5
(1)

Die Jugoslawienkriege von 1991 bis 1999 waren mir immer ein Rätsel, unüberschaubar, verwirrend, schockierend, einzig gesichert war, dass Joschka Fischer (Die Grünen) den Holocaust auf eine unappetitliche Weise instrumentalisierte, um die Nato in einen völkerrechtswidrigen Krieg und Deutschland in seinen ersten Kriegseinsatz nach dem Zweiten Weltkrieg zu ziehen.

Dennoch war ich mir nicht sicher, ob aus ethisch-humanitären Gründen nicht doch militärisch interveniert werden müsste.

Heute weiß ich es besser, wer neue Begriffe erfindet oder lanciert (humanitäre Katastrophe) und Auschwitz zur Durchsetzung seiner (geo)politischen Ziele missbraucht, ist nicht glaubwürdig.

Es gab eine Flut von Informationen in den Medien, die aber immer nur Teilaspekte betonten, die Realität, die (geopolitischen) Hintergründe, die verschiedenen Interessenlagen wurden mir nie deutlich. In meiner Erinnerung fanden deshalb die Hauptauseinandersetzungen im Feuilleton statt, das sich an dem vormaligen Publikumsliebling Peter Handke abarbeitete, der, gegen die landläufige Meinung, Position für die serbische Sicht auf den Konflikt bezog. Dafür starb er den sozialen, kulturellen, politischen Tod, eine frühe Form der Cancel Culture.

Auch deutsche Piloten zerbombten die zivile Infrastruktur von Belgrad, der Hauptstadt Serbiens.
Auch deutsche Piloten zerbombten die zivile Infrastruktur von Novi Sad, einer großen Stadt im Norden Serbiens.
Auch deutsche Piloten zerbombten die zivile Infrastruktur von Niš, einer wichtigen Stadt im Süden Serbiens.
Auch deutsche Piloten zerbombten die zivile Infrastruktur von Pristina, der Hauptstadt des Kosovo.
Auch deutsche Piloten zerbombten die zivile Infrastruktur von Podgorica – der Hauptstadt von Montenegro.

Heute heißt es: Russen zerstören die zivile Infrastruktur der Ukraine und begehen deshalb Kriegsverbrechen.

Doppelmoral von der Stange.

Angelina Jolie hat 2011 (unabsichtlich?) genial die Zerrissenheit in den Beziehungen zwischen Menschen, den Zerfall bisher gültiger Werte, Regeln, den Horror des Krieges, der Vergewaltigung als Waffe, in ihrem Regiedebüt des Films “In the Land of Blood and Honey” geschildert.

Manche warfen ihr eine einseitige Sicht auf den Konflikt vor, eine Simplifizierung komplexer Kriegsursachen, die kommerzielle Ausbeutung des Leids von Menschen, also all das, was in unserer bundesrepublikanischen Gesellschaft und Medienlandschaft damals genau so auch stattfand.

Die Konflikte dort sind eingehegt, brodeln aber immer noch unter der Oberfläche weiter. Wir werden sie zu uns importieren, bei der weiteren EU Erweiterung.

1991 löste sich der Warschauer Pakt auf, brach die Sowjetunion zusammen. Folgerichtig hätte sich auch die Nato auflösen müssen. Einige Monate gab es hier und da sparsame Artikel zu lesen, die sich mit dem Thema befassten und sich auf die Sinnsuche begaben, warum die Welt voll neuer Feinde, Bedrohungen war. Der Verteidigungsauftrag der Bundeswehr sollte nun nicht mehr die Landesverteidigung sein, sondern die Verteidigung der Freiheit, z.B. am Hindukusch.

Die Gehirnwäsche der Bevölkerung begann, der Vorwaschgang startete. Noch waren die Menschen nicht zu überzeugen, dass man in fremde Länder einmarschieren müsse, um die Freiheit zu Hause zu verteidigen. Deshalb erzählte man den Wählern, dass man dort Brunnen bohrt, Mädchen in Schulen schickt, Frauen befreit, Demokratie exportiert.

