Der Bauer mit dem Traktor…
Der Bauer mit dem Traktor
fährt auf den Acker Dung.
Sein Sohn, der in der Stadt studiert,
der liest Mao Tse-tung.
Der Bauer, der sehr dümmlich,
weiß nicht, wer Mao ist.
Er sagt: Was soll Maotse-Dung,
ich bleib bei Pferdemist.
(Insterburg & CO.)
In diesem Gedicht von Insterburg & CO. stecken unterschiedliche Wahrheiten und zeitgebundene Einsichten – vergangene und gegenwärtige. In der Bühnennummer aus den 60er Jahren greifen Insterburg & CO. komödiantisch den damaligen Zeitgeist auf, denn Texte von Mao wurden in der revolutionären Studentenschaft gelesen. Sein Konterfei tauchte neben denen von Che Guevara und Ho Chi Minh bei Demonstrationen auf. Das „Rote Buch“, die „Bibel“ der chinesischen Kulturrevolution, eine Sammlung von Zitaten, Weisheiten, Plattheiten, Poesiealbumsprüchen und Ansichten des Kommunistenführers Mao, erlangte eine Art Kultstatus.
Zugleich macht der Text der Insterburg-Truppe deutlich, dass die große Masse des Volkes in Deutschland an den theoretischen Debatten und der kommunistischen Propaganda der Studenten kein Interesse hatte. Dem Bauern ist es wichtig, sein Feld zu bestellen – Phrasen helfen dabei nicht, Dung aber schon! Und der Text weist auf die Generationenfrage hin. Der Sohn studiert und verliert sich in theoretischen Debatten, der Vater sorgt dafür, dass das Essen auf den Tisch kommen kann.
Doch auch in die Gegenwart kann man den Text von Insterburg verlängern, wenn man die Ideen Maos als Beispiel nimmt für Ideologien überhaupt und sie als Gegensatz zur harten Realität des Alltags der Menschen begreift. Insofern kann man den Text auch als überzeitliches Meisterwerk zum Thema „Desillusionierung“ sehen. Wobei Illusionen an sich nicht schlecht sind. Immerhin leben ganze Branchen oder Gattungen davon: Malerei, Musik, Literatur, Film, Zirkus, Zauber-Shows („Illusionisten“). Und oft auch „die Politik“ oder besser „die Politiker“. Problematisch wird es erst, wenn man den Unterschied zur Realität verwischt, denn die ist kein „ästhetisches Kunst-Werk“, sondern schmutzig – wie der vom Bauern auf den Acker gebrachte Dung! In der Politik ist das Verwischen des Unterschiedes zwischen Realität und Illusion (Utopie) aber nicht nur problematisch, sondern sogar gefährlich für den Bestand einer Gesellschaft. Robert H. und seine Sicht auf die Dinge sind dafür paradigmatisch!
Als Robert H. noch ein schriftstellender grüner Aufsteiger war, hat er bekanntlich mit seiner Ehefrau Andrea Paluch Kinderbücher geschrieben – was zunächst einmal nichts Ehrenrühriges ist. Im 2. Band der Reihe „Kleine Helden, große Abenteuer“ findet sich ein erster Anhaltspunkt, wie Robert H. die Welt sieht. Denn in einer der Geschichten „erfährt Emily (…) aus erster Hand, wie aufregend ein nächtlicher Stromausfall sein kann.“ (Verlagstext zum Buch) Ein Stromausfall (nachts!) als spannendes Kinderabenteuer. In Ordnung!
