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Ob die Parteispitzen bei der Analyse der Wahlergebnisse nun drittklassige Politologen oder Soziologen zu Rate ziehen, viel Geld für Institute ausgeben oder einen alten Priester die Innereien eines geschlachteten Vogels deuten lassen, soll uns egal sein. Wir schauen einmal auf das, was ist:

1. Deutschland hat sich endgültig vom Konzept der Volksparteien gelöst (was in anderen europäischen Ländern längst Normalität ist) und ist auf dem Weg in die Mehrparteien-Regierungskonstellation. Die beiden ehemaligen „Volksparteien“ sind nur noch Schrumpfgebilde ihrer einstigen Größe. Die SPD jubelt über 25,7 % und verkauft das als großen Sieg, die CDU, nach 16 Jahren Merkel inhaltlich entkernt, stolpert mit 24,1 % über die Ziellinie. Beide Parteien verfehlen sogar zusammen knapp die 50% Marke.

2. Die GRÜNEN legen zwar zu; es wird aber deutlich, dass ihre mediale Aufmerksamkeit und Begünstigung weit über ihrer tatsächlichen Bedeutung beim Wahlvolk liegen (gemessen an den vormaligen Spitzenumfragewerten hat sie bei der Wahl gut 10% eingebüßt; ihr Anspruch, die Kanzlerin zu stellen, erweist sich als das, was er von Anfang an war: eine autosuggestive Hybris). Trotz propagandistischen Dauerfeuers in den Medien und apokalyptischer Gesänge („letzte Regierung, die noch die Klimakatastrophe aufhalten kann“) scheint der großen Mehrheit der Bevölkerung die „Klimakrise“ etwas weiter entfernt zu sein, als die GRÜNEN es gerne gehabt hätten (Berlin ist, was die erreichte Wählerstimmenzahl angeht, ein Sonderfall wie Mecklenburg-Vorpommern für die SPD und Sachsen/Thüringen für die AfD).

3. Die AfD verliert Stimmen, stabilisiert sich aber zweistellig. Wie in anderen europäischen Ländern gibt es offensichtlich einen Anteil der Bevölkerung, der „rechts“, „national“, „patriotisch“ und deutlich konservativ eingestellt ist. Die AfD wird verschwinden, wenn sie an ihren inneren Widersprüchen zerbricht, nicht aber, weil das Lager der anderen die AfD in die „böse Ecke“ stellt.

4. Die LINKE wird zur Randerscheinung; ohne ihre drei Direktmandate wäre sie nicht mehr im Bundestag. Ihre Funktion als Oppositionspartei und Partei des Ostens hat sie verloren und an die AfD abgegeben.

5. Die Bedeutung der CSU schwindet ebenfalls. Sie hat gegenüber der letzten Bundestagswahl mit nur 31,7% rund 7% verloren (und damit deutlich zu den Verlusten der CDU/CSU beigetragen).

6. Wie sich der rechte Rand zweistellig stabilisiert hat, so tut dies auch die bürgerlich-liberale FDP, der nun, was die Regierungsbildung angeht, eine größere Bedeutung zukommt, als es die erreichten 11,5 % vermuten lassen. Ohne die FDP wird es keine Regierungsbildung geben (von einer erneuten GroKO kann man wohl nicht ausgehen).

7. Die gegenwärtige Konstellation, die auf ein Dreierbündnis zuläuft, wird eine Regierung des kleinsten gemeinsamen Nenners hervorbringen (CDU, GRÜNE, FDP oder SPD, GRÜNE, FDP).

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Von Bernd Matzkowski

geb. 1952, lebt in GE, nach seiner Pensionierung weiter in anderen Bereichen als Lehrer aktiv

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Ro.Bie.

Der schlimmste gemeinsame Nenner füs Wahlvolk wäre dann noch eine GroKo SPD/CDU mit Kanzler Scholz.

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Jaq.Lob.

@Ro.Bie.
doch es geht noch schlimmer … dasselbe unter Laschet!!! Damit verlöre Deutschland auch noch den Rest jeden Niveaus.

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Heinz Niski

Buer an die Grünen/FDP/CDU – sagt das etwas über die Wahrnehmung der Aufgaben der Stadtgesellschaft aus?

Erle, Rotthausen, Scholven, Heßler, Schalke an die AfD – sagt das etwas über die Wahrnehmung der Aufgaben der Stadtgesellschaft aus?

Kandidat Töns beliebter als seine Partei, die Linke weg vom Fenster, die MLPD abgeschlagen hinter der Tierschutzpartei und der Partei…. und das alles vor dem Hintergrund, dass immer weniger Gelsenkirchener wahlberechtigt sind.

