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Habe mir gestern in einem Sportwaffengeschäft einen Bogen und Pfeile gekauft. Will vorbereitet sein. Es ist Zeit! Hätte auch eine Armbrust erstehen können, die hat so etwas wunderbar Archaisches. Ist aber in der Handhabung schwerer und schwieriger, das Nachladen dauert länger. Das geht bei einem Bogen schneller. Und Pfeil und Bogen sehen insgesamt eleganter aus. Selbst in den Zeiten, die auf uns zukommen, möchte ich bestimmte ästhetische Aspekte nicht vernachlässigen. Zudem bin ich in meiner Jugend eifriger Karl-May-Leser gewesen und Verehrer von Winnetou. Da sind mir Pfeil und Bogen einfach näher – kulturelle Aneignung hin oder her. Sollen die ganzen Woken doch sehen, ob sie demnächst ihr Wildbret mit einer deutschen Armbrust erlegen! Viel Spaß dabei!

Heute morgen habe ich mir einen Kapuzen-Pulli (Hoodie) in schwarz bestellt, den ich auf der Vorderseite mit dem Aufdruck „Adenauer und Erhard – Vergangenheit ist Zukunft“ ausstatten lasse. Hinten steht die Aussage: „Ich bin ein Wirtschaftswunder-Kind“. Dass Robin Hood und seine Leute auf ihren Hoodies auch einen Aufdruck hatten, etwa „EAT THE RICH“, glaube ich nicht. Demgegenüber bin ich mir aber ziemlich sicher, dass diejenigen, die uns seit einiger Zeit den Weg der Deindustrialisierung weisen, überhaupt nicht wissen, dass sie ein Erbe verschleudern, das Generationen vor ihnen unter Entbehrungen und riesigen Kraftanstrengungen geschaffen und auch mit ihrer Gesundheit bezahlt haben. Bei den gegenwärtigen Regierenden, also bei den Wummsomaten, den Umfallern und den Predigern, sind diese über Jahrzehnte hinweg gewachsenen historischen und wirtschaftlichen Grundlagen unserer Gesellschaft kaum mehr im Bewusstsein präsent. Besonders die Prediger und ihre Anhängerschaft haben ein verklärtes Bild eines neuen Auenlandes vor Augen.

Ein Land, in dem die Bewohner sich um Bienen kümmern und um die Erderwärmung sorgen, nachmittags mit dem solar- und windgetriebenen E-Lastenfahrrad die Kinder aus der KITA „Grüne Raupe“ oder dem Kinderclub „Bunte Krabbelkiste“ abholen und danach in der aus nachhaltig wachsendem Gehölz von einer bei Vollmond gemeinsam menstruierenden Gruppe von drei Architektinnen (alle divers) entworfenen Backstube mit angeschlossenem Bistro eine Caffè Latte aus fairen Bohnen und handgemolkener Milch von Bergbauernhöfen aus dem Voralpenland schlürfen, bevor am späten Nachmittag in den Wohngemeinschaften über die Frage diskutiert wird, ob Wölfe ein Recht darauf haben, in Wohngebieten auf Jagd zu gehen. Kurz: Ein verkitschtes Paradies, wo das Rehlein munter über die Wiese springt, der Bach murmelnd das Rad eine Wassermühle antreibt, der Wind weht und die Sonne scheint, immer gerade so, dass wir uns unser Teewässerchen kochen können und wir, wenn der Tag zur Neige geht, vor der Hütte sitzen und uns am rot-goldenen Licht einer harmonischen Himmelsszenerie erbauen und den friedlichen Abend genießen.

Das muntere Rehlein auf der Aue treffe ich übrigens aus gut 70-100 Metern mit meinem Bogen lautlos und sicher, und zwar so genau ins Herz, dass es nicht lange leiden muss. Schwierigkeiten wird eher der Abtransport machen. So ein possierliches Tier wiegt nämlich ordentlich was (ein gut gewachsener Rehbock auch schon mal bis zu 25 KG), so dass das Tragen des über die Schulter gelegten Tieres Kraft kostet. Aber dem gegenüber steht die Handelsware „Rehbock“, die ich, wenn sie zerlegt ist, sicher ohne große Probleme gegen nützliche Alltagsdinge, die andere „Hoodie-Männer“ und „Hoodie-Frauen“ mit sich führen, tauschen kann. Eine Rückkehr zur Tauschwirtschaft ohne Ware-Geld-Beziehung, ein Zeitensprung also! Eine historische Rolle rückwärts!
Man kann zwar nicht aus der Geschichte aussteigen, man muss sich ihr vielmehr stellen, aber man kann natürlich in Geschichten einsteigen und sie für die Realität oder, sagen wir mal, für die Realgeschichte halten. Unsere Regierenden machen das Tag für Tag. Die Geschichte, in die sie eingestiegen sind, ist die Geschichte vom „Goldesel“, vom „Tischlein-deck-dich“ und vom „Knüppel aus dem Sack“. Nicht ökonomische Lehrwerke und profundes wirtschaftliches Wissen sind ihr Leitfaden, sondern ein Märchen, an das sie glauben und als dessen reale „Vollzieher“ sie sich sehen. Ihr Goldesel heißt Verschuldung, wird aber gerne Sondervermögen gerufen. Ihr Tischlein nennt sich Hilfspaket, und ihr Knüppel-aus-dem-Sack sind Laut- und Fürsprecher in den Medien, ein bunter Strauß aus von ihnen finanzierten Organisationen, die sich NGOs nennen dürfen, und Überwachungsinstanzen staatlicher Art, die vor allem einen Kampf gegen „Destabilisierer“ führen.

