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„Die Botschaft hör’ ich wohl, allein mir fehlt der Glaube“, lässt Goethe seinen Faust sagen, wobei dieser sich auf die Verheißungen des Glaubens bezieht. Mir geht es ähnlich wie Faust, wenn ich die Ankündigungen (Verheißungen) der SPD-Spitze von der Erneuerung der Partei höre. Wer soll da eigentlich mit wem was und mit welchem Ziel erneuern?

Die frisch (mit sehr schwachem Ergebnis) gewählte SPD-Vorsitzende, die sich schon etwas darauf einbildet, die erste Frau an die Spitze der SPD zu sein, so als hätte sie (und hätten wir) vergessen, dass mit Angela Merkel schon seit 18 Jahren eine Frau an der Spitze der CDU steht, ist nicht unbedingt ein Garant für „Erneuerung“.

Andrea Nahles hat eine typische Parteiapparats-Karriere hinter sich, ist in verschiedenen Funktion und Ämtern zu einer erfahrenen Netzwerkerin geworden, hat – ähnlich wie Angela Merkel – ein gewisses Geschick darin entwickelt, Strippen zu ziehen, Rivalen wegzumobben und  politisch über Bande zu spielen, um selbst, im Fahrwasser der jeweils  Tonangebenden in der Partei, ganz nach oben zu schwimmen und auf der Schaumwelle des im Moment Angesagten zu surfen.

Aber: Ein gutes Drittel der Parteitagsdelegierten konnte sie nicht von sich überzeugen, beim Wahlvolk ist sie, glaubt man den Umfragen, eher unbeliebt und die wenigsten Bürger trauen ihr einen Erfolg zu. Als Fraktionsführerin muss sie im Spagat dafür sorgen, dass die SPD-Abgeordneten brav den Koalitionsvertrag abarbeiten, als Parteivorsitzende muss sie gleichzeitig aber das Profil gegenüber dem Koalitionspartner schärfen – und das aus einer Position der Schwäche heraus, wie das Ergebnis der  letzten Bundestagswahl gezeigt hat.

Ihr Charakter – oder besser: ihr Sprachgebrauch (bätschi, auf die Fresse etc.) und ihre misslungene Pipi-Langstrumpf-Performance im Bundestag haben nicht besonders zu ihrem Ansehen beigetragen. Zudem: wer weiß schon genau, wofür Andrea Nahles steht, außer eben für „Erneuerung“, also für eine Phrase, die sich auch die CDU auf die Fahne geschrieben hat, mit der Frau Kramp-Karrenbauer wedelt.

Und wer weiß schon genau, wofür die SPD steht oder („Erneuerung, Erneuerung!“) denn demnächst -programmatisch – stehen will?

Einen Teil des Problems hat der soeben (und wohl überraschend) zum Fraktionschef in NRW gewählte Thomas Kutschaty erkannt, der (laut waz von heute) meinte, es gebe eine Diskrepanz zwischen Themen und Problemen, die den SPD-Funktionären wichtig seien, und den Alltagssorgen potenzieller Wähler.

Diese These hebt darauf ab, dass die SPD, im Verbund mit zahlreichen Kommentatoren in den „Leitmedien“ und links-grün zu verortenden Presseorganen, gerne „Erfolge“ abfeiert, die, auf die Bevölkerung bezogen, aber eher „Minderheiten-Themen“ sind, also alles was mit Genderthemen, drittem Geschlecht, Homo-Ehe, sprachlicher Korrektheit, Netzpolitik etc. zu tun hat, wogegen etwa die (Ober-)Bürgermeister der SPD in den Ruhrgebiets-Städten, die näher am Puls der Zeit sind, mehr oder weniger deutlich über verrottende Stadtviertel, marode Schulen, Parallelgesellschaften, Kriminalität, steigende Mieten und einen allgemeinen Kontrollverlust klagen und sich damit herumplagen müssen.

