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DIE FFF-Kinder und ihre Selbsteinschätzung

Im Sommer 1683 stand die osmanische Streitmacht unter Großwesir Kara Mustafa kurz vor der Eroberung Wiens und damit vor dem Einfall in das christliche Europa. Nach gut zwei Monaten erbitterter Kämpfe mit hohen Verlusten auf beiden Seiten gelang es dem  christlichen Heer unter Oberbefehl des Polenkönigs Jan III. Sobieski durch das militärische Geschick des Herzogs Karl von Lothringen die Streitmacht der Osmanen vernichtend zu schlagen, Wien zu befreien und Europa vor der Islamisierung zu bewahren. Die Sieger von Wien galten als „Retter des Abendlandes“ – ein Sieg allerdings, der mit hohem Blutzoll erkauft wurde.

Blut ist bei den Freitagsdemonstrationen zur Klimarettung bisher noch nicht geflossen! Sein Leben setzt bei diesen Umzügen hopsender, tanzender und nette Plakate tragender Kinder („Oma, was ist ein Eisbär?“) und ihrer Unterstützer allerdings auch niemand aufs Spiel, werden diese Veranstaltungen doch nicht nur von Erwachsenen aller Art (Omas, Opas, Eltern, Wissenschaftler) tatkräftig unterstützt, sondern auch von Politikern und Journalisten in nahezu devoter Geisteshaltung freundlichst begleitet und beklatscht.

Vielleicht ist es diese Welle der Zustimmung, der Mangel an ernsthaftem Widerstand, der dafür verantwortlich ist, dass sich bei den Jugendlichen, jedenfalls solchen, die als Organisatoren und Meinungsführer auftreten, eine Geisteshaltung und eine Selbsteinschätzung entwickelt haben, die zwischen Hybris, Erlöserphantasien und purer Dummheit pendeln.

So lässt sich Janne Rosenbaum – wie Jeanne d´Arc (Johanna von Orléans) 17 Jahre alt, als diese 1429 auf dem Höhepunkt ihres Ruhms war – im WAZ-Podcast so vernehmen: „Wir sind da, um die Welt zu retten…So kann man es eigentlich nennen, was wir machen.“(zitiert nach WAZ, 21.9.2019, Seite WRG1)

Was Tim Bendzko in seinem Lied „Nur noch kurz die Welt retten“ noch mit gelassener (Selbst-)Ironie gesungen hat, scheint hier tatsächlich zur ernst gemeinten Selbsteinschätzung geworden zu sein. Nein, nicht mehr nur –wie 1683 – das Abendland retten – es darf ein wenig mehr sein, nämlich gleich die ganze Welt. Ein Anspruch, den sich Janne R. allerdings mit jenem anderen Weltenretter (auch Christus oder Messias genannt, der gekommen ist, um die Menschheit zu erlösen) teilen muss.

Und diese „Rettung der Welt“ ist nicht nur ein Ziel, ein Wunsch für Janne, nein, es ist der Grund ihrer Existenz, es ist ihr –  von wem auch immer – mitgegebener Auftrag, ihr Daseinszweck, ihre (göttliche?) Mission: „Wir sind da, um…“

Diese Selbstüberhöhung geht einher mit der Anmaßung einer prophetischen Gabe, die in die Zukunft blicken lässt. So sieht es Kinderprophet Levi Camatta (14), jedenfalls dann, wenn das 1,5%-Ziel nicht erreicht wird. „Sonst sind wir bald nicht mehr existent!“ Diese krude Mischung aus einer scheinbar wissenschaftlich exakt ermittelten Messzahl (1,5%) und der diffusen Zeitangabe des Untergangs (bald) hat in etwa die Qualität der astrologischen Vorhersagesentenzen auf der Basis von Tierkreiszeichen oder dem Lesen aus dem Kaffeesatz. Aber mit Gewissheit sagt Levi über seine und die Bedeutung seiner Mitkämpfer: „Die Menschheit überlebt halt nicht, wenn wir auf Kompromisse eingehen.“

Da bleibt ja nur zu hoffen, dass die Menschheit das auch einsieht und endlich auf die Kinderpropheten hört.

Ich werde mich jedenfalls ab sofort bemühen! Ich fahre nur noch mal eben schnell mit meinem SUV zum Kiosk und hole mir eine Schachtel Zigaretten. Dann werde ich beim Rauchen ein paar mails lesen. Aber dann fang ich an mit der Rettung der Welt! Versprochen!

Tim Bendzko, Nur noch kurz…

 

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Von Bernd Matzkowski

geb. 1952, lebt in GE, nach seiner Pensionierung weiter in anderen Bereichen als Lehrer aktiv

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