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Nach dem Aufstand des 17. Juni
Ließ der Sekretär des Schriftstellerverbands
In der Stalinallee Flugblätter verteilen
Auf denen zu lesen war, daß das Volk
Das Vertrauen der Regierung verscherzt habe
Und es nur durch verdoppelte Arbeit
Zurückerobern könne. Wäre es da
Nicht doch einfacher, die Regierung
Löste das Volk auf und
Wählte ein anderes?
Bertolt Brecht, Die Lösung (zum Aufstand in der DDR am 17.Juni 1953)

Mag sein, dass der eine oder andere Volksvertreter und die eine oder andere Volksvertreterin schon darüber nachdenkt, wie man die lästige Wunde AfD endlich loswird. Denn ein neues Volk, das richtig wählt, findet man nicht so auf die Schnelle. Vielleicht, wenn das Volk so wählt, wie die Umfragen es hergeben, bleibt dann nur noch das Verbot der Partei. Eine schmerzhafte, aber kurze Operation. Eine Amputation bei vollem Bewusstsein!
Willige, die die Notwendigkeit des Verbots herbeischreiben würden, gibt es bestimmt zur Genüge in den Redaktionen. Und wenn man den „Diensten“ sagt, was sie zu tun haben, werden sie auch das zusammentragen, was sie finden sollen. Denn immerhin darf der Verfassungsschutz – richterlich bestätigt – die AfD bereits als „rechtsextremistischen Verdachtsfall“ einstufen. Was ihren momentanen “Lauf“ bei den Umfragen aber offensichtlich auch nicht negativ beeinflusst!
Aus der Sicht der anderen Parteien ist die AfD nicht nur Konkurrenz, sondern schon fast eine Bedrohung. Folgt man dem sog. Sonntagstrend, dann sehen die aktuellen Ergebnisse so aus (so würde Deutschland jetzt wählen):

CDU/CSU 27 % (-1)
SPD 19% (-1)
AfD 19% (+1)
Die Grünen 13 % (+0)
FDP 9 % (+0)
Die Linke 5 % (+1)
Sonstige 8 % (+0)
Nun beugen sich Dutzende von Politikwissenschaftlern über ihre Kristallkugeln auf der Suche nach dem Grund für den momentanen Aufschwung der AfD, Experten von Stiftungen legen Karten, um das Geheimnis zu enträtseln, und Hauptstadt-Journalisten befragen Orakel in der Hoffnung, Antworten zu bekommen.
Der Blumenstrauß der beliebtesten Erklärungen: der Streit in der Ampel, die gegenseitige politische Lähmung der „Ampel-Parteien“, das Heizungs-Gesetz. Sicher alles nicht falsch, aber vielleicht doch zu kurz gegriffen, weil außer Acht gelassen wird, dass die regierenden Parteien in Bund und Ländern, also CDU/CSU, SPD, FDP, Grüne und Linke, vermehrt darauf angewiesen sind, Dreier-Bündnisse einzugehen oder „Große Koalitionen“ zu bilden. Diese Bündnisse täuschen darüber hinweg, dass die „Etablierten“ ihre Bindungskraft schon länger verloren haben, wie sie auch durchweg Mitglieder verlieren oder deren Zuwachs sich verlangsamt hat. Zudem ist festzustellen, dass bei einigen Wahlen die Wahlbeteiligung so gering ist, dass man unter Berücksichtigung der Nicht-Wähler behaupten kann, dass die regierenden Parteien keine „Großen Koalitionen“ sind, sondern „Minderheitsregierungen“. Die gegenwärtigen „Abstrafungen“ bei Wahlen (Bremen) oder bei Meinungsumfragen, sind also nur zum Teil Resultat der aktuellen Pannen-Politik der „Ampel“.

