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Durch Erfahrungen im privaten Umfeld, aber auch im Kontext eines gestellten Bürgerantrags (Antrag nach GO NRW) sowie aus Leserbriefen in der Lokalpresse und den „Sozialen Medien“ wissen wir, dass es immer mal wieder Unzufriedenheit mit der Arbeitsweise der Stadtverwaltung in Bezug auf Bürgeranliegen gibt. Einer der Hauptpunkte, was Kritik angeht, sind lange Wartezeiten, unzureichende oder nicht befriedigende Antworten auf Anfragen, Nicht-Berücksichtigung von Einwänden etc. Unabhängig davon, ob in jedem einzelnen Fall die Kritik an der Verwaltung berechtigt ist, ist jedenfalls Unmut zu erahnen und ist Unzufriedenheit zu spüren.
Wozu empfundenes oder tatsächliches Unrecht und das Gefühl, von Instanzen nicht ernst genommen, ja vielleicht sogar missachtet zu werden, führen kann, hat Kleist in „Michael Kohlhaas“ eindringlich geschildert. Nun, in der heutigen Zeit werden Bürger, die sich missachtet fühlen, nicht so schnell mordend und brennend durch die Landschaft ziehen und – sagen wir mal beispielhaft – das Hans-Sachs-Haus in Schutt und Asche legen. Heute gehen wir zumeist gepflegter miteinander um – rechtskonform. Geht der Bürger aber nicht vor Gericht, etwa vor das Verwaltungsgericht, um seine Rechte gegenüber der Verwaltung einzuklagen oder zu verteidigen, bleibt das schlichte Instrument der Dienstaufsichtsbeschwerde übrig, wozu der berühmte Volksmund pfiffig formuliert hat: Dienstaufsichtsbeschwerdeformlos, fristlos, folgenlos!
Ob das auch in Gelsenkirchen zutrifft, sollte in einem Feldversuch überprüft werden!
Der Feldversuch begann im April 2022*** mit Fragen meinerseits zum Stipendium „writer in residence“ , hatte einen ersten Höhepunkt in der Zusendung einer mail an mich durch das Referat Kultur, die innerhalb kürzester Zeit zurückgerufen und durch eine dritte mail ersetzt wurde. Fragen zu diesem absonderlichen Verwaltungsverhalten blieben im Kern unbeantwortet – wie auch etliche folgenden Versuche meinerseits, zu einfachen Fragen klare Antworten zu bekommen. Der nächste Höhepunkt war dann – gute drei Monate waren ins Land gezogen – ein Schreiben von Stadtdirekter Wolterhoff an mich, das sich durch an Absurdität nicht zu überbietende Verzerrungen (falsches Zitieren etc.) kennzeichnete und in dem ausgerechnet die Mail, die zurückgerufen und durch eine andere ersetzt worden war, als die bedeutende bezeichnet wurde.
Kurz und gut: Ich ging also den Weg der Dienstaufsichtsbeschwerde gegen die Oberbürgermeisterin als Chefin der Verwaltung, die entweder nicht willens oder nicht in der Lage war, dafür Sorge zu tragen, dass ein Bürger auf einfache Fragen klare Antworten bekommt, sondern über Monate hingehalten wird. Gegen die Oberbürgermeisterin deshalb, weil der Oberbürgermeister/die Oberbürgermeisterin durch den Wegfall der Doppelspitze von Oberbürgermeister und Oberstadtdirektor und die Zusammenlegung der beiden Funktionen im Amt des Oberbürgermeisters seit 1999 qua Amt Chef/Chefin der Verwaltung ist, also Dienstherrin der städtischen Beschäftigten. Mit dieser Zusammenlegung der beiden Funktionen und der direkten Wahl des Oberbürgermeisters sollte damals, so jedenfalls die Hoffnung, politische Transparenz geschaffen und eine Balance hergestellt werden zwischen Stadtverordnetenversammlung auf der einen und Verwaltungsspitze auf der anderen Seite.
Wie reagierte also die übergeordnete Behörde (wir sind im August angekommen) auf meine Beschwerde?
Die erste Stellungnahme, die ich von der Aufsichtsbehörde (RP Münster) bekam, hätte gut auch jemand vom „bunten Haufen“ verfasst haben können. Sie bezog sich nämlich nicht auf meine Beschwerde und erläuterte lang und breit ein Thema, das nicht Gegenstand meiner Beschwerde war.
Ich war also genötigt, die Gründe meiner Eingabe und die einzelnen Punkte ein zweites Mal darzulegen: Nicht-Beantwortung von Fragen, zeitlicher Ablauf, Falschdarstellung meiner Positionen etc. Und so bekam ich – recht zügig, wie ich positiv vermerken muss – eine zweite Antwort, die dann doch aufschlussreich war. Zunächst wurde festgestellt, dass sich Frau Welge in ihrem Amt keiner Rechts- und Pflichtverletzung schuldig gemacht hatte:

Einen Verstoß gegen Rechtsvorschriften habe ich nicht feststellen können. Anhaltspunkte für ein disziplinarrechtlich zu würdigendes Fehlverhalten der Oberbürgermeisterin haben sich ebenfalls nicht ergeben“.

