„Das Absurde kann jeden beliebigen Menschen an jeder beliebigen Straßenecke anspringen.“ Albert Camus
Auch wenn Sie keine Cineasten sind, haben Sie vielleicht den Film „Die Kinder des Olymp“ schon einmal gesehen – in einer Sonntagnachmittagsvorstellung, mitten zwischen alten Leuten, die den Schwarz-Weiß-Streifen aus dem Jahre 1947 schon einmal in jungen Jahren betrachtet haben. Der Titel des im Umfeld eines Theaters spielenden (Liebes-)Films hat eine melancholisch-satirische Note und zieht uns in den Zauber einer Welt der Künstler und des Publikums.
Die Haupt-Figuren des Films sind auf der Suche nach ihrem ganz persönlichen Glück, letztlich sehnen sie sich nach Liebe, Vertrautheit, Zuwendung und Nähe. Und sie treffen sich im „Olymp“, den Oberrängen des Theaters mit seinen Stehplätzen. Wobei das Theater selbst Dazugehörigkeit nur simuliert: Wer noch eine Stehplatzkarte ergattert hat, ist zwar Teil des Geschehens, zugleich aber auch Teil einer Kulisse, die das Gegenüber der Bühne ist.
Was im Film mit poetischer Note gezeigt wird, findet sich im „echten“ Leben als Dramaturgie des Alltags, wie der aktuelle „Partizipationsindex“ uns vor Augen führt. Denn es wird deutlich, was wir täglich im Straßenbild sehen, wenn wir durch Stadtteile im Süden Gelsenkirchens streifen: Hier ist die Benachteiligung der Kinder größer als im Norden der Stadt. Die wirtschaftliche Lage ist angespannter. Die Integrationsvoraussetzungen, u. a. die Beherrschung der Zielsprache Deutsch, sind geringer, dafür ist die Anzahl der Kinder mit „Übergewicht“ und Karies größer. Die Bildungsvoraussetzungen, die die Kinder aus dem Elternhaus und ihrem Nahfeld mitbringen, sind, gemessen an den nördlichen Stadtteilen, weitaus weniger ausgeprägt.
Hier fallen die eingeschränkten Bildungsvoraussetzungen besonders auf (Schalke Ost, westliches Bulmke-Hüllen, nördliches Ückendorf). Hier ist auch der Anteil migrantischer Kinder größer als in anderen Stadtteilen. Und damit auch die Zahl der Kinder, deren Laufbahn an den Schulen bereits eingetrübt ist, bis sie die erste Arbeit geschrieben haben. Wobei auch berücksichtigt werden muss, dass selbst innerhalb einzelner Stadtteile die Eingangsvoraussetzungen sehr unterschiedlich sind (Ückendorf-Nord versus Ückendorf-Süd, was den Bezug von städtischen Sozialleistungen angeht). Die Bandbreite der Kinder mit migrantischer Vorgeschichte (Kinder und Jugendliche bis 18 Jahren) ist ebenfalls uneinheitlich und reicht von 27 Prozent (Resser Mark) über 31 Prozent (südliches Scholven) bis zu 88 Prozent (Neustadt)
Der Bericht mit dem Namen „Partizipationsindex“, der dritte Bericht, der nun vorgelegt wird, erweckt einen Eindruck, der zumindest hier nicht wirklich eingelöst werden kann. Es gibt in dieser Stadt ein deutliches Nord-Süd-Gefälle. Wer hier im Süden aufwächst, hat, im Durchschnitt betrachtet, schlechtere Start-Chancen. Etwas zugespitzt formuliert, könnte man auch die Überschrift über einen WAZ-Artikel aus dem Sport-Teil von heute nehmen, der sich mit dem Abstieg des VFL Bochum beschäftigt und – fast poetisch – mit der Schlagzeile versehen ist:
„Der Weg in den Abgrund“
[admin_stats]