Interessant ist dabei vor allem, dass die CDU von der gegenwärtigen Krise der Regierung nur in geringem Umfang oder nicht profitiert. Zwar hat die CDU sich seit der letzten Bundestagswahl stabilisiert und Prozentpunkte gut gemacht, aber in der öffentlichen Wahrnehmung ist ausschließlich die AfD „Krisengewinnlerin“. Die CDU schleppt noch „Altlasten“ aus der Merkel-Ära mit sich herum. Dies betrifft einzelne Politik-Felder (Migration, Energie, Umwelt u.a.), aber auch die in sechzehn Merkel-Jahren gewachsene Sicht auf die CDU als „Kanzlerin-Partei“ ohne politische Innovationskraft und Diskussionsfähigkeit – kurz als eine etwas verstaubte, langweilige und nur am Machterhalt interessierte Wahlvereinigung. Auch die „Vergrünung“ der Partei, die ihr liberal-konservatives und bürgerliches Image als Partei Konrad Adenauers und Ludwig Erhards samt christlicher Soziallehre über Bord geworfen hat und dem Zeitgeist hinterherhechelt, führt zum Attraktivitätsverlust, weil das Image der CDU immer schwammiger geworden ist. Die CDU wird als Partei gesehen, die „grün lackiert“ ist und vermeintlich auf jeder Welle surft, die aus dem Lager des grün-linken Zeitgeistes über das Land schwappt.
Die CDU ist als Opposition „halbgar“ – zwar moppert und mosert sie, haut auch mal etwas auf den Putz, aber bremst sich immer wieder selbst aus, weil sie es sich weder mit der SPD (Koalition in Berlin) noch mit den GRÜNEN (Koalition in NRW) „verderben“ will. Anstatt SPD und GRÜNE politisch in der Luft zu zerreißen, wedelt sie ein wenig mit dem Fächer herum und erzeugt ein laues Oppositionslüftchen.
Personalprobleme kommen hinzu: Nun rächt es sich, dass Merkel nahezu alle weggebissen hat, die ihr auch nur annähernd hätten das Wasser abgraben können. Merz ist bestenfalls eine „Übergangslösung“ – ohne Charme und ohne Charisma! Frauen sind nicht in Sicht – man denke nur an die „Verteidigungsministerinnen“ der letzten Merkel-Jahre einschließlich der nach Brüssel rechtzeitig entsorgten Frau von der Leyen. Im Zuge der „Graichen-Affäre“ hat Julia Klöckner (überraschender Weise!) bei den Befragungen wohl einen guten Job gemacht, aber ob sie „Kanzlerinnen-Schuhe“ tragen kann, ist doch fraglich (wenn sie denn überhaupt Ambitionen und innerparteilich eine Chance hätte, was ich nicht glaube)!

Auch die SPD ist nicht in der Lage, den Aufstieg der AfD zu bremsen. Unabhängig davon, dass das alte Kern-Wählerklientel der SPD, die Klasse der Arbeiter, Facharbeiter, kleinen Geschäftsleute und Teile des Mittelstandes, entweder in dieser althergebrachten Form nicht mehr existent oder aber „bindungslos“ geworden ist, was das Wahlverhalten angeht. Man kann heute den Eindruck gewinnen, alles, was irgendwie nach „Minderheit“ riecht, weckt bei der SPD Interesse (von Haschisch-Rauchern bis Transgender-Gruppen), aber die, die „im Dunkeln“ leben, wie es bei Brecht in der „Dreigroschenoper“ heißt, sind der SPD nicht mehr im Blickfeld.*** Auch die SPD ist nicht rein vom „Schmutz“ der Merkel-Jahre. Kritik an dieserMerkel-Zeit hätte zunächst Selbstkritik zu sein, denn die SPD war lange genug Juniorpartner. Die SPD ist verlottert: wie sie sich Merkel in die Arme geworfen hat, ist sie nun Schmusepartner der GRÜNEN. Sie hat sich der Klimasekte ausgeliefert – will mit den Grünen das Weltklima retten, bekommt aber in den (Ruhrgebiets-)Kommunen, in denen sie regiert, noch nicht einmal die Schlaglöcher im Asphalt gestopft. Und kritisiert natürlich mit den GRÜNEN gemeinsam den Polizeieinsatz in Leipzig, anstatt die Gewaltexzesse (50 verletzte Polizisten) vermummter linksradikaler Demonstranten zu verurteilen. Das sozialdemokratische Kokettieren mit Gewalttätern ist geschmacklos, wie der phrasenhafte und gebetsmühlenartig ständig wiederholte „Kampf gegen RECHTS“ banal und hohl ist, weil dadurch der Aufstieg der AfD nicht verhindert werden kann. In diesem Kontext ist die SPD kein Teil der Lösung, sondern Teil des Problems!
Über das politische Personal muss man nicht viele Worte verlieren. Mit Brandt und Schmidt hat die SPD Kanzler gestellt, die Persönlichkeiten waren. Scholz ist Kanzler geworden, weil er keine Persönlichkeit hat. Seine Kontur besteht darin, konturlos zu sein. Nichts macht das deutlicher als der am Samstag von Scholz geäußerte Satz zum „Heizungsstreit“: „Alle haben ‚ein bisschen Recht.“ Und wir alle wünschen uns „ein bisschen Frieden!“ Und „99 Luftballons“!

