Wir hatten uns extra freigenommen von der Familie und wollten den Heiligabend ganz für uns gestalten. Dafür wurde der Familienkreis auf die Weihnachtstage geschoben. Senioren haben manchmal komische Ideen, aber meine Frau und ich wollten diesen Heiligabend gerne mal wieder selbstbewusst erleben und genießen. Dazu hatte ich ein kleines Rahmenprogramm vorgesehen.
Eigentlich wollten wir ja um 16 Uhr in die Kirche zum Krippenfest, das die Kinder von benachbarten Kindergarten dort veranstalteten. Doch das hatte leider nicht ganz geklappt, weil die Vorbereitungen für die Weihnachtstage mit der Familie noch nicht ganz abgeschlossen waren. Gegen 17 Uhr konnten wir uns dann aber auf den Weg zum Rathaus machen. Dort wollten wir uns am weihnachtlichen Gloriablasen erfreuen.
Da die Kirche auf dem Weg liegt, schauten wir kurz hinein. Das Krippenfest war bereits zu Ende und der Pastor war dabei, Vorbereitungen für die nächtliche Christmette zu treffen. Meine Frau zündete in der Seitenkapelle eine Kerze an. Dann konnten wir noch einen Blick auf die tolle Weihnachtskrippe werfen, bevor wir uns wieder auf den Weg begaben.
Am Rathaus angekommen war es verdächtig ruhig für ein Blaskonzert und es waren auch kaum Menschen anzutreffen. Der Rathauseingang war verweist, nur ein beleuchteter Tannenbaum erinnerte dort an Weihnachten. Da es kurz vorher ein paar Tropfen geregnet hatte vermuteten wir, dass die Veranstaltung um die Ecke unter dem Balkon am alten Rathauseingang stattfindet, wie zuvor angekündigt.
Also gingen wir weiter in diese Richtung. Komisch nur, dass uns sehr viele Leute von daher entgegenkamen. Dann sagte jemand, es lohnt sich nicht weiterzugehen! Man sieht und hört nix…! Jetzt wollten wir es aber genau wissen und gingen um die Ecke herum.
Dort bot sich uns ein chaotisches Bild. Auf der Treppe unter dem Rathausbalkon drängten sich etliche Leute durch die geöffneten Türen. Eine paar Leute standen draußen vor der Treppe herum und schienen zu diskutieren. Wir fragten uns was denn hier los sei und mussten feststellen, dass die Musiker wohl drinnen im Rathaus ein Konzert veranstalteten. Leider war draußen nichts davon zu hören.
Wir sind nach 10 Minuten gegangen und werden auch wohl nie wieder kommen! Werte Veranstalter, diese Traditionsveranstaltung war ein Reinfall, eine Riesenblamage für Buer. Was sollen Bürger und Gäste denn davon halten? Warum schaut ihr nicht einfach mal rüber in die Nachbarstadt. Beim Gloriablasen in Gladbeck waren am Vortag tausende Menschen um das Rathaus versammelt. Das nenne ich eine gelungene Bürgerveranstaltung.
Ich muss zugeben, ich war etwas ungehalten. Aber du stehst da und siehst dieses jämmerliche Schauspiel. Wenn du dann bedenkst, dass du aus Buer kommst, müsstest du dich eigentlich dafür schämen. Man möge mir bitte verzeihen, aber früher war es hier einfach besser! Und da spreche ich wohl vielen aus der Seele. Wahrscheinlich werde ich im nächsten Jahr aber trotzdem wieder hingehen.
Mein lieber Heinz,
nun sehe es doch einmal positiv. Gladbeck ist eine Stadt und Buer ein Dorf. Als Buersche Dorfbewohner fahren wir immer in die Stadt zum “Turmblasen”. Das Buersche Konzert besuchen wir schon seit einiger Zeit nicht mehr. Wir haben einfach kein Bock darauf, Weihnachtsmusik, untertmalt mit hupenden dreier BMW´s und einer quietschenden Straßenbahnlinie, zu zuhören.
So gesehen hast du natürlich schon recht,
aber ein Dorf ist Buer lange nicht mehr. Ich würde eher sagen, Buer ist auf dem besten Wege, zu
einem Vorort Gelsenkirchens herabgestuft zu werden. Das alte Buer hat man doch schon längst dem Erdboden gleichgemacht und durch hässliche Zweckbauten ersetzt. Anstelle eines bewaldeten Kirchplatzes finden wir dort heute eine Steinwüste, die von einer überdimensionalen “Stadtmauer” eingegrenzt wird. Ach ja, die störenden Geräusche, die du angesprochen hast, das sind die Signale einer emporstrebenden modernen Stadt. Es ist alles nur eine Sichtweise des Betrachters.
Seien Sie doch doch froh, dass das Gloriablasen nicht gänzlich ausgefallen ist. Bei Regen können die Instrumente und Noten der Musiker nun einmal Schaden nehmen, daher fand das Gloriablasen drinnen statt. Viele Bürger hatten für diese kurzfristige Notlösung Verständnis. Vorschlag: Vielleicht engagieren Sie sich künftig selbst mal sinnvoll für Ihren Stadtteil abseits des Schreibens von offensichtlich unreflektierten Kritiken und bauen einen Unterstand für die Musiker auf, dann wird stets alles planmäßig stattfinden können, niemand wird mehr improvisieren müssen und es wird in den Folgejahren sicherlich auch keinerlei Anlass für Unmut von Ihrer Seite mehr geben. Und schämen müssten Sie sich dann auch nicht mehr…