Immer wichtiger scheint in weiten Teilen der deutschen Medienlandschaft die richtige „Haltung“ zu sein. Die richtige Haltung kriecht auf einer Schleimspur dem hinterher, was eine Mehrheit in Redaktionsstuben für den Ausdruck „woken“ zeitgeistlichen Belehrungs- und Moralgesangs hält. Die modularen Elemente sind leicht aufzählbar. Einige davon: Impfpflicht (während der Corona Zeit), Klimarettung, Geschlechtervielfalt, Genderismus, generell eine links-grüne Grundstimmung, absolute Befürwortung von Waffenlieferungen an die Ukraine, Rechtfertigung auch illegaler Migration, Kampf gegen alles, was irgendwie und von irgendwem als „rechts“, „rechtsextrem“ oder „nazi“ eingestuft wird.
Zu der Haltung gehört ein Bündel von Lieblingswörtern, z.B.: Nachhaltigkeit, Klimaschutz, Transformation und „umstritten“. Umstritten ist ein sehr wichtiges Wort. Es wird gerne immer dann eingesetzt, wenn es gilt eine Kampagne zu eröffnen – gegen eine bestimmte Position oder eine bestimmte Person. Wenn man also medial ein Fass aufmachen will, dann greift man zum Adjektiv „umstritten“, das etymologisch in der Zone des Kampfes, auch des gewalttätigen Streites verortet ist:
„streiten Vb. ‘sich mit Worten auseinandersetzen, kämpfen’. Das starke Verb ahd. strītan ‘sich im Meinungsstreit auseinandersetzen, einen Rechtsstreit führen, zanken, bewaffnet kämpfen’, (selten) ‘wetteifern’ (8. Jh.), mhd. strīten, vor allem ‘bewaffnet kämpfen’, auch ‘streben, trachten’, mnd. (stark und schwach)“ (Quelle: DWDS) ****
Ein aktuelles Beispiel ist die angelaufene Kampagne gegen Harald Schmidt. Alte Folgen seiner Sendung „Schmidteinander“, in der er gemeinsam mit Herbert Feuerstein eine völlig neue Form der Live-Show vor Publikum etablierte und die Unterhaltungsformate aufmischte, werden vom WDR – ebenso wie alte Otto-Programme und Schimanski-Tatorte – mittlerweile mit einem redaktionellen Warnhinweis versehen (aus der Zeit zu erklärender unangemessener Sprachgebrauch oder Lacher auf Kosten von Minderheiten etc). Das soll wohl klarmachen, dass der Entertainer ein „schlimmer Finger“ ist und sich schon „damals“ auf Abwegen befand.
Nun aber ist die Zeit gekommen, ihn wirklich und ganz und gar ins Abseits zu stellen. Der „Skandal“ – fast im verbalen Gleichschritt fünf Beispiele:
Stuttgarter Nachrichten: Wirbel um Foto mit Hans-Georg Maaßen und Matthias Matussek
Stuttgarter Zeitung: Harald Schmidt auf Weltwoche-Party. Wirbel um Foto mit Hans-Georg Maaßen und Matthias Matussek
Tagesspiegel: Ein Foto und ein Verdacht: Ist Harald Schmidt scharf rechts abgebogen? Der Fernsehmoderator feiert mit Hans-Georg Maaßen und Matthias Matussek beim Sommerfest der „Weltwoche
Kölner Stadt-Anzeiger: Wirbel um Entertainer. Foto von Harald Schmidt mit Matussek und Maaßen löst Empörung aus
t.online: Aktuell sorgt ein Foto für Aufsehen. Harald Schmidt posiert darauf mit Populisten.