Im Kern sind die GRÜNEN der Steigbügelhalter der AfD. Und zwar nicht wegen ihrer Klimaobsession, sondern weil sie alles tun, um das Deutschland zu zerstören, in dem über Jahrzehnte hinweg rechtsgerichtete Parteien nur eine Randerscheinung waren, mal in dem einen oder anderen Parlament auftauchten, mal die 5%-Hürde nahmen, um dann wieder zu verschwinden. Dabei geht es nicht nur um die „großen Linien“ der Politik (etwa Einwanderung), um die Abschaffung tradierter Normen und Werte, um das Hofieren von Partikularinteressen, um die Legitimierung von Gewalt, wenn sie für den „Klimaschutz“ oder im „Kampf gegen rechts“ eingesetzt wird und viele andere Bausteine, sondern für viele Menschen geht es um das arrogante, bevormundende, abgehobene und letztlich das Volk verachtende Auftreten der Lautsprecher der Partei, die teilweise zudem die absonderlichsten Dummheiten als letzte Wahrheiten verkünden – vom Atomstrom, der die Netze verstopft hat, bis zu den Kobolden, von dem Akzeptieren von antisemitischem Gedankengut in Kunst und Politik bis zur Verteufelung „abweichender Meinungen“, die als Nazitum diskreditiert werden (etwa während der Corona-Krise und zuletzt im Zusammenhang mit dem Fall Aslan und dem Fall Graichen). Die Stimmen für die AfD, besonders im Osten, sind die Nemesis des verachteten „kleinen Mannes von der Straße“ und auch „der kleinen Frau“ für das besserwisserische und hochmütige Gehabe eine Kaste von Leuten, die von der Alltagswirklichkeit der Menschen meilenweit entfernt sind.
Das (Führungs-)Personal der GRÜNEN lebt davon, dass es von Sympathisanten in den Medien hochgeschrieben und hochgesprochen worden ist. Baerbock, Habeck, Katrin G.-E. und Claudia R. diskreditieren sich täglich selbst mit fast jedem Satz, den sie äußern. Besonders Habeck hat sich als Plaudertasche erwiesen. Seine Souveränität war Fake, mit Widerspruch kann er nicht umgehen, aber mit Hofschranzen umgibt er sich gerne.
Eine besondere Rolle spielt die Nachfolgepartei der SED (Vertuschungsname: Die Linke). Ihre Besonderheit ergibt sich daraus, dass sie „im Westen“ nur dort eine größere Rolle spielt, wo bestimmte linke und linksradikale Biotope existieren (etwa in Berlin und Leipzig). Im Osten allerdings konnte sie über Jahre die Rolle der Protestpartei gegen „die im Westen“, die sich die schöne DDR einverleibt haben, übernehmen. Mittlerweile wird ihr aber auch in ihren Hochburgen die Rolle der Protestpartei von der AfD abgenommen, weil die „Linke“ letztlich in den Fragen, die viele Menschen bewegen, auch nur eine Variante der westlichen Parteien-Politik verkörpert, etwa in der Frage der Migration bzw. der Flüchtlingspolitik. Die Unterschiede zu SPD und GRÜNEN sind nur graduell. Letztlich (strategisch gesehen) hat sie wahrscheinlich eine Randexistenz vor sich.

Das gilt auch für die FDP, die seit Eintritt in die „Ampel-Regierung“ eine Reihe von Wahlniederlagen zu verkraften hatte und deren Personal sich – bundespolitisch – in der Trias Lindner, Kubicki und Strack-Zimmermann erschöpft. Die Politik der FDP ist durch lautes und frühes Bellen und späteres Winseln gekennzeichnet, sie haut auf die Pauke, wird dann aber kleinlaut, um nicht nur die Redewendung vom Absprung als Tiger und Landung als Bettvorleger zu bemühen. Lindner hat sich mit dem „Sondervermögen“ bereits zur Genüge diskreditiert, bei den Haushaltsberatungen und bei den weiteren Diskussionen und Abstimmungen zum „Heizungsgesetz“ wird sich zeigen, ob irgendjemand die FDP noch braucht – außer für eine parlamentarische Mehrheit. Auch die FDP hatte einst politische Schwergewichte in ihren Reihen, etwa Minister, die den Begriff „liberal“ personifizierten. Heute hat sie eher Bodenpersonal, das heiße Luft in Tüten verkauft.