Die politische Elite und das Wahlvolk steckten augenzwinkernd ob der gegenseitigen Wahrheitswidrigkeiten einvernehmlich unter einer Decke, es war ja noch alles sehr kostengünstig, eine äußerst schön verpackte Illusion und Lebenslüge.

Ein paar Stationen und Kriegsgrundlügen weiter, Libyen, Syrien, Irak, dem Wissen, dass all die Kriege von Deutschland, aus den amerikanischen Militärbasen gelenkt, gesteuert, geführt wurden, dauerte der Schonwaschgang. Es war das Gesellenstück.

Die Meisterarbeit, der Gehirn-Vollwaschgang, die Sehnsucht nach Kriegstüchtigkeit, die Bereitschaft, der kopflosen Strategie der politischen Klasse hier hin und da hin zu folgen, läuft gerade.

Man applaudiert als Wähler den Gewählten, dass sie ihre Wahlversprechen (Schuldenbremse) nicht einhalten, schnell eine Grundgesetzänderung einfädeln und freut sich gemeinsam über die Chuzpe, mit der demokratische Spielregeln ausgehebelt wurden.

Keine Freude kommt allerdings auf, wenn der Gewählte Trump heißt.

Da ist man sauer darüber, dass er einen Krieg beenden will, dass die Erzählung über die Kriegsursachen, die Kriegsgründe, über Freiheit, Ideale, wie ein Kartenhaus zusammenbrechen.

Aber es gibt Hoffnung.

Arbeitsplätze können gerettet werden, wenn auf Kriegswirtschaft umgestellt wird. Autofirmen bauen dann Panzer und Drohnen. Zehntausende maroder Brücken werden kriegstüchtig gemacht, damit dort Panzer Richtung Osten rollen können. Über Straßen, Schienen, Brücken, Kanäle, Flüsse. Ein (schein)riesiges Konjunkturprogramm.

Alles wird schöner, besser.

Das mit der postheroischen Gesellschaft und der mangelnden Bereitschaft der Bevölkerung in die Schützengräben zu klettern, können wir auch lösen.

Wir haben genug männliche migrantische Mitbürger, die wir als Söldner einkaufen können.

Dekadenz. Wie eine spätrömische.

Aber: Kriegstüchtig! Willig.

Ich habe großen Respekt vor den Meistern der strategischen Kommunikation. Vor ihrer Ausdauer, ihrer langfristigen Planung.

Ich denke, dass wir nun kriegstüchtig, kriegstauglich, bereit sind.

Auf dem Papier.

 

 

 

 

 

Wie inspirierend, erhellend, unterhaltend war dieser Beitrag?

Klicke auf die "Daumen Hoch" um zu bewerten!

Durchschnittliche Bewertung 5 / 5. Anzahl Bewertungen: 1

Bisher keine Bewertungen! Sei der Erste, der diesen Beitrag bewertet.

Weil du diesen Beitrag inspirierend fandest...

Folge uns in sozialen Netzwerken!

Es tut uns leid, dass der Beitrag dich verärgert hat!

Was stimmt an Inhalt oder Form nicht?

Was sollten wir ergänzen, welche Sicht ist die bessere?

Von Heinz Niski

Handwerker, nach 47 Jahren lohnabhängiger Arbeit nun Rentner. Meine Helden: Buster Keaton, Harpo Marx, Leonard Zelig.

Abonnieren
Benachrichtige mich bei
guest
Meine Daten entsprechend der DSGVO speichern
2 Kommentare
Oldest
Newest
Inline Feedbacks
View all comments
Ha.Pe.Ka.

Merkwürdig wenig Filme gab es über diese Kriege. Ein von Oliver Stone produzierter soll in Erinnerung gerufen werden. Krieg ist anders, als in der Tagesschau und im Heute Journal erzählt wird.

Savior – Soldat der Hölle

https://de.wikipedia.org/wiki/Savior_(Film)

https://youtu.be/nkoAgINYTio?si=U3aio3K-3JMq5itC

https://youtu.be/0EQgr78aNJs?si=w1sfIJ7yc4HGjbYp

0
0