Und weil t.online sich nun Sorgen um Wohl und Wehe des ZDF-Publikums macht, hat man gleich einmal nachgefragt, ob Harald Schmidt trotz des Wirbels, der Empörung und des „Posierens“ mit „Populisten“ seinen Job auf dem „Traumschiff“ behalten darf. Das ZDF antwortete recht sachlich: „Private Besuche von Veranstaltungen durch Protagonistinnen und Protagonisten, die auch für das ZDF tätig sind, kommentieren wir nicht.“ Und kündigt das nächste „Traumschiff“ mit Harald Schmidt für den 26.11. 23 an.
Nun mal zwischendurch zur Sache selbst: Das Foto ist entstanden auf der „Sommerparty“ der schweizerischen Zeitung „Die Weltwoche“ in Zürich. Zu den Gästen, insgesamt wohl über 200, gehörten übrigens nicht nur Schmidt, Maaßen und Matussek, sondern auch Alice Weidel, die aber wohl in diesem Zusammenhang nicht von Interesse ist, weil es – zumindest bisher- kein Foto von ihr und Schmidt gibt. Deshalb nun das Foto der drei Herren, von denen zwei – nämlich Maaßen und Matussek- als „umstritten“ gelten. Und warum sind sie umstritten? T.online: Maaßen und Matussek gelten als „(…) zwei der bekanntesten Stimmen der sogenannten Neuen Rechten in Deutschland.“ Was übrigens, so stellt t.online mit einem empörten Unterton in der Stimme fest, für das „(…) ZDF kein Grund (ist), sich von Harald Schmidt zu distanzieren.“
T.online möchte jetzt also gerne auch noch das ZDF in Sippenhaft nehmen. Oder sagen wir mal: in Kontaktschuld.
Aber was ist passiert? Auf einer Party mit über 200 Gästen entsteht ein Foto wie wahrscheinlich hunderte andere auch von den Partygästen. Übrigens posieren die drei Männer nicht, auch Schmidt nicht. Sie blicken in die Kamera – ohne jegliche Pose! Kein Hitlergruß- kein Naziblick! Allein ihre – tatsächliche oder vermeintliche – Gesinnung reicht aus, sie zu diskreditieren bzw. Schmidt zu diskreditieren, weil er mit den beiden anderen auf dem Foto ist, auf dem, zumindest meiner Auffassung nach, aber keine Gesinnung zu erkennen ist.
Welchen Frevel oder welche Tat hat Schmidt begangen – nach Auffassung der „Rechtgläubigen“? Hätte er die Einladung zur Party nicht annehmen dürfen? Hätte er die Party verlassen müssen, als er gesehen hat, dass Maaßen und Matussek (von Weidel ganz zu schweigen) dort anwesend waren? Hätte er um die beiden einen Bogen machen müssen (Kontaktvermeidung)? Oder ist es so, dass man eine (tatsächliche oder vermeintliche) Gesinnung teilt, weil man ins Gespräch gekommen ist und dann ein gemeinsames Foto entsteht? Und übrigens eine „Gesinnung“, die nur ein bestimmter Teil der Öffentlichkeit negativ beurteilt, weil sie nicht der eignen entspricht! Und muss man sich dann eventuell von dem Foto distanzieren? Und von den Menschen auf dem Foto?
Die empörten Rufer in den Zeitungsstuben sind so etwas wie auf den Kopf gestellte Stalinisten! Der Superdemokrat Stalin hat bekanntlich politische Gegner, die vom rechten Pfad des Marxismus-Leninismus nach seinem Verständnis abgekommen waren, aus Gemälden, Fotografien und anderen Abbildungen entfernen lassen. Gerne auch, nachdem sie von seinen Schergen ermordet worden waren! Hier gehen nun Superdemokraten in Redaktionsstuben hin und empören sich, dass jemand auf einem Bild zu sehen ist – und leiten daraus Sympathie mit einer Gesinnung ab, die sie unterstellen und die natürlich – wie bei Stalin – von der ihrer Meinung nach richtigen Gesinnung abweicht. Und deshalb beginnen sie einen medialen Schauprozess mit dem Ziel einer öffentlichen Verurteilung.
