„Also hinweg mit der falsch verstandenen Schonung und dem schlaffen verzärtelten Geschmack, der über das ernste Angesicht der Nothwendigkeit einen Schleier wirft und, um sich bei den Sinnen in Gunst zu setzen, eine Harmonie zwischen dem Wohlsein und Wohlverhalten lügt, wovon sich in der wirklichen Welt keine Spuren zeigen! Stirne gegen Stirn zeige sich uns das böse Verhängniß. Nicht in der Unwissenheit der uns umlagernden Gefahren – denn diese muß doch endlich aufhören – nur in der Bekanntschaft mit denselben ist Heil für uns. Zu dieser Bekanntschaft nun verhilft uns das furchtbar herrliche Schauspiel der alles zerstörenden und wieder erschaffenden und wieder zerstörenden Veränderung, des bald langsam untergrabenden, bald schnell überfallenden Verderbens, verhelfen uns die pathetischen Gemälde der mit dem Schicksal ringenden Menschheit, der unaufhaltsamen Flucht des Glücks, der betrogenen Sicherheit, der triumphierenden Ungerechtigkeit und der unterliegenden Unschuld, welche die Geschichte in reichem Maß aufstellt und die tragische Kunst nachahmend vor unsere Augen bringt. Denn wo wäre Derjenige, der, bei einer nicht ganz verwahrlosten moralischen Anlage, von dem hartnäckigen und doch vergeblichen Kampf des Mithridat, von dem Untergang der Städte Syrakus und Karthago lesen und bei solchen Scenen verweilen kann, ohne dem ernsten Gesetz der Nothwendigkeit mit einem Schauer zu huldigen, seinen Begierden augenblicklich den Zügel anzuhalten und, ergriffen von dieser ewigen Untreue alles Sinnlichen, nach dem Beharrlichen in seinem Busen zu greifen? Die Fähigkeit, das Erhabene zu empfinden, ist also eine der herrlichsten Anlagen in der Menschennatur, die sowohl wegen ihres Ursprungs aus dem selbständigen Denk- und Willensvermögen unsre Achtung, als wegen ihres Einflusses auf den moralischen Menschen die vollkommenste Entwicklung verdient. Das Schöne macht sich bloß verdient um den Menschen, das Erhabene um den reinen Dämon in ihm; und weil es einmal unsre Bestimmung ist, auch bei allen sinnlichen Schranken uns nach dem Gesetzbuch reiner Geister zu richten, so muß das Erhabene zu dem Schönen hinzukommen, um die ästhetische Erziehung zu einem vollständigen Ganzen zu machen und die Empfindungsfähigkeit des menschlichen Herzens nach dem ganzen Umfang unsrer Bestimmung, und also auch über die Sinnenwelt hinaus, zu erweitern.“
Friedrich Schiller, Über das Erhabene (Auszug)
Caspar David Friedrichs Gemälde „Das Eismeer“ ist im Besitz der Hamburger Kunsthalle und firmierte, um es von einem anderen Eismeerbild des Malers zu unterscheiden, bis in die 60er Jahre des vorigen Jahrhunderts unter dem Titel „Gescheiterte Hoffnung“. Entstanden ist es wohl 1823/1824. Es zeigt eine arktische Landschaft mit Eisschollen, die sich auftürmen und zwischen denen die Trümmerteile eines zerquetschten Schiffs zu erkennen sind. Das Bild ist in der Zeit des „Vormärz“ entstanden. Das zwischen den Schollen eingequetschte Schiff wird gerne als Hinweis auf die zum Scheitern verurteilten Ziele der Hoffnung auf gesellschaftliche Veränderung durch die Revolution von 1848 verstanden – oder als Hinweis auf den jüngeren Friedrich-Bruder, der 1787 verstarb, als er versuchte, Caspar David Friedrich aus dem Eis zu retten, in das dieser eingebrochen war.
An dieses Bild von Friedrich wurde ich heute morgen erinnert, weil die WAZ auf der Seite „Politik & Meinung“ eine Karikatur veröffentlich hat, die den zwischen Eisschollen eingeklemmten Bug eines Schiffs mit dem Namen „Eutanic“ zeigt und durch die vier Rauchsäulen der Schornsteine (Titel „Schiff in Seenot“) auf die Schiffskatastrophe verweist (Untergang der „TITANIC“, die bekanntlich vier Schornsteine hatte). An der Seite des Schiffes ist noch der Name „Ukraine“ erkennbar. Die Bild-Sprach-Botschaft ist eindeutig: Die USA und Russland haben sich zu Gesprächen über die Zukunft der Ukraine getroffen, die selbst – ebenso wie die Europäer – nicht mit am Verhandlungstisch sitzt und dem Untergang geweiht ist. Die Karikatur ist in ihrer Aussage eindeutig, in der drastischen Darstellung simpel. Hoffnung und Erhabenheit sind hier überflüssig!
Wo sollen sie auch herkommen – in diesen Zeiten!
Im Textauszug von Schiller ist die Schreibweise der Vorlage übernommen!
Schillers Text kann auch als Plädoyer gegen den Wohlfahrtsstaat, gegen Krankenversicherung, Rente, 8-Stunden-Tag, gegen das Berufsbeamtentum, gegen Bürgergeld, Hausratsversicherung, Lebensmittelkontrolle, den TÜV, gegen die DIN-Normen usw. usw. gesehen werden. Kommt ja nix Erhabenes bei rum. Ein voller Bauch studiert nicht gern, Verelendungstheorie gilt: Hunger & Zwang kreieren Erhabenes und ästhetische und moralische Bildung. Na ja.
Schillers Nachfahre Heine (Die schlesischen Weber) ist mir da näher, aufrührerischer, umstürzlerischer, schaffender.
Gestern sagte mir ein Bekannter, dass er gute Chancen hätte, in ein paar Monaten als Lehrer verbeamtet zu werden.
Ich habe mich für ihn gefreut, obwohl ich nach wie vor das Berufsbeamtentum ablehne. Dazu fällt mir ein, dass viele unter das Berufsverbot fielen, nicht Briefträger oder Lokführer werden durften, weil sie die UZ (DKP Zeitung) lasen oder sonst wie in Verbindung mit der DDR gebracht wurden. Heute tragen Leute Briefe aus, die oft Leseschwächen haben und ganz sicher nicht über die freiheitlich-demokratische Grundordnung referieren können.
Zeiten ändern sich.
Ich sitze am Ufer des Flusses mit ner Tüte Popcorn und schaue dabei zu, wie die Appeasement Hysteriker, die Wertebasierte-Wir-Lassen-Andere-Für-Unsere-Freiheit-Sterben-Sesselstrategen, neue Dolchstoßlegenden erfinden und durch die sozialen Medien an mir vorbei treideln.
Hat auch was Erhabenes.