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Und jetzt den Mussolini
Und jetzt den Adolf Hitler
Und jetzt den Adolf Hitler
Und jetzt den Jesus Christus

Und jetzt den Mussolini
Und jetzt den Kommunismus
Und jetzt den Adolf Hitler
Und jetzt den Mussolini

Und jetzt den Mussolini
Tanz den Mussolini
Tanz mit mir den Hitler
Tanz mit mir den Hitler***

Die Formation DAF (Deutsch-Amerikanische Freundschaft) gehörte zur seit   Beginn der achtziger Jahre des vorigen Jahrhunderts bereits kommerzialisierten und auf ihr Ende zulaufenden „Neuen deutschen Welle“, ist aber andererseits auch den Pionieren der elektronischen Musik zuzurechnen, deren bekannteste Vertreter und erfolgreichste Gruppe „Kraftwerk“ werden sollte. DAF spielte u.a. mit Texten, die an den Dadaismus anknüpften, der sich in der zweiten Dekade des 20.Jahrhunderts entwickelt hatte. Ein Beispiel für DAF-Dada ist „Tanz den Mussolini“, ein Text mit simpler Struktur, aber gleichzeitig provokativen Elementen, da in den Imperativen des Liedtextes das Tanzen und das die „Hüften schwingen“ mit Gestalten aus der Geschichte verknüpft werden, nämlich Mussolini und Hitler, die für das „absolut Böse“ stehen, aber eben auch mit dem Erlöser der christlichen Religion. Alle drei Personen werden profaniert als Namengeber für das Tanzen! Zudem wird mit dem Kontrast zwischen Faschismus (Hitler, Mussolini) und dem als Textelement ebenfalls auftauchenden „Kommunismus“ und zugleich mit dem Kontrast politischer Bewegungen zur Glaubensbewegung gespielt. Im Grunde ist der Text eine sprachspielerische Provokation, eingebettet in die (elektronischen) Beats und den stakkatoartigen „Sprechgesang“ des Vortrags, der schon fast „Punk“-ähnliche Elemente aufweist.

Kann der Text heute noch provozieren oder gar Empörung auslösen? Wohl eher nicht! Der DADA-Text würde als GAGA-Text empfunden, als Quatsch, dummes Zeug und als Unfug und die Musik als einfallsloser Langeweiler. Was aber geradezu eine Renaissance erfahren hat, ist die Empörungsqualität des Namens Hitler und der politischen Kontexte des Namens (2. Weltkrieg und Holocaust). Dabei schien es so, als sei Hitler um die 2010er Jahre endgültig entdämonisiert worden, etwa durch Harald Schmidt in seinen Shows (1995 – 2014) oder auch durch die Satire „Er ist wieder da“. Die „Banalität des Bösen“ (Hannah Ahrendt) war sozusagen aus dem fachwissenschaftlich-historischen Diskurs ins Populär-Unterhaltsame gesprungen, vom Hörsaal auf die Comedy-Bühne.

DIE WIEDERGEBURT

Die „Wiedergeburt Hitlers“ als Dämon und Verbrecher hat mehrere Väter und Mütter, also gesellschaftliche Faktoren und politische sowie ideologische Entwicklungen. So etwa die „Flüchtlingskrise 2015/2016 (u.a. ausgelöst durch den Krieg in Syrien), die den europäischen Kontinent erfasste und in Deutschland zu einem großen Anstieg der Flüchtlingszahlen führte (allein 2015 waren es rund 900000 registrierte Flüchtlinge). Zwar verringerten sich die Zahlen in den Folgejahren zumindest zeitweilig, aber die ungeregelte Aufnahme von „Schutzsuchenden“ wuchs ebenso wie die Probleme, die mit der Aufnahme verbunden waren (soziale Verwerfungen, Grenze der Belastbarkeit für Kommunen etc.)  und die Kritik an dieser Entwicklung. Aus dem Diktum Merkels „Wir schaffen das“ wurde eher, im Bewusstsein vieler Bürgerinnen und Bürger“, die aus dem Jahre 2010 stammende These „Deutschland schafft sich ab“ von Thilo Sarrazin.

Die wachsenden Probleme durch die große Zahl der Jahr für Jahr ins Land Kommenden (etwa im Schul- und Wohnungsbereich, aber auch im täglichen Zusammenleben) und der ohne Aufenthaltsstatus hier Lebenden wurden von den Regierenden, vielen Medien, vielen Menschen reinen Herzens, aber auch aus parteipolitischen Interessen geleugnet, kleingeredet, verdrängt und ausgesessen. Diejenigen, die Kritik übten, Missstände aufzeigten, die naive Weltsicht mancher „Gutmenschen“ kritisierten und Probleme ansprachen, bekamen den Stempel „Ausländerfeind“ aufgedrückt. Wer noch „Flüchtling“ sagte und nicht das Wort „Schutzsuchender“ gebrauchte, galt schon nahezu als „braun“ eingefärbt und Träger einer inneren Nazi-Uniform. Die „Stigmatisierung“ von „Andersdenkenden“ löste aber die Probleme nicht, vielmehr wurde diese in etlichen Regionen und Städten noch verschärft durch die Zuwanderung von „Rotationseuropäern“ aus Rumänien und Bulgarien sowie durch die aus anderen Ländern Südosteuropas einwandernden Sinti und Roma, die in den Genuss der „Sozialleistungsfreizügigkeit“ (OB Karin Welge) kamen.