Aber jetzt dreht Robert am großen Energierad einer (Noch-)Industriegesellschaft – kratzt, wo es nur geht, Strom zusammen, hofft auf milde Winter und darauf, dass sich die Windräder drehen, damit genügend Strom zur Verfügung steht. Und es muss immer mehr davon geben, weil es sonst knapp wird mit dem Strom. Auch wenn man dafür Waldflächen opfern muss und den Artenschutz, na, sagen wir mal, etwas zurückfährt. Auch die Verstromung von schwarzer und brauner Kohle muss hochgefahren werden, und ein wenig schmutzigen Atomstrom aus Frankreich und Kohlestrom aus Polen muss man schon mal dazukaufen, damit es nicht zappenduster wird. Denn im Gegensatz zu Habecks literarischer Kinderfigur Emily empfinden die meisten echten Menschen Stromausfälle nicht als spannend und haben wenig Lust darauf, dass „alltägliche Situationen zu kleinen Abenteuern“ werden (Verlagstext zum Buch). Und erst recht wird der Stromausfall zur Katastrophe, wenn er länger andauert und mehr wird als ein Kinderspaß in einer Abenteuernacht. Deshalb hat sich Habeck in der Realität von seinem Kinderspaß verabschiedet, weil ihm klar ist, dass ein BLACKOUT größeren Ausmaßes nicht nur das Ende seiner Ministerzeit, sondern auch das Ende aller grünen Kindermärchen bedeuten könnte. Und deshalb ist er in steter Sorge, dass Strom fließt – aus welcher schmutzigen Quelle auch immer er kommt. Dass Wedeln mit dem ökologischen Fähnchen ist nur (noch) propagandistisches Beiwerk eines „So-tun-als-ob“.
Habeck hat längst die Welt der Kinderzimmer-Abenteuer verlassen. Denn was
Robert Habeck spannend findet, dass ist die große weite Welt. Besser: die große weite Welt in naiver Sicht auf sie. Wenn zuhause schon, des Aufstellens von Windrädern und des Baus neuer Trassen oder der Errichtung von LNG-Terminals wegen, die Natur, etwa im Wattenmeer, sich hinten einreihen muss, dann öffnet man eben den Blick und lässt ihn ins Weite schweifen. Anders: hier holzt man ab für den Trassen-und Windradbau, aber den Regenwald feiert man und predigt dessen Erhaltung. Was vor der eigenen Haustür längst auf dem Altar der Strombeschaffung geopfert wird, muss in anderen Teilen der Welt dann doch erhalten bleiben. Klingt gut – vor allem für die Selbst-Illusionierung und den eignen Psychohaushalt.
Wobei die Faszination (west-) europäischer Intellektueller, namentlich der Schriftsteller und Künstler, für das (vermeintlich) Ursprüngliche und die Bewohner einer (nach den eigenen Standards) nicht-zivilisierten Welt schon in vorigen Jahrhunderten vorhanden war. So etwa die Liebe Hemingways, der über zwanzig Jahre auf Kuba lebte, zu Afrika, dem Erfüllungsort seiner Sehnsüchte, wohin er 1933 und 1953 zu zwei mehrmonatigen Reisen aufbrach und wo er auf Großwildjagd ging und die Tage mit dem Leeren von Flaschen (Alkohol), dem Fischen und dem Hantieren mit dem Jagdgewehr verbrachte.
Jahrzehnte vor ihm bricht der Maler Paul Gauguin von Paris aus nach Tahiti und von dort aus in das damalige Französisch-Polynesien auf, wo er sein Glück und seine Erfüllung zu finden hofft. Dort und in dieser Zeit (bis zu seinem Tod im Jahre 1903) entstehen seine berühmten farbenprächtigen Gemälde, die Frauen am Strand, teils halbnackt, zeigen, umgeben von üppiger Natur und angesiedelt in einer Südseeidylle, auf der keine Spuren des Kolonialismus zu entdecken sind. Gauguin erschafft malerisch den Mythos eines unberührten Naturparadieses.