Es gibt allerdings einen Unterschied: nach Stalins Schauprozessen verschwanden die Verurteilten im GULAG, falls sie nicht sowieso zum Tode verurteilt wurden. Hier, also in den zeitgeistigen Redaktionsstuben, begnügt man sich mit dem Versuch der öffentlichen Hinrichtung durch die Entfernung aus der medialen Öffentlichkeit unter dem Motto: Ihr werdet den doch wohl nicht mehr auf dem „Traumschiff“ fahren lassen!
Warum aber Schmidt?
Schmidt war den Zeitgeistigen schon immer verdächtig, eben gerade deshalb, weil er sich nicht hat politisch verorten lassen. Er hat sich vor keinen Karren spannen lassen – auch nicht einen guten! Dem ehemaligen Messdiener Schmidt war nichts heilig – er verspottete alles und jedes, wenn denn eine Pointe abfallen konnte. Er hat sich mit nichts und niemandem gemein gemacht, immer Distanz gehalten. Vor allem zu den Strömungen der richtigen Gesinnung und Haltung und deren Protagonisten. Für Schmidt war „(…) der Zynismus die einzig angemessene Haltung gegenüber der eitlen und verrückten Welt von heute. Der Zyniker distanziert sich durch seinen Spott vom lächerlichen Alltagsgeschehen, missachtet narzisstische Konventionen und bricht unbegründete Tabus.“ *****
Und Schmidt hatte genau deshalb jahrelang großen Erfolg damit – auf den kleinen und großen Bühnen. Und das neideten ihm manche. Vor allem die Kleingeister des Zeitgeistes!
Und jetzt wollen sie Rache nehmen! Mit dem erbärmlichen Versuch, einen Skandal zu behaupten, eine Empörungswelle zu inszenieren und jemand an den Pranger der vermeintlich falschen Gesinnung zu stellen. Haltungsjournalismus? Eher Gesinnungs-Kleingeisterei von Sudelfedern!
****Digitales Wörterbuch der deutschen Sprache
Harald Schmidt: Ausschnitte: https://www.youtube.com/watch?v=gjEMaITHB_o
Ob die Kleingeistigen Rache nehmen wollen, sei mal dahingestellt. Ganz offensichtlich sind sie aber weit davon entfernt, den Mann zu verstehen, wenn er sich routiniert der Medienmechanismen bedient.
Es reicht ein Foto und schon meinen die Unterkomplexen, es sei damit dokumentiert, dass die Abgebildeten in weltanschaulichen Fragen zu 100% übereinstimmen. Deshalb fürchten sie selbst, jemals versehentlich mit einem Feindbild ihrer Bubble irgendwo abgelichtet zu werden oder gar auf einer Follower-Liste aufzutauchen. Es ist ein gnadenloses Business, wo ein falscher Klick Existenzen in der irgendwas mit Medien-Branche zerstören kann. – Arme Säue.
Schon fast 10 Jahre alt, hier ein „UniTalk“ des SWR mit Harald Schmidt. Hab noch immer Tränen in den Augen vor lachen. Schön zu sehen, wie der Moderator an seine Grenzen kommt, weil sämtliche vorgeschlagene Schubladen nicht passen wollen.
https://youtu.be/iWU18syaV2k
Eine ähnliche Kampagne hat es 2020 gegeben, weil der im Zusammenhang mit dem Schmidt-Maaßen-Matussek-Foto genannte Journalist Matussek (früher DER SPIEGEL, WELT) zu seiner Geburtstagsfeier eine „bunte Mischung“ an Gästen eingeladen hatte – von LINKS bis RECHTS. Im Nachgang, nachdem eine Welle der „Empörung“ inszeniert worden war, u.a. durch den Nicht-Satiriker Jan Böhmermann, distanzierte sich R. Beckmann (Moderator) von Matussek und sagte, es sei ein Fehler gewesen, zu der Feier gegangen zu sein.