Und deshalb habe ich mir den Bogen und die Pfeile gekauft. Weil ein System, das auf falschen Voraussetzungen beruht, eines Tages implodieren wird. Es wird sich als Maskerade erweisen, was man für echt gehalten hat. Wie die bunt gemalten Fassaden der DDR, hinter denen aber abgewrackte Wohnungen und Fabriken lagen. Und welche Voraussetzungen übersehen die Wummsomaten, die Umfaller und besonders die Prediger? Nun, die drei Söhne des Schneiders aus dem Märchen der Grimm-Brüder bekommen Tischchen, Esel und Knüppel erst, nachdem sie eine Arbeitsleistung erbracht haben, denn der eine wird Schreiner, der zweite Müller und der dritte Drechsler. Und weil sie so außerordentlich fleißig und diszipliniert gelernt und gearbeitet haben, bekommen sie von ihren Meistern zum Ende der Gesellenzeit das jeweilige Abschiedsgeschenk! Die drei „magischen Helfer“ sind im Grunde also nichts anderes als die materialisierte Arbeitsleistung, die die drei Gesellen erbracht haben, sowie die Kenntnisse und Fertigkeiten, die sie sich während der Gesellenzeit angeeignet haben. Ihr zukünftiger Wohlstand ist also eine Frucht eigener Tätigkeit und Leistung!
Dass besonders die Prediger diese Voraussetzung „übersehen“ haben, ist indes kein Zufall, kann man sich doch nicht des Eindrucks erwehren, die Nicht-Aneignung von Fähigkeiten und Fertigkeiten, sei es im Studium oder während einer Berufsausbildung, sowie das Nicht-Arbeiten in einem „Brotberuf“ seien geradezu Voraussetzungen für eine parteiinterne Karriere und die Übernahme eines Amtes in Partei oder Staat!
Das kann und wird eine Weile funktionieren – bis der über Jahrzehnte angehäufte und erarbeitete Wohlstand des Landes aufgebraucht ist, bis die Ökonomie kollabiert, das Erwirtschaftete aufgezehrt und das Volk in seiner Mehrheit verarmt ist. Dann wird es Menschen geben (müssen), die in die Wälder ziehen, ein Leben als „Freie“ führen und als Zeichen dieser Freiheit Hoodies tragen. Sie werden Rehe jagen und Wölfe töten, ganz egal, was die Diskussionsrunden in den Wohnblock-Arbeitsgemeinschaften beschlossen haben! Die „Freien“ werden, unabhängig von Alter, Geschlecht, sexueller Orientierung und Glauben, alle Robin heißen und mit Nachnamen Hood. Und sie werden wieder ganz von vorne anfangen! Und ich werde dabei sein! Mit meinem Bogen und den Pfeilen und werde den jüngeren Hoods von einer Zeit erzählen, in der aus Trümmern ein neues Land geschaffen worden ist, das aber nach einigen Jahrzehnten in nur wenigen Jahren zugrunde gerichtet worden ist – von falschen Propheten und moralinsauren Predigern, die ein ganzes Volk in Geiselhaft genommen und das Land als ihr Eigentum betrachtet haben.

Nun werden Sie sagen: Das ist doch nur eine Geschichte! Das hat doch nichts mit unserer Gegenwart und Zukunft zu tun! Da haben Sie recht! Die wirkliche Zukunft wird nämlich noch schlimmer! Und sie hat bereits begonnen!
Während ich dies schreibe, blicke ich auf meinen Bogen.

Gleich werde ich in den Park gehen, um ein wenig damit zu üben!

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Von Bernd Matzkowski

geb. 1952, lebt in GE, nach seiner Pensionierung weiter in anderen Bereichen als Lehrer aktiv

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5 Kommentare
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Ein Fan

Bernds Hass auf alles weibliche ist der menstruationsblutrote Faden der sich langsam durch alle seine Beiträge zieht. Götterdämmerungkomplex. Welt und Leben bediente nicht die Erwartungen, daher muss die Welt untergehen. Es provoziert nicht einmal mehr. Es ist Text wie fließend Wasser, fließt kräftig, fließt schön, fließt vorbei, fließt in den Ausguss. Nichts bleibt.

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Fra.Prez.

…auch kein schlechter Text!

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Fra.Prez.

Faszinierende Parabel. Wundervoll geschrieben. Danke!

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Ste.Lau.

Ein guter Langbogen ist jeder Armbrust überlegen. Spätestens nach Azincourt wussten das sogar die Franzosencomment image

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Fra.Prez.

Du meinst doch sicher Langenbochum, oder?

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