Das Naturparadies, wenn auch bedroht durch Abholzung, liegt für unseren Erzähler Habeck im Regenwald des Amazonasgebietes, wohin er und sein Ministerkollege Cem „Hanf“ Özdemir folgerichtig aufgebrochen sind. Und ganz im Stile westeuropäischer Kolonisatoren aus früherer Zeittritt er dort auf: Er ist natürlich ein Häuptling, er spricht in einfacher Sprache zu den „Eingeborenen“, deren Dorf er besucht, und er macht durch ungefragtes Duzen der Menschen dort klar, wie die Hierarchie aussieht, weswegen er sich auch schnell ein wenig Kultur der Indigenen aneignet, die, freundlich oder geschäftstüchtig, wie sie nun mal sind, ihm das weiße Gesicht bunt bemalen. Und Robert H. freut sich ein Loch in den Bauch, weil der Regenwald noch steht (Lob für die Dörfler) und erzählt bedauernd, dass zuhause, im fernen Deutschland, der Wald schon stark verschwunden ist. Und er freut sich, dass auf den Dächern der Hütten kleine Kollektoren das Sonnenlicht zwecks Stromgewinnung einsammeln. Dass das aber nicht reicht, um größere Immobilien, etwa ein Hotel oder ein Krankenhaus, zu betreiben, hört der Robert schon nicht mehr, denn er muss ja weiter. Und so huschen die beiden Häuptlinge in ihr Boot zurück, mit dem sie angelandet sind wie einst Kolumbus, der glaubte, er sei in Indien bei den Indianern angekommen.
Nicht ganz unzutreffend und erwartungsgemäß spöttisch kommentiert FDP-Mann Wolfgang Kubicki: „Es war offensichtlich eine sehr harmonische und stimmungsvolle Reise, die Robert Habeck und Cem Özdemir gemeinsam nach Südamerika unternommen haben. Wenn Robert Habeck allerdings erklärt, der Wald in Deutschland sei “mehr oder weniger weg”, hätte sich die Reise des Bundeswirtschafts- und des Bundesforstwirtschaftsministers sicher mehr gelohnt, wäre sie nicht nach Brasilien, sondern in den deutschen Wald, der immerhin ein Drittel unserer Landesfläche bedeckt, gegangen. Schön wäre es aus meiner Sicht ebenfalls gewesen, die beiden Minister hätten bei ihrem Aufenthalt in Kolumbien einen kurzen Abstecher gemacht, um im Namen der Bundesrepublik voll Dankbarkeit die dortigen Kohlegruben zu besichtigen, die wegen der grünen Weigerung, hierzulande weiter auf Kernkraft zu setzen, wohl noch über Jahre von uns stark in Anspruch genommen werden.“
Blickt man nach den Monaten, in denen uns Robert Habeck nun schon als Wirtschafts-und Energieminister regiert, auf diese Reise zum Amazonas und Habecks bisheriges Wirken, erscheint er fast als Wiedergänger der Filmfigur „Fitzcarraldo“ aus dem gleichnamigen Film von Werner Herzog mit Klaus Kinski in der Hauptrolle (1982). Der Film schildert einen Lebensabschnitt des Abenteurers, Exzentrikers und Opernliebhabers Brian Sweeney Fitzgerald, der von der Idee besessen ist, in den peruanischen Dschungeln ein Opernhaus zu bauen und den berühmten Sänger Enrico Caruso dorthin zu engagieren. Doch dieser Plan scheitert schließlich.
Auch Habeck ist von einer Idee besessen, nämlich der „Energiewende“ als Teil der Transformation Deutschlands zu einer ökologischen, nachhaltigen und von regenerativen Energien angetriebenen Gesellschaft. Das ist ganz große Oper! Wie bei Fitzcarraldo! Doch bisher ist Habeck – wie die Filmfigur – ein Gescheiterter. Seine Gasumlage, wegen der er bei einer Rede im Bundestag ins Hysterische verfallen war, ist krachend gescheitert. Statt Dekarbonisierung muss er wegen des Ausstiegs aus russischem Gas auf dreckige Braun- und Steinkohle setzen und vor Despoten den Bückling mache. Der Ausbau der Windkraft kommt kaum voran – im Zweifel opfert er dafür Wald- und Naturflächen. Die E-Mobilität löst das eigentliche Verkehrsproblem nicht, nämlich die Fixierung auf die Antriebsart. Der Strom für die Autos ist nicht grün, sondern ein Mix aus Atom- und Kohlestrom, abgemischt mit Anteilen von Windenergie. Mit seiner manischen Verbotspolitik (Öl- und Gasheizungen) wird er in der Praxis scheitern (Mangel an Fachkräften) und eventuell viele Menschen in den finanziellen Ruin treiben, weswegen er jetzt schon Teile der Bevölkerung gegen sich aufbringt. Aber all das scheint er auszublenden. Stattdessen fabuliert er im Regenwald darüber, wie großartig doch die Menschen dort im Einklang mit der Natur und von ihr leben.
