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Ursprünglich stammt die Aussage „The economy, stupid!“von Bill Clintons Wahlstratege James Carville, der 1992 für Clintons Wahlkampf drei Hauptthemen formulierte:

Change versus more of the same (Wechsel/Veränderung statt mehr von demselben)
Don´t forget health care (Vergiss nicht die Gesundheitsfürsorge)
The economy, stupid (siehe oben)

Der Ökonomie-Spruch, der mittlerweile in Variationen (It´s the economy, stupid!) und anderen Kontexten verwendet wird, ist fast so etwas wie ein Gemeinplatz geworden und bedeutet letztlich zweierlei:
Die Ökonomie (die Wirtschaft) ist die Grundlage für alle Gesellschaften und ihre Entwicklung. Zweitens: Politische Bewegungen und Entscheidungen müssen oder können auf ihre ökonomische Grundlage hin untersucht und betrachtet werden. Etwas simplifiziert könnte man auch meinen, man bewege sich in der Nähe von Marxens Gedanken zum Verhältnis von (ökonomischer) Basis und geistigem Überbau.
Was auf den ersten Blick vielleicht kompliziert erscheinen mag, lässt sich an einem Beispiel erklären – nämlich dem „Ukraine-Krieg“.
In der BILD (bild.de) wird heute folgende Meldung im Ticker zum Ukraine-Krieg gebracht:

16.07.2023 – 08:59 UHR
USA: Ukraine-Hilfe nützt der Weltwirtschaft
US-Finanzministerin Janet Yellen hat die Unterstützung der Ukraine vor einem Treffen mit ihren Kollegen der anderen G20-Staaten als äußerst hilfreich für die globale Weltwirtschaft bezeichnet. ***
„Die Beendigung dieses Krieges ist in erster Linie moralisch geboten“, sagte Yellen am Sonntag vor Journalisten im indischen Gandhinagar. Aber es sei „auch das Beste, was wir für die Weltwirtschaft tun können.“ (Quelle: BILD.de ****)

Nachdem Yellen zunächst erzählt, dass die Unterstützung der Ukraine „moralisch geboten“ sei, was bei uns immer verknüpft wird mit der Aussage, die Ukraine verteidige die Werte des Westens, wird dann aber der ökonomische Aspekt betont mit dem Superlativ „das Beste“.
Wenn wir einmal kurz auf die Geldströme schauen, dann wird ein Element der ökonomischen Seite in seiner Dimension deutlich. Nach Berechnungen des Kieler Instituts für Weltwirtschaft haben die USA bis Ende 2022 insgesamt 48 Milliarden EURO zur Unterstützung der Ukraine geleistet (militärische, finanzielle und humanitäre Hilfe). Die Europäische Union hat für diesen Bereich im angegebenen Zeitraum 52 Milliarden EURO bewilligt. Zusammen sind also 100 Milliarden EURO in Form von militärischen Gütern, humanitären Hilfsleistungen und Finanzhilfen in die Ukraine geflossen. *****
Bei der Berechnung des BSP bzw. BIP spielt es bekanntlich keine Rolle, welcher Art die Dienstleistungen und Produkte waren, die die Höhe der beiden Indikatoren bestimmt haben. Ob das Volumen also durch Kriegsprodukte oder die Einrichtung von Krankenhäusern und die Verbesserung der Infrastruktur (Schienen- und Straßennetz) erreicht worden ist, spielt für das reine Zahlenwerk zunächst keine Rolle. Jede Katastrophe und die Beseitigung ihrer Schäden steigert das BSP. Allerdings steht den Waffen und der Munition, die auf dem Kriegsschauplatz „verpulvert“ werden, letztlich kein gesellschaftlicher „Nutzen“ gegenüber, wie etwa bei der Ausbesserung von Straßen oder der Errichtung eines Krankenhauses oder dem Bau neuer Wohnungen. Bei der über Schuldenmacherei („Sondervermögen“) des Staates finanzierten „Militärausstattung“ ergibt sich allerdings die Belastung der Folgegenerationen sowie ein mögliche Schieflage des Haushaltes mit der Gefahr einer wachsenden Inflation.
Schauen wir auf die Aussage der Finanzministerin hinsichtlich des „Friedens“ unter ökonomischen Aspekten, so leuchtet die Sicherung und (mögliche) Erweiterung der westlichen Wirtschaftszone auf. Stellt man den Ukraine-Krieg in den Kontext der globalen Auseinandersetzung zwischen den USA, China und Russland, dann ist die Ukraine nicht nur ein politischer und militärischer, sondern auch ein ökonomischer Vorposten der westlich-kapitalistischen und von den USA angeführten Wirtschaftszone. Was, wie es im Zitat der Finanzministerin heißt, „moralisch geboten“ ist, hat eben auch eine ökonomische Basis, nämlich die Strategie der Handels- und Finanzmärkte in der globalen Auseinandersetzung mit China und Russland
Umgekehrt, das sei erwähnt, führt auch Russland natürlich zunächst eine „moralische“ Argumentation ins Feld („Kampf gegen Nazis“, Befreiung des ukrainischen Volkes, Bedrohung durch die NATO-Erweiterung). Dahinter stehen aber ebenfalls andere Aspekte (Großmachtstreben, nationalistische Strömungen, Verlust militärischen Einflusses, ökonomische Interessen, Rolle in der internationalen Auseinandersetzung um Macht- und Einflusssphären und der Handel mit Gas und Öl).
Vielleicht ist es nur ein Zufall, dass nun ausgerechnet die amerikanische Finanzministerin das Thema der Beendigung des Krieges anspricht, nicht aber eine solche Stellungnahme aus dem Außenministerium oder dem Weißen Haus selbst kommt. Aber die USA haben erst kürzlich durch einen Kompromiss zwischen Republikanern und Demokraten hinsichtlich weiterer Kreditaufnahmen ihre Zahlungsunfähigkeit abgewendet. Die Frage der Unterstützung der Ukraine ist auch für die USA eine Frage der Haushaltsentwicklung und der wirtschaftlichen Möglichkeiten. Wenn man immer wieder hört, der Schlüssel für einen Frieden liege in den USA, dann wahrscheinlich im Finanzministerium.

Kurz gesagt: „It´s the economy, stupid!“

***Hervorhebung im Fettdruck durch mich, BM
****https://www.bild.de/politik/ausland/politik-ausland/ukraine-krieg-die-aktuelle-lage-im-live-ticker-83726300.bild.html#64b3956e0ac7b168a2883659
***** Quelle: DW com. /Deutsche Welle (https://www.dw.com/de/ukraine-was-kostet-der-krieg-deutschland-und-dem-westen/a-64126285)

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Von Bernd Matzkowski

geb. 1952, lebt in GE, nach seiner Pensionierung weiter in anderen Bereichen als Lehrer aktiv

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