Die Parteien der „Ampel“ und die CDU schieben sich momentan die Verantwortung für den Aufstieg der AfD zu, die schon fast einmal „weg vom Fenster“ war, der man aber gemeinsam in einer super-großen Koalition neue Themen frei Haus geliefert hat und der man übrigens (im Bundesparlament aber auch vor Ort, also in GE) immer wieder die Rolle des Opfers zufallen lässt, indem Spielregeln geändert werden, etwa Abstimmungs- und Wahlverfahren. Eine politische Auseinandersetzung ist das nicht, jedenfalls keine, die Erfolg verspricht. Und auch das ständige Nazi-Geschrei hilft nicht weiter – mal abgesehen davon, dass die inflationäre Verwendung des Begriffs historisch äußerst fragwürdig und gefährlich ist.

Aus einer Wunde können übrigens Wundbrand und eine Sepsis entstehen!

***B. Brecht, Die Dreigroschenoper, Moritat von Mackie Messer.
Denn die einen sind im Dunkeln
Und die andern sind im Licht.
Und man siehet die im Lichte
Die im Dunkeln sieht man nicht.

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Von Bernd Matzkowski

geb. 1952, lebt in GE, nach seiner Pensionierung weiter in anderen Bereichen als Lehrer aktiv

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Fra.Prez.

Fesselnder Text

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ro.Bien.

Hinzuzufügen wäre: Und unsere Justizbehörden jubeln, weil es endlich wieder eine radikale Linke gibt, die man ausgerechnet im Osten ruckzuck für fünf Jahre wegsperren kann, ihre Demos sofort verbieten – während die verprügelten Nazis – wenn überhaupt – mit Bewährungsstrafen weiter davon kommen und auf ihren Menschen verachtenden Rockkonzerten den Erfolg feiern.

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Ali-Emilia Podstawa

Vorhin mit einem befreundeten Handwerker (Gas, Wasser, Scheiße) gesprochen. Er meinte, bevor die Gesellschaft explodiere, müsse die Reißleine im politischen System gezogen werden. Die ganze Welt lache sich ja schon über die Dummheit der Entscheidungen unserer Regierung kaputt. Peinlicher könne es kaum mehr werden. Der Irrsinn an Vorgaben in seiner Branche sei nicht mehr zu ertragen. Im übrigen baue sich kein Kunde jetzt eine Wärmepumpe ein. Alle machen ihre Heizung nochmals flott. Alle brauchen ein paar Jahre Zeit für einen Übergang und um finanzierbare Lösungen für ihre Häuser und Wohnungen zu finden. Es gebe an seinem Wohnort ganze Häusezeilen von Neubauten, deren Wärmepumpen wegen unterdimensionierter Stromnetze gar nicht angeschlossen seien. Noch ein weltfremder Vorschlag aus Berlin und er gehe zum ersten Mal in seinem Leben nach französischen Vorbild auf die Straße. Generalstreik nicht ausgeschlossen.

Das war die dritte Person, die im Bekanntenkreis innerhalb weniger Tage ungefragt Ähnliches von sich gegeben hat. Die Mutti-Merkel-Ära der Duldsamkeit von braven Bürgern geht wohl zu Ende.

Der Bogen wurde überspannt. Die Parteien als Ganzes haben es verkackt. Der Reflex, dass nur eine besonders verachtenswerte Partei, die derzeit zulegt, an der Stimmung unter den Bürgern Schuld sei, ist so dämlich, dass der Glaube an diese Ursache die Gute-Parteien-Gläubigen als Volltrottel darstellen läßt. Die AfD ist hausgemacht. Alle Parteien haben kräftig beim Wachstum dieses Sammelbeckens mitgeholfen.

Oder wie Andreas Rebers letztens sein Publikum fragte: ‚Schon mal überlegt, was rauskommt, wenn alle Parteien nur noch rot oder grün sind und man die Farben dann miteinander vermischt? Ja, das Ergebnis gefällt uns gar nicht! Das hätten wir aber bereits vorher wissen können! Naturgesetze verändern sich ja nicht, nur weil wir es gerne anders hätten.‘

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Klau.Holl.

Bernd, was ist verantwortlich für die Situation, das sich der „harte“ Kern der Grünen sich soweit von der Realität der anderen entfernt hat? Welche Erklärung hast Du?

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Ro.Bien.

Malermeister Jens in seinem Element:
https://fb.watch/k_ZDPjOEkM/

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Fra.Prez.

Korrigierende Anmerkung meinerseits: Aus naheliegenden Gründen wird das Klempnerhandwerk umbenannt in „Gas, Wasser, Gold“

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