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Das Stück wird täglich aufgeführt. Rund um den Globus und rund um die Uhr. Es unterscheidet sich nach Qualität des Hotels sowie regionalen und landestypischen Merkmalen und Gewohnheiten. Essgewohnheiten. Vor allem Essgewohnheiten. Das Stück zeigt ein ritualisiertes Gleiches und heißt „Frühstücksbuffet“. Es hat Mitwirkende aus allen Ländern und Kulturen, aber keinen Regisseur. Hauptrequisit ist das Buffet samt seiner Bestückung. Um das Buffet inszenieren sich die Darsteller selbst – nach einem geheimen Plan und einem undurchschaubaren Muster und einem sich ständig verändernden Rhythmus. Wie die Länder und Kulturen und die aufgetischten Speisen und Getränke sowie Essensutensilien (Teller, Besteck, Stäbchen, Gewürze etc.) sind auch die Darsteller unterschiedlich nach Alter, Geschlecht, Hautfarbe, Essensvorlieben, Kleidung und Sprache. Sie können alt und jung sein, tiefgläubig oder Satansanhänger. Sie können dick und rund oder dürr und klapperig sein. Sie können sportlich-dynamisch sein oder echte Couch-Potatoes.
Oder auch BIO.
Wenn sie BIO sind, dann können sie natürlich auch sportlich und dynamisch oder alt und klapperig sein. Wie die anderen Mitwirkenden. Aber was sie (fast) immer sind, jedenfalls mehrheitlich und auf die eine oder andere Art: unfreundlich. Auf eine verkrampfte Art in sich gekehrt. Woran das liegt? Bei den Männern: Vielleicht weil ihnen das Räucherritual vom Vorabend nicht bekommen ist: Ein heißes Bügeleisen, das den Namensbestandteil EISEN noch wörtlich nimmt und entsprechend schwer ist. Angefüllt mit Räucheringredienzien wie Rotklee, Engelwurz, Sumpfporst, Styrax, Alantwurzel und Fichtenharz oder was es sonst noch an Hexenkräuterwerk zu verräuchern gibt. Aber das hat offensichtlich nicht die versprochene Wirkung gezeigt: beleben, beruhigen, entspannen, hormonell ausgleichen. Jedenfalls wirken die räucherrituell Traktierten, als hätten sie ihre Birkenstock-Latschen verschluckt, so dass ihr wahrer innerer Kern zu Vorschein kommt. Das ist der Typus Muffelbock – also die männliche Variante.
Die weibliche Variante ist der Typus Grinsekatze. Dieser Typus hat ein Dauergrinsen im Gesicht, das den Eindruck erweckt, da schramme jemand ständig an der Grenzdebilität entlang und das von einem Ohr zum anderen reichende Grinsen sei mit Heftklammern vom linken bis zum rechten Ohr dauerhaft festgetackert worden. Diese Form einer mittelschweren Folter hat wahrscheinlich bei dem betroffenen weiblichen Personenkreis der in Anspruch genommene hoteleigene Naturcoach verantwortet. Der hat zunächst die Tiefenentspannung durch eine Panchakarma-Kur auf Ayurveda-Basis bewirkt um dann, dem aktuellen Shinrin Yoku Trend folgend, den Wald aufzusuchen, um seinem Rauschen zu lauschen und in seiner Kraft und Schönheit zu baden nach dem Motto: Ich begegne dem Wald und der Wald begegnet mir. Dass man nach so einem Bad dauerhaft grinsen muss, ist doch auch für naturkundliche Laien nachvollziehbar.
Die letzte Gruppe ist nicht nach Geschlechtern zuzuteilen. Sie besteht aus Männern und Frauen und allen bereits erdachten oder noch zu erdenkenden Geschlechtern. Wir nennen sie dennoch nach der alten Geschlechtereinteilung: Knurrhähne und Knurrhennen. Das ist die Buffetgruppe, deren Angehörige morgens aufstehen und sich sagen: Diese Welt kotzt mich an! Weil sie nicht so ist, wie sie sein soll. Das Frühstücks-Ei am Buffet ist zu hart oder zu weich, zu kalt oder zu warm. Das Wetter hat sich verschworen! Die Mitmenschen sowieso- und erst recht die Grinsekatzen und Muffelböcke. Die dritte Gruppe bildet die Lemuren am Buffet, das sie gespenstisch-geisterhaft umschweben – vom Sitzplatz bis zur Kaffeemaschine. In der Antike, bei den berühmten „alten Römern“, galten Lemuren als die Seelen der Toten. Auf mich wirken sie mit ihren nach unten gesenkten oder geradeaus starrenden Blicken von milchig-trüber Stumpfheit so, als wollten sie sich für die textfreie Hauptrolle in der Neuverfilmung von Edgar Wallace´ „Die toten Augen von London“ bewerben. Ist aber wohl nicht so! Ist wahrscheinlich viel einfacher. Vielleicht wirken sie so, weil sie am Abend zuvor beim Entspannungskurs „Atmen durch den Anus“ mitgemacht haben und das Zwei-Euro-Stück, das man bei einer Übung mit den zwei PO-Backen festhalten soll, hat sich irgendwie im Enddarm verklemmt. Und dann kann man auch schon mal knurrig dreinschauen!
Schmecken lassen kann man es sich trotzdem!

Wir sehen uns beim nächsten Frühstücks-Buffet!

Und: Selbstverständlich begegnet man bei diesem Stück auch Menschen, die freundlich, zugewandt, kommunikativ, gut gelaunt und wirklich entspannt sind.
Glückstreffer!

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Von Bernd Matzkowski

geb. 1952, lebt in GE, nach seiner Pensionierung weiter in anderen Bereichen als Lehrer aktiv

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