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Gestern war es soweit. Ich bekam zu sehen, was ich schon lange erwartet hatte. In einem Fernseh-Bericht über Lützerath tauchte eine traurig dreinblickende Gestalt auf, die ein Schild trug – handgemalt. Auf dem stand: „Lützi bleibt!“ Vor einiger Zeit wird diese Gestalt (oder ein Klon davon) ein Schild getragen haben, auf dem gestanden hat: Hambi bleibt! Ob Lützi oder Hambi – sind die Orte auch verschiedene, gemeinsam ist die sprachliche Verkinschung! Und die sprang mir heute auch aus der Qualitätspresse als Bild entgegen: Luisa N. , das angebliche Gesicht der Klimabewegung, hielt ein (selbstgemaltes) Schild mit dem Text: „Lützi retten Klima retten“.

Ich weiß nicht genau, wer diese sprachlichen Infantilismen eingeführt hat. Ich vermute mal, dass es ein Sportreporter war, der auf die Idee gekommen ist, aus dem Nachnamen Schweinsteiger „Schweini“ und aus Podolski „Poldi“ zu machen. Es ist schon schlimm genug, wenn man das hören muss. Aber aufgepinselt, verschriftlicht, auf einem Plakat! Da ist es eine Art intellektuelle Geiselnahme. Oder, um es erhabener, also mit Goethe zu sagen:

Dummes vors Auge gestellt
Hat ein magisches Recht
Weil es die Sinne gefangen hält
Bleibt der Geist ein Knecht
(Aus: Zahme Xenien)

Mich erinnert diese sprachliche Verkinschung an meine Tante Käthe. Die hatte Wellensittiche. Der erste hieß Pucki, nach dessen Ableben kam der zweite, und der hieß Hansi. Bei Sittichen mag das angehen, bei Bundestrainern (Hans wird zu Hansi) schon nicht mehr. Und bei Ortschaften oder Landstrichen schon mal überhaupt nicht. „Lützi“: klingt doch wie ein Teddybär, den man sich auf der Cranger Kirmes an der Schießbude erballert oder aus der Lostrommel gezogen hat. „Na, wie soll der Teddy denn heißen?“ „Lützi, Lützi soll er heißen!“ Ach, du meine Güte!
Und was die Ortschaft angeht. Da ist immer noch zu lesen oder zu hören, Lützerath sei ein Dorf: „Mit einer Räumung des von Klimaaktivisten besetzten Dorfes Lützerath im Rheinland ist nach Angaben der Polizei Aachen ab Mittwoch oder an den Folgetagen zu rechnen.“ (WAZ, Papierausgabe heute, S. 1)

Ein Dorf („Gruppensiedlung mit geringer Arbeitsteilung“, WIKIPEDIA) ist Lützerath doch schon lange nicht mehr, jedenfalls wenn man unter dem Begriff „Dorf“ eine intakte Gemeinschaft mit einer Struktur versteht, zu der vielleicht ein Metzger, ein Bäcker, ein kleiner Laden, vielleicht sogar eine Kirche gehören. Ein Dorf, in dem überwiegend landwirtschaftliche Produkte erarbeitet werden. Lützerath ist aber als Dorf eine Chimäre, ist längst nur noch eine Ansammlung leergezogener Häuser, deren vormalige Bewohner oder auch Besitzer sich woanders niedergelassen haben. Die Umsiedlung begann 2006 und wurde im vergangenen Jahr abgeschlossen. Selbst wenn die Ortschaft erhalten bliebe, würde wohl niemand mehr dorthin zurückkehren. Die Landschaft bei Lützerath ist durch den gefräßigen Kohleabbau längst zerstört. Eine riesige klaffende Wunde zeugt vom Abbau des „braunen Goldes“. Das mag man bedauern, verurteilen und auch bekämpfen! Aber zu meinen, ausgerechnet in Lützerath nun zum „letzten Gefecht“ aufzurufen, um das „Klima zu retten“ (Lützi retten- Klima retten), ist naiv!
Aus Lützerath ist eine Geisterstadt in einer Geisterlandschaft geworden, allerdings besetzt durch Gespenster, die an der intellektuellen Abbruchkante leben. Deshalb musste aus Lützerath auch „Lützi“ werden. Die sprachliche Verkinschung deutet an, was es ist: eine Art Teddybär für Klimaschützer, etwas zum Knuddeln, ein Spielzeug. Und Kinder lassen sich halt ungern ihr Spielzeug wegnehmen. Oder ihren Wellensittich, der Pucki oder Hansi heißen mag.
Oder eben Lützi!

