmannschaften (Ausnahme: U17). Die Leistung der Deutschen auf dem Platz kann international nicht mehr mithalten. Und welche Schlussfolgerung zieht der DFB daraus, der größte Sport-Fachverband der Welt mit insgesamt über sieben Millionen Mitgliedern in seinen Vereinen?

Er schafft im Jugendbereich den Leistungsgedanken ab! Bei den Jugendmannschaften (5-11 Jahre) sollen Wettbewerbe mit Tabellen und Meisterschaften abgeschafft werden. Sieger und Verlierer gibt es dann nicht mehr, stattdessen nur noch Spiele „o. E“ (ohne Ergebnis). Auch in den höheren Altersklassen (U17 – U 19) soll der Wettbewerbscharakter „geschliffen“ werden – Ab- und Aufstiege sollen möglichst entfallen. Spaß am Spiel soll im Vordergrund stehen, „Entwicklung“  und „Förderung““ heißen die Vokabeln. Gegen Entwicklung und Förderung und „Spaß am Spiel“ ist nichts einzuwenden, aber jeder, der wie ich schon einmal Jugendmannschaften trainiert hat, weiß, wie wichtig den Jugendlichen ein Sieg ist, dass sie nach dem Spielwochenende auf die Tabelle(n) schauen, um zu wissen, wo sie mit ihrer Mannschaft stehen. Sie wollen gewinnen, aufsteigen oder zumindest nicht absteigen. Und dazu gehört natürlich auch, dass man es lernt, mit Niederlagen umzugehen und die bessere „Leistung“ der anderen Mannschaft anzuerkennen und nach Gründen für die eigene Niederlage zu suchen, also den eigenen Leistungsstand zu reflektieren.   Wie soll Spitzensport entstehen, wenn völlig egal ist, ob Leistung abgerufen wird oder nicht, ob sie sich „auszahlt“ oder nicht?

Schauen wir auf die jüngste Leichtathletik-WM, von der das deutsche Team ohne Medaille zurückgekehrt ist. Spitzensport benötigt Spitzenförderung und die Entwicklung einer breiten Basis, auf der Spitzenkräfte überhaupt erst gedeihen können. Da passt es dann prima ins Bild, wenn die Landesregierung in NRW nicht unbeträchtliche Kürzungen im Sportetat des kommenden Jahres ankündigt, was natürlich die Vereine und etliche einzelne Programme zur Förderung treffen wird.

Zuletzt noch ein rascher Blick auf den Bereich Schule. Die Landesregierung überlegt, die Anzahl der Klassenarbeiten in den Stufen 7 und 8 (Gymnasium)  zu reduzieren – von sechs Arbeiten auf fünf in den Fächern Deutsch, Englisch und Mathematik. Diese Maßnahme soll u.a. der Entlastung der Lehrer dienen (ein Aspekt, den ich jetzt hier nicht diskutieren will, auch wenn ich den Ansatz für verkürzt halte). Aus Teilen der Elternschaft (Landeselternschaft der Realschulen) kommt der Ruf, diese Maßnahme erhöhe den Leistungsdruck, weil eine schlechte Note in einer Arbeit dann nicht mehr so einfach „ausgeglichen“ werden könne. Mal abgesehen davon, dass ein guter Lehrer Schülerinnen und Schülern, die eine Arbeit „verhauen“ haben, ausreichend Möglichkeiten bereitstellen wird (und auch muss), um die schlechte Note auszugleichen, ist bezeichnend, dass der Begriff Leistung hier gleich wieder mit dem Begriff „Druck“ zum Kompositum Leistungsdruck verbunden wird. Es ist also bereits „Druck“, wenn eine gute, zumindest aber „ausreichende“   Leistung erwartet wird. Dabei ist doch das Erbringen von Leistung in der Schule eigentlich eine Selbstverständlichkeit – wie auch am Arbeitsplatz und im Sport.

Im Grunde genommen lenkt die Debatte über die Anzahl der Klassenarbeiten davon ab, dass seit Jahren eher „Druck aus dem Kessel“ genommen worden ist – durch eine recht schlichte Regelung. Im „Schulgesetz NRW“ (Fassung ab 2005) heißt es in § 50/3:

Die Schule hat ihren Unterricht so zu gestalten und die Schülerinnen und Schüler so zu fördern, dass die Versetzung der Regelfall ist. Schülerinnen und Schülern der Grundschule und der Sekundarstufe I, deren Versetzung gefährdet ist, wird zum Ende des Schulhalbjahres eine individuelle Lern- und Förderempfehlung gegeben. Sie sollen zudem die Möglichkeit der Teilnahme an schulischen Förderangeboten erhalten mit dem Ziel, unter Einbeziehung der Eltern erkannte Lern- und Leistungsdefizite bis zur Versetzungsentscheidung zu beheben.

Die Versetzung wird mit dieser Bestimmung zur Regel erhoben, die Verantwortung wird zu großen Teilen der Schule zugesprochen („Die Schule hat ihren Unterricht so zu gestalten…“).  In der Konsequenz führt diese Bestimmung häufig zur Vermeidung einer Nicht-Versetzung, um bürokratischen Aufwand zu umgehen. Die Frage, ob eine Klassenarbeit mehr oder weniger geschrieben wird, ist unter dem Gesichtspunkt des Abschlusses und der Kompensation einer schlechten Note eher zweitrangig.

Deutschland steht in vielerlei Hinsicht an einem Wendepunkt: wirtschaftlich, gesellschaftlich, demographisch. Ob Deutschland seinen Rang auf Dauer verliert – nicht nur im Sport – , hängt sicher auch davon ab, wie wir mit Ressourcen umgehen. Mit Ressourcen wie Bildung, Lern- und Leistungsbereitschaft, Verantwortungsgefühl und gesellschaftlichem Engagement.

Unter diesen Aspekten betrachtet, sind wir gegenwärtig auf dem Weg in Richtung Abstieg! Nicht nur im Sport!

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Von Bernd Matzkowski

geb. 1952, lebt in GE, nach seiner Pensionierung weiter in anderen Bereichen als Lehrer aktiv

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