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Wirft man einen lediglich „tagesaktuellen“ Blick auf Lützerath und die Geschehnisse dort, bleibt man in einem Netz gefangen, das aus Fäden wie Klimakrise, Polizei, Demonstranten, Kohle und Energieversorgung und einigen anderen Bestandteilen geflochten ist. Wenn man sich allerdings aus diesem Netz löst, sich sozusagen neben die Ereignisse der letzten Tage stellt, um einmal auf die tiefer liegenden Antriebskräfte zu schauen, dann entdeckt man eine erstaunliche Welt, die sich aus prähistorischen Elementen und Versatzstücken der Fantasy-Literatur speist.
Vielleicht ist es in diesem Kontext kein Zufall, dass die letzten verbliebenen Protestler ihren Wohn- und (Überlebens-)Raum an Orten gefunden haben, die, was die Entwicklung der Menschheit als Gattung angeht, weit vor unserer Zeit liegen, nämlich in den Bäumen und in Höhlen.
Unsere Vorfahren hielten sich bekanntlich durchaus auch in Bäumen auf. Darauf deuten fossile Überreste des Australopthecus afarensis hin, der vor rund 3,3 Millionen Jahren lebte, wie US-amerikanische Forscher im Magazin „Science“ zu berichten wussten. Zwar konnte dieser Urahn des modernen Menschen schon aufrecht gehen, aber die besondere Form der Schulterblätter weist darauf hin, dass er Bäume als „Wohnplatz“ und Lebensraum nutzte. Die in Lützerath errichteten Baumhäuser verweisen, wenn auch mit heutigen Materialien errichtet, auf diese Lebensweise.
Vor rund 2, 2 Millionen Jahren lebten Menschen (Homo habilis) in Höhlen, was man aus Funden von Steinwerkzeugen schließen kann. Für die „Höhlenbewohner“ setzte sich der Begriff „Troglodyten“ durch, von denen man in der Antike (Herodot, Plinius der Ältere) sogar (fälschlich) annahm, es handele sich um ein eigenständiges Volk. Auch dieser Lebensort von Menschen hat in Lützerath eine „Wiedergeburt“ erlebt.

Nun kann man natürlich einwenden, diese „Wohnorte“ seien lediglich aus taktischen Gründen gewählt worden, um es der Polizei besonders schwer zu machen, die Protestierenden aus Lützerath zu entfernen. Dieses Argument greift aber zu kurz, denn schließlich hat die Menschheit im Laufe ihrer Geschichte ganz andere Formen der kriegerischen Gefahrenabwehr entwickelt, wovon mittelalterliche Befestigungsanlagen reichlich Zeugnis ablegen (Wälle, Mauern, Burgen, Gräben). Und zudem hat die Baumhaus-Existenzweise in Lützerath schon lange vor der finalen Gerichtsentscheidung zur Räumung um sich gegriffen, wie auch die Anlage einer Höhle, so sie nicht naturgegeben ist, eine längere „Vorlaufzeit“ benötigt. Der Ruf nach dem Schutz des Klimas und dem Schutz der Natur ist hier eindeutig mit einem „Zurück in der Geschichte“ verbunden. Als Klammer dient die Ablehnung der industriell bestimmten Lebensweise mit ihrem exzessiven Energieverbrauch und ihrer hochgradig arbeitsteilig und zugleich global ausgerichteten Arbeitsweise. Die Höhlen- und Baumexistenz ist insofern der radikalste denkbare Gegensatz zur Komfortzone der Gegenwart einschließlich der Blütenträume von einer ökologisch-nachhaltigen Bio-Landwirtschaft, die in der Lage sein soll, über 8 Milliarden Menschen zu ernähren.
Das „Zurück in der Geschichte“ allein reicht aber nicht aus, es ist sozusagen nur ein nüchternes, um nicht zu sagen „kaltherziges“ intellektuelles Postulat. Der Blick zurück benötigt eine emotionale Unterfütterung, eine Komponente der Warmherzigkeit und der Verklärung. Vergleiche, das wissen wir, hinken immer, können aber etwas Aufhellung bringen. Deshalb: Am Anfang des industriellen Zeitalters, also im ausgehenden 18. und im 19. Jahrhundert, entwickelte sich die Strömung der Romantik. Auf den berühmten Gemälden dieser Zeit sehen wir eine doppelte Verklärung: die Idealisierung und Überhöhung der Natur einerseits, den Blick in ein verklärt dargestelltes Mittelalter (verfallene Burgruinen etc.) auf der anderen Seite. Matthias Claudius´ bekanntestes Gedicht, um ein Beispiel der Lyrik dieser Epoche zu nennen, beginnt so:
Der Mond ist aufgegangen