Unter diese Themenpalette fällt auch die Migrationspolitik der SPD. Während die Funktionärsriege sich ins Zeug legt für einen Familiennachzug, der eh nur eine  kleine Gruppe mit besonderem Status betrifft, und sich dabei am Begriff der Obergrenze abarbeitet, haben die (SPD-)Städte mit den Konsequenzen der Migrationsproblematik zu tun (Zusammensetzung von Schulklassen, Belastung der Sozialetats, Kosten der Integration, Entwicklung von Kriminalität: 37% der 15636 Gefängnis-Insassen in NRW sind  – laut Justizministerien der Bundesländer – „Ausländer“; Quelle: waz von heute, S. 2). Und besonders in den Revierstädten hat die SPD bei der letzten Bundestagswahl beträchtlich an Stimmen verloren – auch und gerade an die AfD, die hier mit dem Thema „Migration“ gepunktet hat.

Hinzu kommt ein ideologisches Problem. Die SPD, zumal die Linke in der SPD, setzt immer noch und immer wieder auf etatistische Lösungen, also ein „mehr an Staat“. Dieses „mehr an  Staat“ heißt aber im  Zweifelsfalle nicht nur mehr Gängelung der Bürger, sondern vor allem mehr Finanzmittel für den Staat, letztlich also eine steuerliche Mehrbelastung derjenigen, die mit den Abgaben auf ihre Einkommen die Steuerkasse füllen, um das „mehr an Staat“, etwa im Bereich der Sozialpolitik, zu finanzieren.

Zudem kommt der SPD die klassische Klientel immer mehr abhanden: Der Arbeiter oder Facharbeiter, der in der Gewerkschaft ist und schon aus Tradition, seit Vaterszeiten, SPD wählt oder sich vielleicht sogar im Ortsverein engagiert, ist eine aussterbende Art und kaum noch ein Bezugspunkt, um bei Wahlen Mehrheiten zu erobern. Und um die berühmte Mitte, wie immer auch sie zu definieren ist, muss sich die SPD mit der CDU, der FDP, der Linken und den Grünen streiten.

Wohin also soll sich die SPD „erneuern“? Wie sieht der Phoenix aus, der sich aus der Asche erheben soll? Wo ist eine Lichtgestalt, die gleich Brandt, die SPD mehrheitsfähig machen könnte?

Nahles ist es bestimmt nicht! Aber vielleicht geschieht ja ein Wunder – Faust zum Trotz. Denn der sagt im Anschluss an das obige Zitat:

Das Wunder ist des Glaubens liebstes Kind.

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Von Bernd Matzkowski

geb. 1952, lebt in GE, nach seiner Pensionierung weiter in anderen Bereichen als Lehrer aktiv

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Heinz Niski

Zitat:

….. Daran hat die SPD auch mit dem Führungswechsel nichts verändert. Ihre Funktionäre äußern sich weiter genauso weltfremd wie zuvor. Der eng mit Nahles vernetzte Karl Lauterbach twitterte beispielsweise am Sonntag:

Gerade mit Eurowings von Köln nach Tegel geflogen. Zuerst unhöfliche Aufforderung[,] ich soll zeigen[,] wie [der] Hebel am Notfallsitz aufgeht. Hätte fast aufgemacht. Dann ‘nur ein Getränk’ im ‘Smarttarif’, Kaffee nur halb voll. Wo bleibt die Konkurrenz?

Nach dieser Steilvorlage antwortete ihm ein Bürger:

Gerade SPD gewählt. Zuerst unhöfliche Aufforderung[,] ich soll zeigen wie Arbeiten bis 70 geht. Hätte [ich] fast gemacht. Dann ‘nur ein Rentenniveau von 46 %’ im ‘Agenda2010-Tarif’, Lebensstandard nur halb voll. Wo bleibt die Konkurrenz?

Aus: https://www.heise.de/tp/features/Kommt-nach-Nahles-erneut-Gabriel-4033513.html

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