Nun kann die Bezirksregierung natürlich über den Kern einer solchen Beschwerde, auch wenn kein Rechtsverstoß vorliegt, nicht ganz und gar hinwegsehen und dazu schweigen. Deshalb gab es folgende Klarstellung:

Aus dem zugesandten Mailverlauf geht hervor, dass die Stadt sich um Ihr Anliegen gekümmert hat und Sie Antworten auf Ihre Eingaben, zuletzt von Herrn Wolterhoff, erhalten haben. Eine Überprüfung der Zweckmäßigkeit der Antwortschreiben ist nicht Aufgabe der Kommunalaufsicht. Daher bewerte ich nicht die Arbeitsorganisation, Arbeitsweise oder Zügigkeit der kommunalen Verwaltung innerhalb der Grenzen des geltenden Rechts.“

Was nichts anderes heißt als: Ob die Antworten im Kontext der Angelegenheit sinnvoll und in der Sache richtig sind oder zumindest teilweise den Sachverhalt klären helfen, also in diesem Sinne zweckmäßig sind, ist völlig ohne Belang. Antworten der Verwaltung können bar jeglichen Gehalts sein, Standpunkte verdrehen und Positionen verfälschen.Hauptsache es wird überhaupt geantwortet!  Schlichter könnte man sagen, ohne sich hinter Verwaltungssprech zu verstecken: Du musst den größten Blödsinn akzeptieren, solange er keinen Rechtsverstoß darstellt! Entscheidend ist, jedenfalls für die Betrachtungsweise der Kommunalaufsicht, dass überhaupt eine Antwort kommt – und sei sie noch so absurd! Auch der Zeitraum, in dem eine Antwort kommt oder ein Sachverhalt bearbeitet wird, ist nicht vorgegeben – es sei denn etwa durch gesetzliche Fristen. Das ist aber natürlich hier nicht der Fall! Auch die „Arbeitsweise“ und die „Arbeitsorganisation“ werden nicht bewertet. Selbst heilloses Chaos oder unklare Zuständigkeiten sind kein Problem, solange nicht gegen Gesetze verstoßen wird.
Entscheidend ist, dass die Stadt sich „gekümmert“ hat. Ob dieses „Kümmern“ eher kümmerlich ist und neuen Kummer bereitet, so dass der Glaube an eine den Bürgern zugewandte Verwaltung verkümmert, spielt also keine Rolle!

Was hat der Feldversuch also gezeigt?
Im Grunde ist der Bürger dem Verwaltungshandeln – und sei es auch noch so unsinnig und in der Sache verfehlt – ausgeliefert, solange das Handeln oder Nicht-Handeln den Rahmen gesetzlicher Vorschriften nicht verlässt. Was die zeitlichen Abläufe, also das Reagieren der Verwaltung auf Schreiben etc. angeht, gilt auch beim „bunten Haufen“ der alte Kalauer: „Warum sind in der Verwaltung Papiertaschentücher eher unbeliebt? Weil auf vielen Verpackungen „Tempo“ steht!“
Ansonsten bleibt noch – in leichter Abwandlung – ein Zitat von Honoré der Balzac (1799-1850): Verwaltung ist ein gigantischer Mechanismus, der von Zwergen bedient wird!
Und Dienstaufsichtsbeschwerden, um den Kreis zu schließen, sind auch in Gelsenkirchen formlos, fristlos – und vor allem folgenlos: quod erat demonstrandum!

***Es gibt zu diesem Feldversuch bereits einige Beiträge über einzelne „Etappen“, die hier, um eine Verdoppelung zu vermeiden, aber nicht ausführlich geschildert werden.

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Von Bernd Matzkowski

geb. 1952, lebt in GE, nach seiner Pensionierung weiter in anderen Bereichen als Lehrer aktiv

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Di.Nie.

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Ro.Bien.

Getz ma im Ernst: Letzlich gehts um Alterdiskrimierung. Und das ist m.E. eindeutig. Wo steht geschrieben, dass Stadtschreiber nicht im Rentenalter sein dürfen?

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Ro.Bien.

Was ich aus jahrzehnte langer Pressearbeit weiss. Aufmerksamkeit erreichtst du nur mit Dingen, die aktuell ein ganz schlechtes Bild auf Behörden hinterlassen. Hier wäre das der Begriff Alterdiskriminerung gewesen. Wenn da auf dem Wettbewerb bereits zum zweitenMal versäumt wurde, auf Altersbeschänkung bis….zu…hinzuweisen…und warum…dann hättste meiner Ansicht nach ne Chance gehabt, zeitnah ne Reaktion zu kriegen.

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So.Jo.Tien.

Michael Kohlhaas ist ein treffendes Beispiel. Das sollte naeher beleuchtet werden. Ein Dozent aus BO hat das getan Unter dem Begriff Querulant

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