Im großen Freiluft-Sozial-Experimentier-Labor Gelsenkirchen scheint ein neues Zeitalter zu beginnen.

Wer nicht fliehen kann, sollte seine Netzwerke stärken, Kartoffeln auf dem Balkon pflanzen, Mitglied weiterer Tauschbörsen und Nachbarschaftshilfen werden.

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Ro.Bie.

Balkon? Wie dekadent…

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Be.Vo.

Die Kartoffeln sind bereits angepflanzt! 😃

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Heinz Niski

Schlimmer, viel schlimmer noch, ich habe einen Balkon, eine Terrasse, ein Eigenheim für Mauersegler, Meisen, Wespen, zusätzlich noch eine Dönerbude für Zeisige, bin beliebt bei Nacktschnecken und geplagt von Tauben. Ich habe dennoch nicht Grün gewählt…. was ist nur falsch mit mir????

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Jo.Scho.

mit dir ist nix falsch . Ich lebe selbst so pornös in derlei Luxus , habe aber auch nicht Grün gewählt . Mache mir eher Gedanken über das soziale Kleinklima um mich herum und habe deshalb Windräder u. Ä. m. gerade nicht auf dem Schirm … Sind für meine unmittelbare Lebensrealität im Ghetto auch gerade nicht wirklich relevant . Wenn auf meine Initiative hin gerade die bauliche Machbarkeit einer Dachbegrünung beim ersten Kulturinstitut am Platze offiziell geprüft wird habe ich als Graswurzler zunächst mal auch ohne merkwürdige Partei und Freitagsklimaschutzrandalierer was erreicht , denke ich . Und bei weiterem Nachdenken kann ich bei dir echt keinen Fehler finden . Stay calm … 😉

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Ho.Ke.Ad.

Also Ampel war immer mein Traum, das ist keine Ironie. Der Nenner könnte sogar darauf hinauslaufen, dass die Koalitionspartner darauf bestehen, einander ihre Lebenslügen zu nehmen und dann wird es interessant, weil sie dann in der Sache um den besten Weg ringen können.

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Ho.Ke.Ad.