Eigentlich ist er also immer noch da, wo er vor Jahren war. Der Erzähler, der uns weismachen will, dass ein Stromausfall doch ein spannendes Abenteuer ist. Und das führt uns an die Quelle seiner Haltung, sozusagen an seine Antriebskraft. Und ich glaube, die findet sich im Märchen von „Hans im Glück“. Hans arbeitet bekanntlich harte sieben Jahre lang und bekommt zum Abschied von seinem Dienstherrn und Meister zur Belohnung einen Klumpen Gold. Der wird ihm auf dem Heimweg aber bald zu schwer. Deshalb tauscht er das Gold gegen ein Pferd, danach das Pferd gegen eine Kuh, die Kuh gegen ein Schwein, das Schwein gegen eine Gans und die wiederum gegen einen schadhaften Wetzstein und einen vom Boden aufgelesenen Stein. Die beiden Steine fallen ihm in einen Brunnen. Nun erst fühlt er sich wirklich frei und kehrt heim. Zu seiner Mutter!
Und das ist es doch! Wir lösen uns von der kapitalistischen Produktionsweise, von Gebrauchswert und Tauschwert, von materiellen Gütern, von den Zwängen und Sorgen einer Industriegesellschaft, die die Umwelt zerstört. Wir sind frei: unter Dächern lebend, auf denen kleine Solaranlagen uns Energie liefern, aber im Schutz des großen Waldes, mit dessen Bäumen wir sprechen und im Rhythmus atmen. Wir kehren heim zu unserer Mutter – und gemeint ist natürlich Mutter Natur. Wir werden von weisen Häuptlingen regiert, bis wir uns selbst regieren können. Und es wird „ein Dekret erlassen, daß wer sich Schwielen in die Hände schafft unter Kuratel gestellt wird, daß wer sich krank arbeitet kriminalistisch strafbar ist, daß jeder der sich rühmt sein Brot im Schweiße seines Angesichts zu essen, für verrückt und der menschlichen Gesellschaft gefährlich erklärt wird und dann legen wir uns in den Schatten und bitten Gott um Makkaroni, Melonen und Feigen, um musikalische Kehlen, klassische Leiber und eine kommode Religion!“(Georg Büchner, Leonce und Lena, III/3)
Funktioniert! Aber nur in Büchners Komödie. In der Wirklichkeit müssen Steuergelder fließen, die Habeck dann verteilen kann, wenn sie denn vorher von denen erarbeitet worden sind, denen er neue Heizungen vorschreibt. In der Wirklichkeit muss Strom verlässlich fließen, auch wenn kein Wind weht und die Sonne nicht scheint. In der Wirklichkeit ist ein BLACKOUT kein Kinderabenteuer!
In der Wirklichkeit setzt Habeck den Wohlstand ganzer Bevölkerungsschichten aufs Spiel!
Ein guter Häuptling täte das aber nie!
Aktuelle Ergänzung: Häuptling Robert schaut wahrscheinlich heute traurig aus dem Bürofenster und denkt melancholisch an seinen Besuch im Regenwald, denn der von den GRÜNEN massiv unterstützte „Berliner Volksentscheid für ehrgeizigere Klimaziele ist gescheitert. Das Bündnis „Klimaneustart“ erreichte nicht die erforderliche Zustimmung von 25 Prozent. Das teilte die Landeswahlleitung am Sonntagabend kurz vor Abschluss der Auszählung mit.“ (Frankfurter Rundschau, 26.3.23/Up-Date 19.47 Uhr)