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Heute mit: Dem großen Lümmel, Geld, dem unvermeidlichen Thema Krieg und anderem

Der gegenwärtige Krieg Russlands gegen die Ukraine wird häufig mit dem I. Weltkrieg verglichen. Dieser Vergleich bezieht sich immer auf die Phase des Abnutzungskrieges, in der keine der Kriegsparteien mehr Geländegewinne erzielen konnte. Dieses „Einfrieren“ der Frontlinien ist eng verbunden mit „Verdun“. Etwas in den Hintergrund treten angesichts der Debatten in Europa und besonders in Deutschland  die Unterschiede zwischen dem 1.WK und der Jetzt-Zeit. Wir haben alle Fotografien und bewegte Bilder vor Augen, die uns kriegsbegeisterte Deutsche auf dem Weg zu Front zeigen. Optimistische Gesichter, Hüte schwenkende Männer und Eisenbahnwaggons mit der Aufschrift „Weihnachten sind wir wieder zuhause“. Dass dieses Versprechen, diese Hoffnung ein Trugschluss waren, wissen wir.
Diese Kriegsbegeisterung, das ist ein Unterschied zum 1. Weltkrieg, ist jedenfalls in Deutschland dieser Tage nicht zu spüren. In den Medien sehen wir, was die Politiker angeht, nahezu eine Einheitsfront von Kriegsunterstützern. Immer mehr und immer größere Waffen sollen der Ukraine geliefert werden, jetzt der Leopard II, der eine Angriffswaffe ist.
Schaut man aber auf die Stimmung in der Bevölkerung, sieht man teilweise ein anderes Bild. Fast überrascht konstatiert die WAZ-Leserbrief-Redaktion zu den eingegangenen Briefen zum Thema „Leopard II-Lieferungen“: „Die Haltung der Leserinnen und Leser ist ziemlich eindeutig: Deutsche Panzerlieferungen an die Ukraine beenden den Krieg nicht, sondern erhöhen die Gefahr einer Ausweitung“ (WAZ, 14.1.22). Im online-Portal der WAZ kann man sich an eine Umfrage zum Thema „Leopard-Lieferungen“ beteiligen. Bis heute Vormittag gegen 10.30 Uhr haben sich an der online-Abstimmung rund 1400 Personen beteiligt, von denen sich 50% für Lieferungen ausgesprochen haben und 44% dagegen (6% unentschlossen). Von Kriegsbegeisterung also keine Spur, und auch das Zögern von Kanzler Scholz steht nicht diametral im Gegensatz zur Ansicht großer Teile der Bevölkerung. Auch hier zeigt sich: Was die Politiker in der Berliner Blase meinen und was die Medien, besonders auch die öffentlich-rechtlichen Anstalten vermitteln, ist das eine. Der Meinung des Wahlvolks muss das nicht unbedingt entsprechen. Da kann es nämlich auch schon mal in einem von der WAZ veröffentlichten Leserbrief böse heißen, Frau Strack-Zimmermann, die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, sei ein „rüstungslobbyistisches Gesamtkunstwerk“. Das Volk ist eben, wie Heinrich Heine es einstmals formulierte, „der große Lümmel“.
Und dieser große Lümmel zeigt sich auch in einem anderen Bereich durchaus als störrisch. Eine Woche vor Ende der Abgabefrist haben in NRW erst 57% der Immobilienbesitzer die Unterlagen für die neue Grundsteuerberechnung abgegeben. Das NRW-Verfahren lief von Beginn an auf ein kleines Desaster hinaus, weswegen die Abgabefrist vom 31.10.22 bis zum 31.1.23 schon einmal verlängert wurde. Ein kompliziertes und intransparentes Verfahren, nicht ausreichende Informationen, die zunächst ausschließlich verlangte Abgabe der Informationen in Papierform (die elektronische Übermittlung sollte die Ausnahme sein) und die berechtigte Frage, warum die Daten, die doch alle bei den zuständigen Ämtern vorliegen, etwa im Grundbuch und im Katasterverzeichnis, nun von jedem Bürger, sozusagen als Hilfsangestellter des Finanzamtes, auch noch mit viel Aufwand, aber unbezahlt an die Finanzämter übermittelt werden müssen. Nun mag, aus Angst vor Sanktionen, noch die eine oder andere Meldung bis zum 31. Januar 2023 bei den NRW-Finanzämtern eintrudeln. Gleichwohl ist die ganze Angelegenheit bisher ein ziemlicher Reinfall und kann ein großer werden, wenn die Umsetzung der vom Bundesverfassungsgericht angemahnten Reform nicht gelingt. Denn ab dem Januar 2025 dürfen die Kommunen keine Grundsteuern (nach dem alten Berechnungsverfahren) mehr erheben! Den großen Lümmel würde es wohl freuen!
In einer gewissen Zwickmühle steckt OB Karin Welge: Als „Präsidentin der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeber“ muss sie bei den Tarifverhandlungen versuchen, einen möglichst niedrigen Tarifabschluss zu erzielen. Das gilt für sie auch als Herrin aller städtischen Bediensteten. Im Interesse der Stadt und ihrer Finanzlage ist ein hoher Tarifabschluss ein großes Problem. Nun kann es sich Frau Welge aber auch nicht ganz mit dem „bunten Haufen“ verderben, dessen Mitglieder Interesse an einem möglichst hohen Tarifabschluss haben. Verhandelt die Oberbürgermeisterin also scharf und unnachgiebig, so dass die Lohnerhöhungen sehr niedrig ausfallen, könnte der Gelsenkirchener „bunte Haufen“ auch zu einem ärgerlichen großen Lümmel werden und ihr in den Folgemonaten ordentlich Knüppel zwischen die Beine werfen („Dienst nach Vorschrift“). Ob sich dadurch die Servicequalität der Stadtverwaltung wirklich spürbar verschlechtern würde, steht natürlich auf einem anderen Blatt!
Zum Abschluss des heutigen ELEVATOR noch einmal zum Thema Krieg zurück. Man kann die immer lauter und schriller werden Rufe nach Panzerlieferungen in die Ukraine auch als Zeichen der Schwäche werten, nämlich als Signal der Schwäche der ukrainischen Kräfte auf dem Kriegsschauplatz. Es mehren sich bekanntlich die (militärischen und geheimdienstlichen) Stimmen, die davon ausgehen, dass die Ukraine den Krieg nicht gewinnen und ihre Maximalziele nicht erreichen kann, weil die Frontlinie zu lang und die Militärmacht Russlands zu groß ist. Schon allein der schieren Masse an Soldaten auf Seiten Russlands hat die Ukraine dauerhaft nichts entgegenzusetzen, mögen die russischen Soldaten teilweise auch schlecht ausgebildet und schlecht bewaffnet sein. Dass die Ukraine die Zahl von 300 Leopard- Panzern aufruft, die man benötige, um sich zu verteidigen, macht deutlich, wie es um die Kräfteverhältnisse bestellt ist. Für das Frühjahr 23 wird mit einer Großoffensive der russischen Kräfte gerechnet. Da passt zum Abschluss ein Klassiker der europäischen Theaterliteratur:.
Am Ende von Brechts „Mutter Courage und ihre Kinder“ singt die Marketenderin Mutter Courage, einem in die Schlacht ziehenden Regiment folgend:

Mit seinem Glück, seiner Gefahre
Der Krieg, er zieht sich etwas hin.
Der Krieg, er dauert hundert Jahre
Der g´meine Mann hat kein Gewinn.
Ein Dreck sein Fraß, sein Rock ein Plunder!
Sein halben Sold stiehlts Regiment.
Jedoch vielleicht geschehn noch Wunder:
Der Feldzug ist noch nicht zu End!
Das Frühjahr kommt! Wach auf du Christ!
Der Schnee schmilzt weg! Die Toten ruhn!
Und was noch nicht gestorben ist
Das macht sich auf die Socken nun.

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Von Bernd Matzkowski

geb. 1952, lebt in GE, nach seiner Pensionierung weiter in anderen Bereichen als Lehrer aktiv

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3 Kommentare
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Heinz Niski

Die Wahrheit: Panzertante mit Haarhelm

„Rechnung bitte an Rheinmetall“: Zu Besuch bei Marie-Agnes Strack-Zimmermann. Ihres Zeichens Deutschlands beliebteste Kriegstreiberin der Herzen.

https://taz.de/Die-Wahrheit/!5907641/

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Heinz Niski

Frau Baerbock spricht es aus: Deutschland befindet sich im Krieg mit Russland. Endlich ein Außenminister, der nicht schwurmelt und schwafelt, keine Appeasement Politik betreibt, keine weichen Eier hat und klare Kante zeigt, statt diplomatisches Gewäsch zu verbreiten. Nun aber flott voran mit einer Flugverbotszone und rein in die Tornados mit Agnes und Toni.

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kriegbeabock.png
Heinz Niski

Franz-Josef Degenhardt – Horsti Schmandhoff – ein zeitloses Lied über das deutsche Kleinbürgertum, Wendehälse, Opportunisten. Heute könnten ein paar Strophen angehängt werden, weit und breit aber niemand, der das heutige woke Opportunistentum aufspiesst.

https://youtu.be/aD2aobXrdRc

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Last edited 1 Jahr zuvor by Heinz Niski