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Der gute Diktator

Wenn man mich lassen würde: Ich glaube, dass ich ein guter Diktator wäre! Schon meines Alters wegen. Die Zeitspanne meiner noch möglichen Diktatur ist doch recht überschaubar. Es gibt auch keinen Anlass zu befürchten, dass ich meine Diktatur kurz vor meinem Tod auf einen meiner Söhne – oder im Notfall – auf meine Tochter übertragen würde. Die Jungs haben auf meine Frage hin, ob Interesse an meiner Nachfolge bestehe, nur lächelnd abgewunken.  Selbst der Jüngste, von dem ich noch ehesten ein „Endlich fragst du mich, Papa!“ erwartet habe, hat nur „Boah, nee! Ist mir zu viel Stress!“ geantwortet. Meine Tochter habe ich nicht gefragt. Die hätte sowieso keine Zeit, weil sie voll damit ausgelastet ist, ihre Work-Life-Balance auszutarieren, allerdings mehr in Richtung Life!

Was sind meine Vorzüge? Meine Skills, meine Qualitätsmerkmale?

Schauen wir mal auf ein paar Diktatoren, also nicht auf ihre Untaten, sondern auf sie als Person. Hitler wurde nicht an der Kunstakademie aufgenommen, ich habe mich, weil ich kein Talent habe, gar nicht erst an einer Kunstakademie beworben, kann also, anders als Hitler, recht gut einschätzen, was ich nicht kann! Stalin, ein Massenmörder wie der gescheiterte Postkartenmaler, war ein Ganove, hat Überfälle organisiert, um die Kasse der Bolschewiki aufzubessern. Nicht mein Ding – ich habe mich schon recht früh für die Beamtenlaufbahn entschieden und war 37 Jahre im aktiven Dienst. Noch nicht einmal in die Kaffeekasse des Kollegiums habe ich gegriffen. Mao – der berühmte „Dicke mit der Warze“. Kann ich nicht mit dienen, jedenfalls nicht im Gesicht wie Mao, sondern an Stellen, die als Diktatorenmerkmal ungeeignet sind und nicht öffentlich zur Schau gestellt werden sollten. Das gilt auch für die Frisur des stiernackigen Bengels Bim Bam Bum mit seinem Hang zu Kopfsalat-Kompositionen, wie sie mittelmäßige Fußballer mit Migrationsvordergrund in der Kreisklasse A nahezu alle tragen. Muss man nicht zur Schau stellen! Habe ich auch nicht, so eine Bim-Bam-Bum-Frise!! Nehmen wir noch Putin, der wohl meint, Diktatoren müssten andere Länder mit Krieg überziehen und halbnackt (obenrum) auf einem Pferd reiten. Ich habe eine Pferdehaar- und eine Ledersattelallergie – also nichts für mich!

Was  noch für mich spricht: Ich glaube, dass ich recht abgeklärt bin nach sieben Jahrzehnten auf dieser Welt. Früher war ich ein Hitzkopf, vor allem bei Debatten. Kommt heute nicht mehr infrage, wenn man vier Kinder durch die Pubertät manövriert hat. Da bin ich eher nachgiebig, manchmal fast zu sehr. Ich bin ein Fan von Familie und Ehe, was man schon allein daran sieht, dass ich dreimal verheiratet war (mit verschiedenen Frauen). Würde ich jetzt Diktator, hätte ich keinen Bedarf an Nebenfrauen, Konkubinen, Mätressen oder wie man diese Gespielinnen nennen mag. Eine gute Haushälterin wäre gut. Also eine richtige Haushälterin, die den Haushalt bewirtschaftet. Nicht so eine Haushälterin, wie sie gelegentlich in katholischen Pfarrerhaushalten anzutreffen ist. Eine richtige Hauswirtschafterin, die meine Frau, die berufstätig bleiben würde, im Haushalt entlastet, wenn ich gerade diktatorisch tätig bin.

Was kann ich noch sagen, um Ihnen meine Bewerbung als Diktator schmackhaft zu machen? Ach ja:

Die drei Bücher für die Insel sind:  Die Bibel (Altes und Neues Testament), Karl Marx, Das Kapital (Bd.1), Alfred Döblin, Berlin Alexanderplatz und als Extra, falls ´mal Kinder anlanden sollten, Maurice Sendak, Wo die wilden Kerle wohnen.

Die drei Bilder (natürlich Kunstdrucke) für mein Diktatoren-Arbeitszimmer: Caspar David Friedrich, Das Eismeer; Artemisia Gentilleschi, Judith enthauptet Holofernes; Gerhard Richter, 4096 Farben.

Das ist, glaube ich, alles Wesentliche! Große Versprechen mache ich nicht! Das unterscheidet einen guten Diktator von einem schlechten und von einer demokratisch gewählten Regierung, die im Programm viel verspricht, aber wenig hält. Deshalb zunächst nur drei von mir nach meiner Ernennung einzuleitende Sofort-Maßnahmen:

Aufhebung des Nacktbackverbots in inhabergeführten Bäckereibetrieben

Äpfel, die weit vom Stamm gefallen sind, sind unverzüglich vom Eigentümer des Apfelbaums zu beseitigen. Dies gilt auch für Apfelbäume in öffentlichem oder kirchlichem Besitz.

Wer A sagt, muss ab sofort nicht unbedingt B sagen, sondern darf auch C sagen.

Ich hoffe, dass ich Sie ein wenig von mir überzeugen konnte. Wenn ich weiter oben angedeutet habe, dass ich mittlerweile vielleicht mit ein wenig Weisheit ausgestattet bin, dann meine ich das ganz im Sinne Hannah Arendts: „Weisheit ist eine Tugend des Alters, und sie kommt wohl nur zu denen, die in ihrer Jugend weder weise waren noch besonnen.“ —  Hannah Arendt,  Men in Dark Times

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Von Bernd Matzkowski

geb. 1952, lebt in GE, nach seiner Pensionierung weiter in anderen Bereichen als Lehrer aktiv

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