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Von Bernd Matzkowski

geb. 1952, lebt in GE, nach seiner Pensionierung weiter in anderen Bereichen als Lehrer aktiv

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Ro.Bien.

Getz ma ährlich. Dat kommt schon ziemlich obalehrahhaft rüber! Bisken weniga intallektuell hat noch nie geschadet. wat doch am meisten fehlt is: Schlachkraft!

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Mi.Lied.

Was die sprachliche Verdummung angeht, sehe ich das ganz genau so. Aber vielleicht muss man ja sog. „Aktivist“ sein, um das gut zu finden.
Das Ziel der Demonstrantinnen und Demonstranten sehe ich allerdings nicht im Erhalt dieses nun (leider) vergammelten Ex-Dorfes, sondern in der Verhinderung des Abbaus und der Verbrennung der darunterliegenden Kohle. Wird von denen auch so kommuniziert, wenn man genauer liest.
Aber das sprachlich schlichte kommt wohl besser, damit kann man außerhalb jeder Sachlichkeit auf Emotionen zielen…

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Ro.Bien.

Nachdem die Belgier gestern ankündigten, dass sie die nächsten 10 Jahre an der Grenze Aachens weiter Atomstrom produzieren müssen wir uns ja auch keine Sorgen mehr machen.
Und by the Way: PR funktioniert NUR über Emotion.

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Fra.Prez.

ja, hier spricht zweifellos der Deutschpauker. Hat aber etwas Gutes

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Fra.Prez.

Wohlan, der Beitrag gefällt mir sehr gut. Er wirkt sogar wiederbelebend auf meine mittlerweile verschüttete Professionalität als Kommunikationsprediger. Die hier angeprangerte sprachliche Verkinschung scheint ja bei der Generation Z eine positive Assoziation, ja sogar heimelige Gefühle zu wecken. Hier möchte ich ansetzen und die Aufmerksamkeit der Core-Group, als auch die der versammelten Medienwelt, für die „Nach Lützi Zeit“ gewinnen. Die vielen Aktivisten, Sympatisanten, Politiker und Journalisten werden, bar jeder sinnvollen Aufgabe, ziellos durch den grauen Januar irren. Tief verzweifelt auf der Suche nach einer neuen Weltenrettung. Das ist unsere Chance! Gelsen wird im Stadtmarketing emotional und faktisch ganz nah an „Lützi“ positioniert. Wir starten endlich einmal eine erfolgreiche Medienkampagne für GELSENKIRCHEN! Statt es mit altbackenden Sprachbildern, wie „Stadt der tausend Feuer“, „Solarstadt“, „Wasserstoffstadt“, „Digitale Modellstadt“, „#401GE“ oder dem unterirdischen Versuch von Herrn Lalakakis (…Slogan habe ich aus meinem Hirn verbannt) zu versuchen, werden wir mit „GeKi retten“ einen Tsunami an Sympathie und Zuversicht in unsere darbende Siedlung lenken. „GeKi retten!“ vielleicht sogar als Imperativ formuliert! Natürlich auch gegendert, wenn gefordert und in 108 Sprachen übersetzt, um den „Bunten Haufen“ abzubilden. Als Maßnahmen natürlich das unvermeintlich neue Logo, einen Flyer und ein Stadtteilbüro in Schalke-Nord. Das rockt! Nebenbei bemerkt – bei der Auflistung der verniedlichten Fußballernamen fehlt mir der Name von Abi Flankengott

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Fra.Prez.

„GEKita“ gibts schon…
https://gekita.de/home

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Fra.Prez.

Hat aber nix mit „GeKi retten!“ direkt neben „Lützi retten!“ positioniert zu tun

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Fal.Schrö.

Ich freue mich das es noch Beiträge gibt die Sinn und Verstand haben. Danke!

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