@B.M. – Abgesehen von diesem Zeugnis exquisiten Filmgeschmacks neige ich nicht zu übermäßigem Pessimismus, weil das Leben ja Scheiße ist und es da gar nicht auf die Details ankommt. Ich glaube einfach, dass die Leute die Wirtschaft weder als Monster an die Kette gelegt haben wollen, noch, dass es mit kleinen Leuten gefüttert wird, sondern dass ihre Kraft nutzbringend eingesetzt wird – und darüber lässt sich trefflich streiten. Gerade im Hinblick auf die Jugend muss doch auch ein bisschen über Freiheit gesprochen werden und auch darüber, dass manche keine Wahl haben. Ich sehe eine Schnittmenge zwischen guter Arbeit, der Tatsache, dass in religiösen Gesellschaften Armut positiv dargestellt wird und sich Arme daher respektiert fühlen, dem Veränderungswillen zum Zukunftserhalt und der Frage, wie man das freiheitlich am pfiffigsten umsetzt. Die FDP glaubt ja auch nicht nur an Tickle Down, sondern auch an Jugendliche, die noch was vom Leben wollen, die 60 Prozent einer Generation, für die sich seit den 60ern das Leben nie geändert hat. Ich sehe da starke verbindende Kräfte und auch die Grünen kommen nicht umhin, die Gesellschaft nicht weiter zu spalten und den Leuten irgendwann zu eröffnen, dass jetzt leider alles pleite ist und das jetzt bezahlt werden muss, denn das trifft dann die Generation, die ihnen am meisten zuneigt und so Scheiße sind die nicht, mal abgesehen davon, dass das Selbstmord wäre. Ein bisschen läuft es doch auf diesen Vergleich hinaus: wie kriegen Spanier und Portugiesen ohne Zwang, Reaktanz, Drohungen und Telegram-Verschwörungschat die Bevölkerung gegen die Pandemie kooperativ und was ist bei uns schiefgelaufen. Wenn das Ziel ist, Emissionen zu senken, kann man ja auch Kompromisse denken und Bambi Lindner muss sich doch auch fragen, dass er mit seinen Vorschlägen einen bestimmten Lebensstil und eine bestimmte persönliche Zielsetzung bei den Leuten erzwingt. Ich bin ganz bei ihm, dass man den Menschen bessere Zuverdienstmöglichkeiten geben muss, damit sie sich aus misslichen Lagen befreien können. Eine reine Anhebung der Minijobgrenze führt ja aber zu einer zeitlichen Fixierung auf das Erwerbsleben, die Menschen trifft, die vielleicht auch ihre Kinder aufwachsen sehen wollen und vielleicht keine Karriere anstreben, sondern nur ihre Freiheitsgrade erhöhen wollen und eine Wahl haben wollen. Eine ausschließliche Anhebung des Mindestlohns mag absolut viele nicht besserstellen, wenn sie Aufstocker sind, solange man die Zuverdienstgrenzen nicht erhöht. Gleichsam könnte man fragen, ob nicht Einkommen von 60.000 Euro im Jahr auch ein bisschen entlastet werden. Nennen wir es doch nicht so hässlich Steuererhöhungen. Nennen wir es Steuerverschiebungen. Denn in unserer zunehmend säkularen Gesellschaft erfährt Armut nicht mehr den Respekt der religiösen Traditionen und die FDP wird verstehen, dass jeder dem anderen seinen Reichtum gönnt, solange er eben nicht wirklich arm ist oder zumindest bei den Normalsterblichen Schulden und Maximalvermögen nicht so wirklich weit auseinanderliegen, aber unten und oben extreme Ausreißer sind. Die Grünen mit ihrer besseren Clientel kämpfen ja auch damit, dass ihr Programm so wirklich ehrlich auch Leute unten raus fallen lässt, zumindest, solange sie nicht mit Soylent Yellow zufrieden sind und sich vom Schaufelbagger mit in Richtung Zutreppenhause nehmen lassen. Das wird schon. Es haben doch seit 30 Jahren die Leute das Gefühl, dass sich etwas ändern müsse. Und vermutlich kommen wir auch nicht um größere Freiräume bei der persönlichen Zielsetzung herum, die nicht vom Erwerbszwang alleine diktiert wird, um den Ressourcenverbrauch einzuschränken. Man kann es den Leuten eben nicht verordnen, aber sie müssen Alternativen wählen können. Und genau wie nicht jede Tätigkeit sinnvoll ist, ist auch nicht jeder Erwerb von Gütern oder Dienstleistungen sinnvoll. Wenn wir es uns leisten, in betrügerischen Handyspielen Gold und Diamenten zu kaufen, um weiterzukommen und finanzielle Anreize in Form von Verschmutzungsrechten, die es früher auch nicht gab, mächtige Werkzeuge zur Lenkung der Ziele sind, dann kann man auch darüber nachdenken, andere Formen der Sinnstiftung finanziell zu lenken, denn eigentlich geht es allen drei Parteien ja wirklich um Sinn und Verstand bei der Sache. Politik ist ein ehrenwertes Handwerk, ich habe mir sicher öfter die Hände schmutzig gemacht als mancher Politiker, nur mit geringeren Auswirkungen. In der Politik ist doch Vertrauen die Währung. Wahlergebnisse würfeln Leute zusammen und die müssen dann Vertrauen aufbauen und miteinander arbeiten und Kompromisse gegen Forderungen verhandeln. Es war doch noch nie so, dass Versprechungen vor der Wahl eisenhart unverhandelbar durchgesetzt wurden.
Das läuft schon gut, finde ich, bis auf die Tatsache, dass Wählergruppen sich gegenseitig dämonisieren und keine Sprache mehr für die Gegenwart haben, weil die Betrachtung der engen Grenze zum Reich des Bösen zum Opfer fällt und Politiker dem vor einer Wahl Rechnung tragen. Das wird schon. 😉

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Ho.Ke.Ad.

Vielleicht ist es ein bisschen mit mir durchgegangen. Ich mag die Demokratie einfach so unheimlich gerne. 😉 ❤️

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Ali-Emilia Podstawa

Prof. Dr. Christian Rieck: Künstliche Intelligenz analysiert die Parteiprogramme

Spieltheorethische Überlegungen vom Samstag vor der Bundestagswahl zum Thema: Möglichkeiten und Schwierigkeiten von Koalitionsbildungen aufgrund des Ergebnisses von Natural Language Processing der Parteiprogramme mit einer Künstlichen Intelligenz.

https://youtu.be/jqezwknMHic

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Heinz Niski

Da haben wir es: Grüne & AfD sind sich laut KI viel näher, als beide wahrhaben wollen. Das tut denen bestimmt weh, das von einer Maschine bestätigt zu bekommen. Das hat großen Unterhaltungswert.

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Heinz Niski

Berlin macht es vor: so geht Bananenrepublik

https://verfassungsblog.de/wahlen-in-berlin-ein-bericht/

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