Hier ein Ausschnitt des Artikels in der FRANKFURTER RUNDSCHAU vom 4.6.2020 mit der Schlagzeile „Matussek feiert mit Rechten Geburtstag“
Am 09. März ist Matthias Matussek 65 Jahre alt geworden. Der ehemalige Auslandskorrespondent des „Spiegel“ und später Leiter des Kulturressorts feierte seinen Geburtstag am Samstag mit aktuellen Freunden und ehemaligen Kollegen. Die illustre Gästeliste des kontrovers diskutierten Polemikers umfasste laut der „Bild“-Zeitung Kolumnisten wie Jan Fleischhauer (Spiegel) und Franz Josef Wagner (Bild), Moderatoren wie Reinhold Beckmann und Journalisten von der „Zeit“, des „Stern“ und des „Focus“. Daneben noch Geld- und richtiger Adel wie Stephan Gautier und Wilhelm von Boddien.
Was die Feier aber zur „seltsamsten Geburtstagsparty des Jahres“ (Bild) gemacht haben dürfte, war die andere Hälfte der Gäste: Erika Steinbach, einst Bundestagsabgeordnete und heute Leiterin der AfD-nahen Desiderius-Erasmus-Stiftung; Dieter Stein, Gründer und Geschäftsführer der rechten Wochenzeitung „Junge Freiheit“; Andreas Lombard, Chefredakteur des rechten Magazins „Cato“ und Moderator zahlreicher AfD-Veranstaltungen. (…)
Männer, die sich dem Katholizismus verschreiben also hier Matussek UND Schmidt vereint im Glauben, sind meiner bescheidenen Meinung nach suspekt. Den alten Schmidt konnte ich nie leiden. Den jungen schon. Nie sah man jemanden in so einer Geschwindigkeit in der Glotze so schnell altern. Schade.
Wer freiwillig auf so eine Party geht, zeigt schon, an welchem Baum sein Hammer hängt. Ich würde eher brechen, als…aber das gehört hier nicht hin.
Und: T-online-Redaktion und Co. haben sich vornehmlich der emotionalisierten Berichterstattung anhand von Kennzahlen für Wörter sowie suchmaschineoptimierte Texte für Google verschrieben, weil die ja die Guten sind. Und sie meinen, nur das allein wollen die Bürger lesen.
Der mediale Untergang ist nahe…
Weltwoche Chef Roger Köppel predigt täglich 30 Minuten, dass die AfD der Bewahrer der Freiheit wäre, Matussek stimmt mit ein, vergisst dabei aber nicht, sich in seiner Selbstverliebtheit zu ertränken, Schmidt passt da nicht rein. Außer vielleicht, dass sie alle große Stücke von sich selbst halten.
Ab MInute 12.10 sagt ers ja…
https://www.youtube.com/watch?v=Kzze1xnpd30
genau bei der Passage kommt Schmidt in der Rolle als Schmidt zum Tragen, wenn er sagt: er habe den Wahlomat gemacht und rausgekommen sind 50% Übereinstimmung mit den Grünen und 50 mit der AfD. Und dann sagt er natürlich, um die Erwartungen zu durchbrechen, wenn es rauskommt mit den 50% grüner Übereinstimmung, dann könne er sich öffentlich nicht mehr sehen lassen.
Das bedeutet, ein bestimmtes Publikum oder bestimmte Journos am (grünen) Nasenring durch die Arena zu ziehen. Klasse Pointe! Weil erwartet wird: die Distanzierung von der AfD.
Grundsätzlich meine ich: ob mir seine Nummern gefallen(haben), ob Matussek blöd und Matussek ein durchgeknallter Rechter ist und Köppel ein Bekloppter mit Tendenz zur AfD (aber gegen den Krieg in der Ukraine und also „Putin-Versteher), ist für seine Entscheidung, zu der Party zu gehen, wurscht, Da bin ich ganz beim ZDF und der Stellungnahme.