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Sometimes a cigar is just a cigar (Sigmund Freud) ***

Selbst in der Gelsenkirchener Uechtingstraße passiert Aufregendes. Oder müsste ich sagen Erregendes oder gar Anregendes? Ich bin mir nicht sicher. Meine Verunsicherung rührt von der Berichterstattung (WAZ) über einen Exhibitionisten her. In dem Bericht findet ein Versuch statt auf einem Feld der Sprache, bei dem man die richtige Ebene treffen muss. Das ist nicht leicht! Zumal es auch um eine Straftat geht, die zurecht zu ahnden ist. Ich merke schon, wie ich selbst um den heißen Brei rede (auch das ist schon eine nicht ganz unverfängliche Ausdrucksweise). Also rette ich mich erst einmal in Zitate aus dem Artikel.
Zunächst: „Ein Mann aus Gelsenkirchen hat vor Passanten blank gezogen und sein Geschlechtsteil zur Schau gestellt“. Ob jetzt Vertreter der Schausteller-Gilde gegen diese Formulierung protestiert haben, weiß ich leider nicht. Das Blankziehen verweist auf den Waffenbereich, man zieht einen Degen blank – aber ums Fechten geht es hier nicht. Wir verstehen im Kontext die Metapher!
Es heißt weiter: „Ein Gelsenkirchener hat sich am Mittwoch, 21. Dezember, vor Passanten ausgezogen.“ Junge, Junge! Der hat sich also ausgezogen, der Gelsenkirchener, was ja bedeutet, dass er komplett nackt dort gestanden hat – ausgerechnet in der Uechtingstraße. Wobei die Anmerkung gestattet sein muss, dass es gestern schon nicht mehr wirklich kalt war, so dass Hoffnung besteht, dass der Mann sich nicht erkältet hat. Wobei er auch nicht untätig war, also nur nackt herumgestanden hat – in der Uechtingstraße. Das erfahren wir schließlich auch noch: „Gelsenkirchener wedelt an Uechtingstraße mit seinem Penis herum.“
Jetzt wissen wir Bescheid: Herumgewedelt hat er, der Gelsenkirchener, in der Uechtingstraße – mit seinem Penis.
Wenn man im digitalen Wörterbuch der deutschen Sprache unter „wedeln“ nachschaut, findet man folgende Erklärungen bzw. Erläuterungen:
1. ⟨mit etw. wedeln⟩ etw. Leichtes rasch hin- und herbewegen, wobei Luft in Schwingung versetzt wird
⟨etw. (mit etw.) von etw. wedeln⟩
⟨etw. wedelt⟩ etw. Leichtes bewegt sich rasch hin und her, wobei Luft in Schwingung versetzt wird
2. [Skisport] bei der Abfahrt die Schier rasch aufeinanderfolgend parallel von einer Seite zur anderen schwingen
3. [abwertend] sich unterwürfig, kriecherisch, liebedienerisch verhalten

Wir können wohl annehmen, dass die hier aufgeführten Bedeutungsebenen 2 und 3 (Skisport/abwertend) nicht zutreffen, denn um einen Abfahrtslauf zu machen und dabei parallel von einer Seite zur anderen zu schwingen, war es gestern in der Uechtingstraße definitiv zu warm. Und wir erfahren auch nichts darüber, dass der Gelsenkirchener sich unterwürfig verhalten hat. Folglich kommt nur die Bedeutungsebene 1) zum Tragen: etwas Leichtes rasch hin- und herbewegen, wobei Luft in Schwingungen versetzt wird, wobei allerdings die gestern durch das Wedeln erzeugte Windstärke  im Beitrag der WAZ nicht angegeben wird und wohl auch von Messstationen des Deutschen Meteorologischen Dienstes nicht erfasst worden ist. Allerdings erfahren wir dann doch noch Wichtiges: „Ein Strafverfahren wegen exhibitionistischer Handlungen hat die Polizei am Mittwoch gegen einen 41-Jährigen eingeleitet. Der Gelsenkirchener hatte sich um 12.50 Uhr auf der Uechtingstraße vor Passanten entblößt und dabei mit seinem Penis herumgewedelt.“
Endgültig ist jetzt klar:
a) es handelt sich um einen Gelsenkirchener im Alter von 41 Jahren
b) es passierte in der Uechtingstraße um 12.50 Uhr vor Passanten
c) der Gelsenkirchener hat mit seinem Penis herumgewedelt (also kein Abfahrtslauf!)
d) ein Strafverfahren wegen „exhibitionistischer Handlungen“ wurde eingeleitet.

Unbeantwortet bleibt das vielfache WARUM? Warum überhaupt, warum in der Uechtingstraße, warum um 12.50 Uhr, warum gestern. Wer waren die mit dem Begriff „Passanten“ nur schemenhaft bezeichneten Personen, die von der Wedelei des 41-Jährigen in Mitleidenschaft gezogen worden sind?
Angeblich soll bereits der Streamingdienst Netflix Interesse an den Rechten für die Verfilmung des Stoffs geäußert haben, um eine sechsteilige Serie (Arbeitstitel: Der Wedeler von Gelsenkirchen) zu produzieren!

Wir bleiben an der Sache dran! Versprochen!

*hollow (Adj.): hohl, leer, dumpf, bedeutungslos
***Das Zitat wird immer wieder Freud zugesprochen, ist aber bisher nicht durch eine authentische Quelle wissenschaftlich als Zitat  Freuds belegt worden

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Von Bernd Matzkowski

geb. 1952, lebt in GE, nach seiner Pensionierung weiter in anderen Bereichen als Lehrer aktiv

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Heinz Niski

Jetzt bin ich aber vor Schreck glatt vom Stuhl gefallen. Ich dachte, es ginge um Norbert Labatzki aka Doktor Stolzenfelz. Aber der kann nicht gemeint sein, der ist gerade in Garmisch Patenkirchen. Außerdem wedelt der nicht, er schlackert, so als wenn er abtröpfeln oder abperlen lassen würde. Kannst du selber überprüfen.
Ab Minute 30:00 im „Weltberühmt in Gelsenkirchen“ Film.

https://www.youtube.com/watch?v=TBsu-tFrQkE

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Last edited 1 Jahr zuvor by Heinz Niski
Fra.Prez.

Die gängige Metapher „einen von der Palme wedeln“ würde den Tatbestand, so wie beschrieben, verständlicher darstellen. Hier sollte die WAZ ihre Lokalredakteure zur beruflichen Weiterbildung in die lokale VHS schicken. Schaden wird es nicht

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Heinz Niski

Was ist denn da los in der VHS – Babylon GE? Interessant.

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Last edited 1 Jahr zuvor by Heinz Niski
Ma.So.

Regie hätte sicherlich Dieter Wedel geführt.

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