Der Mond ist aufgegangen
Die gold‘nen Sternlein prangen
Am Himmel hell und klar
Der Wald steht schwarz und schweiget
Und aus den Wiesen steiget
Der weiße Nebel wunderbar
Der deutsche Wald, der damals noch ein Wald war und nicht – wie heute- eine forstindustriell gezüchtete Nutzfläche, bündelt hier eine mystische Grundkomponente mit einem Naturelement (das Schweigen des Waldes) und bildet zugleich (schwarz) einen farblichen Kontrast zum Gold der Sterne und dem Weiß des aufsteigenden Nebels. Diese Traum- und Zauberwelt (wunderbar) mit ihren Geheimnissen steht der heraufziehenden Industrialisierung mit ihrem Lärm, der Hektik und dem Dreck gegenüber. Der Wald, so wie hier geschildert, ist der Raum für einen Eskapismus, der sich gegen die Zeit stemmt.
Einen solchen „Escape-Room“ der emotionalen Aufladung finden die „Klimaretter“ von Lützerath offensichtlich in der Fantasy-Literatur, speziell in Tolkiens Roman „Herr der Ringe“. Wir haben in einem anderen Beitrag bereits einen Lützerather Tolkien-Leser zitiert, der auf die im Roman dargestellte Schlacht von Hells Klamm verwiesen hat. Nun kann man natürlich annehmen, dass sei nur eine Einzelstimme. Jetzt hat aber auch Saint Greta, die Klima-Ikone, bei ihrem Besuch in Lützerath deutlich gemacht, dass die „Herr-der-Ringe-Welt“ nicht nur die Gedanken eines einzelnen Jüngers bestimmt. Sie belegte die Landschaft des Braunkohlereviers bei Lützerath ebenfalls mit einer Tolkien-Begrifflichkeit und wird mit der Aussage zitiert: „Es sieht wirklich aus wie Mordor.“ Mordor ist in Tolkiens Werk das Reich Saurons und damit das Reich des Bösen.
Das Böse hat aber eine Gegenwelt: die Auenlandschaft der Hobbits in Mittelerde. Über die Hobbits, durchaus menschenähnliche Wesen, aber kleiner von der Statur her, können wir u.a. lesen: „Viele von ihnen leben traditionell in teils weitverzweigten Höhlen, den „Smials“. In Hobbingen im Auenland sind das meist komfortable Wohnungen mit kreisrunden Türen und Fenstern. Die Liebe zu gutem und häufigem Essen und Trinken, das zelebrierte Rauchen des „Pfeifenkrauts“, der angesehene Gartenbau und sorglose Feste sind kennzeichnend für das Leben der Hobbits. Sie sind handwerklich geschickt, verwenden aber keine Maschinen, die wesentlich komplizierter als beispielsweise Mühlen sind. Außerdem geht ihre Gelehrsamkeit selten über das Wissen um ihren eigenen Stammbaum hinaus, so dass sie nur sehr wenig über die Länder und Völker außerhalb ihrer Grenzen wissen.“(WIKIPEDIA)

Parallelen zu mancher Lebensutopie der Klima-Jünger sind erkennbar (Gartenbau, beschauliches Leben, aber gerne auch etwas Komfort, kaum Kenntnisnahme der äußeren Welt). Und man kann bei der einen oder anderen Äußerung aus den Reihen der Greta-Jünger und der Heiligen selbst auf den Gedanken kommen, hier habe man vor dem Sprechen zur Äußerung von Gedanken dem „Pfeifenkraut“ heftig zugesprochen und auch die Gelehrsamkeit und das Wissen über die Länder und Völker außerhalb ihrer Welt sei beschränkt. Und die fast bieder anmutende Lebenswelt der Hobbits passt durchaus zur naiven Weltsicht großer Teile der „Klimabewegung“, wo der Wunsch nicht nur der Vater, sondern auch die Mutter des Gedankens ist, solange der Strom aus der Steckdose kommt.
Das hat alles etwas Putziges, Niedliches, ja fast zu Bewahrendes.

Wenn sich nicht auch ein anderes Gesicht zeigen würde. Und das ist die Fratze der Intoleranz, der Gefährdung anderer Menschen und der Selbstgefährdung. Und der Gewaltexzesse – wie sie von einem Teil der Demonstranten am Samstag ausgeübt wurden.
Die Hobbits von Lützerath haben spätestens mit diesem Samstag ihre Unschuld verloren!

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Von Bernd Matzkowski

geb. 1952, lebt in GE, nach seiner Pensionierung weiter in anderen Bereichen als Lehrer aktiv

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3 Kommentare
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Fal.Schrö.

Danke für den Bericht.

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To.Kli.

Der Alkorhythmus von Spacebook hat euch als Klimaxleugner enttarnt und sagt euren Hollowern, was wirklich Sache istcomment image
Alle gehen munter unter, nur Greta, die geht später!

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Heinz Niski

Der Facebook Algorithmus ist dumm. Die Menschen, die dort in der Beschwerdeabteilung arbeiten, sind oft mit den Feinheiten der deutschen Sprache nicht vertraut und fällen deshalb Entscheidungen aus dem Bauchgefühl heraus. Das ist lustig und ein bisher von der Forschung noch unentdecktes Spiegelbild des intellektuellen, politischen und ethischen Zustandes unserer Gesellschaft. Während wir zumindest formal gesellschaftlich und juristisch die Willkürherrschaft von Bürokratie und Verwaltung eingehegt haben, ist sie im digitalen Raum aufgeblüht und versucht Kafkas Prozess nachzuspielen und zu übertrumpfen. Ab und zu werden HerrKules Beiträge von der Maschinenintelligenz mit abstrusen Begründungen gesperrt. Es gibt aber auch Menschen, die den Maschinen folgen und Herrkules sperren, blockieren, sich „entfreunden“ – kann sein, dass das unerkannte Transhumanisten sind.

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