Parallel entwickelte sich die 2013 gegründete AfD, die zunächst europakritisch und wirtschaftsliberal auftrat, mit der Ausländerthematik aber schließlich ein „Ankerthema“ fand, das zugleich die „nationalen Töne“ der Partei verschärfte. Anders als Vorläufergruppierungen aus dem rechten Spektrum (Republikaner, NPD) gelang es der sich häutenden Partei eine stabile Wählerbasis aufzubauen, nicht zuletzt deshalb, weil die AfD in der Corona-Krise als Verteidigerin von Grundrechten auftrat, die von einer ganz großen Koalition nahezu aller andern Gruppen im Bundestag eingeschränkt wurden. Dies war damit verbunden, dass nun Kritiker der Corona-Maßnahmen ebenfalls schnell in die Nazi-Ecke gestellt wurden.

Sowohl im Kontext der Ausländerthematik als auch der Corona-Maßnahmen wurden nicht nur schnell Nazi-Etiketten verteilt, sondern wurde verschärft mit Moralisierungen, Sprechverboten, Stigmatisierungen (Schwurbler, Querdenker, Verschwörungstheoretiker) operiert bei gleichzeitiger Selbstermächtigung der Regierenden, Freiheitsrechte (Grundrechte und somit Verteidigungsrechte gegen den Staat) einzuschränken bzw. phasenweise ganz abzuschaffen.

Die Nazis wurden regierungsseitig als Feindbild beschworen, gegen abweichende Meinung wurde die Nazi-Keule geschwungen. In letzter Zeit geschah dies bei den Demonstrationen „gegen Rechts“, ohne dass genau klar wurde, wer und was denn nun „rechts“ war. Die Demonstrationen verbanden aber wieder die Ausländerthematik („Deportation“) mit der AfD. Die teilweise hysterischen Demonstrationen erweckten den Eindruck, braune SA-Kolonnen seien kurz davor, die Herrschaft über die Stadtviertel zu übernehmen und in den Rathäusern säßen bald SS-Obersturmbannführer an den Bürgermeister-Schreibtischen. Ein drittklassiger AfD-Provinzpolitiker mit verschattetem Politikverständnis wurde nahezu zum Wiedergänger „des Führers“ stilisiert; und damit auch die letzte Schlafmütze verstand, dass die Nazi-Diktatur auf der Tagesordnung stand, war es wichtig, dem Mann den „Nazi-Stempel“ gerichtlich aufzudrücken.

Kurz und gut: Hitler stand wieder auf der Tagesordnung: der Dämon von einst war nicht mehr die Lachnummer, die er schon bei Charly Chaplin war und als die er über die Comedy-Bühnen der Bundesrepublik bis zur Langeweile geisterte, sondern er war nun in fleischlicher Gestalt mitten unter uns und brachte auch noch eine Partei mit sich. Dass Hitler und seine Verbrechen, nur nebenbei gesagt, durch den inflationären Gebrauch der Gleichsetzung zwischen der historischen Figur und ihrer Übertragung in die Gegenwart nahezu geschichtsrevisionistisch relativiert wurden, hielt die Mahner und Warner nicht davon ab, ihn immer wieder als Schreckgespenst aus der Mottenkiste ihrer agitatorischen Einfallslosigkeit zu holen.

WER PROVOZIEREN WILL, MUSS DEN HITLER TANZEN!

Womit können Jugendliche heute noch provozieren, wo doch fast alles erlaubt ist oder bald erlaubt sein wird? Selbst das Kiffen wird in Kürze öffentlich praktiziert werden können – ohne Strafandrohung! Und wenn der Vater sich mit dem Pils die Kante gibt, kann sich der Sohn, der mit ihm auf der Couch sitzt, gelassen den Joint reinziehen. Wer Lust hat, geht demnächst zum Standesamt und lässt Vornamen und Geschlecht ändern. Man kann sich aussuchen, mit welchen Pronomen man angesprochen werden möchte. Mit 16 kann man zur Wahl des Europa-Parlaments schreiten, ist aber für den Unsinn, den man macht, rechtlich gesehen, nicht vollumfänglich zu belangen, sondern fällt unter das Jugendstrafrecht. Leistung muss man nicht provokant verweigern, wenn man sie, z.B. im Bereich des Sports, überhaupt nicht mehr erbringen muss, weil – etwa beim Weitsprung – ein 1,50 Meter-Sprung auch nicht weniger „wert“ ist als ein 4-Meter-Sprung. Auch modisch, früher ein Weg der Abgrenzung von den Älteren, ist heute jede Geschmacklosigkeit erlaubt, wo doch Mütter wie selbstverständlich ebenso „nuttig“ auf die Straße gehen können wie ihre dreizehnjährigen Töchter!

Also: provozieren geht nur noch mit Hitler und NS-Parolen: Deutschland den Deutschen- Ausländer raus! Das ist ein Burner! Damit kann man die Nation in Erregung und die Empörungsmaschine ans Laufen bringen!

Da kann man sicher sein, dass Scholz, Habeck, Faeser und der Bundesuhu den „Rassismus“ verurteilen, wogegen sie, was ja durchaus nicht selten vorkommt, eher zum Schweigen neigen, wenn ein oder mehrere ausländische Mitbürger sich auf dem Feld des Messestechens, der Gruppenvergewaltigung, der schweren Körperverletzung oder des Rufs nach einem Kalifat betätigen oder andere den Anti-Semitismus predigen oder deutsche Studentinnen und Studenten ihren Hass herausschreien und Juden den Tod wünschen und möchten, dass Israel von der Landkarte verschwindet! Dagegen werden die Sylt-Rufer auch noch schnell als „Menschen“ (immerhin noch!) bezeichnet, die in einer „wohlstandsverwahrlosten Parallelgesellschaft leben“ (N. Faeser)

Nein, Frau Faeser oder Herr Scholz oder Herr Habeck oder Sie, Herr  Bundesuhu!

Diese Geschmacklosigkeiten, diese rassistischen Provokationen wie auf Sylt erfolgen, weil sie, die Regierenden, selbst in einer Parallelgesellschaft leben, aus der sie nur kommen, wenn man sie mit dem maximalen Provokationsmaterial konfrontiert, das sie selbst heraufbeschworen haben. Und Sie selbst haben durch ihre Empörungsrituale zur millionenfachen Verbreitung des Videos mit dem Nazi-Sing-Sang überhaupt erst beigetragen! Hitler ist Ihr Helfershelfer in der gegenwärtigen politischen Auseinandersetzung! Er ist Ihr treuer Spießgeselle, den Sie herbeirufen, weil Sie die gegenwärtigen Probleme nicht lösen können und gerne alles als Nazitum diskriminieren, was nach Kritik an Ihnen riecht!

Ob die betrunkenen Hohlköpfe von Sylt diese rassistische Provokation bewusst geplant haben oder weil der Alkohol ihre Bremsen gelöst hat und sie verbal ausgekotzt haben, was sie im Innersten wirklich meinen (Betrunkene und Kinder sagen die Wahrheit, behauptet der Volksmund!), ist zweitrangig!

Denn, meine Damen und Herren der Regierung,  Sie selbst tanzen auch den Hitler, weil er zum dümmlichen Arsenal ihrer politischen Niederungen gehört!

***Textauszug: DAF (Deutsch-Amerikanische Freundschaft), Tanz den Mussolini, 1981

https://www.youtube.com/watch?v=C4wb-4sxE84

***** https://www.youtube.com/watch?v=1qCX2dRFTMw

 

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Von Bernd Matzkowski

geb. 1952, lebt in GE, nach seiner Pensionierung weiter in anderen Bereichen als Lehrer aktiv

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Sim.one.

Das trifft den wunden Punkt unserer gegenwärtigen Gesellschaft. Wir leben in einer Zeit, in der die historische Figur Hitler wieder als das ultimative Böse stilisiert wird, um politische Gegner mundtot zu machen. Diese erneute Dämonisierung ist nicht nur unnötig, sondern auch gefährlich, da sie tatsächliche Probleme verdeckt. Die provokativen Texte von DAF mögen heute als harmlos erscheinen, doch sie erinnern uns daran, wie leichtfertig wir mit unserer Geschichte umgehen. Provokation nur um der Provokation willen verliert an Bedeutung, wenn sie von der Realität überholt wird. Es ist an der Zeit, dass wir uns ernsthaft mit den Ursachen unserer sozialen und politischen Spannungen auseinandersetzen, anstatt ständig die “Nazi-Keule” zu schwingen. Nur so können wir echte Lösungen finden und verhindern, dass sich die Geschichte auf tragische Weise wiederholt.

Ach, und wenn wir schon bei provokanten Tanzbewegungen sind – vielleicht wäre “Tanz die Inflation” ja ein Renner. Immerhin treten wir den Euro ja auch regelmäßig in den Hintern.

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Heinz Niski

Zusatzinfo zu DAF:
Ich hatte einmal Gabi Delgados Vater kennengelernt. Der ist vor dem Franco Faschismus in Spanien in die deutsche Botschaft geflohen, hat dort viele Monate gelebt, bis er ausgeschleust wurde. Eine antifaschistische Grundhaltung beim verstorbenen DAF Delgado kann also bei dem Familienhintergrund vorausgesetzt werden.

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