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TOMEK, GINA UND DIE LIEBE

Um es gleich zu Beginn zu sagen: Ich kenne Tomek und Gina nicht. Jedenfalls nicht persönlich. Ich kenne nur den Schriftzug „Tomek + Gina“. Bin daran vorbeigeradelt. Tomek und Gina stand (und steht noch) , rasch aufgesprayt, an der Unterführung auf der Straße zum Wertstoffhof von „Gelsendienste“. Auf einem quaderförmigen Betonklotz, der der Fahrbahnbegrenzung dient und dafür sorgt, dass niemand in der Kurve auf dem Bürgersteig parkt. Mit schwarzer Farbe gesprüht und leicht schräg versetzt, weil beide Namen aus Platzgründen nicht nebeneinander hinpassen.

Also Tomek und Gina: schwarzer Lack, schräg und mit etwas verwackelten Buchstaben, wohl mit zittriger Hand aufgemalt. Ein Liebesbeweis! Vermute ich! Tomek: die polnische bzw. slawische Koseform von Tomasz/Thomas. Gina: Kurzform von Regina, Luigina und Georgina. Lateinischer, althochdeutscher und griechischer Ursprung, seit dem 19. Jahrhundert nicht nur als Abkürzung, sondern auch als eigenständiger Name verwendet.
Ich stelle mir Tomek vor, wie er nachts, schon leicht verschwitzt vor Aufregung und weil er eher der Typ der fragilen Männlichkeit ist, zur Unterführung schleicht. Nachts, wenn der Wertstoffhof geschlossen ist, fährt dort wohl ganz selten nur ein Auto vorbei. Man weiß zwar nie, aber unter dem Gesichtspunkt der Gefahr, dass ihn jemand entdeckt bei seinem nächtlichen Werk, hat Tomek den Ort gut gewählt – geringes Risiko! Nur die Fläche zum Aufsprühen ist halt klein. Da passen beide Namen nicht wirklich schön nebeneinander. Und für ein gesprühtes Herz ist schon einmal überhaupt kein Platz. Also muss Tomek die Buchstaben quetschen und auch noch schräg auftragen, so dass der Name „Tomek“ etwas nach unten hin wegkippt. Scheiße! Aber jetzt fertigmachen, nicht zaudern und nicht zögern! Das gibt es nicht, denn was Tomek anfängt, wird auch fertig gemacht. Ehrensache!
Ob er Gina schon zum Sprüh-Zeichen seiner Liebe geführt hat? Weiß ich nicht!Und ob sie sich gefreut hat, vielleicht sogar geweint hat vor Freude: „Du bist ja soooo süüüüüß, Tomek!“ Vielleicht hat sie aber auch gesagt: „Mensch, Tomek! Ich bin doch Auszubildende bei der Stadtverwaltung im Ordnungsamt. Wenn die das rauskriegen, dass ich die Gina bin!“
Aber wie gesagt: Ich kenne die beiden nicht, weiß nichts über sie. Ich kenne nur den Schriftzug! Und recht eigentlich mag ich diese Schmierereien nicht – egal ob politische Sprüche oder Liebeserklärungen! Sehr häufig sind es eher Dokumente geistiger und ästhetischer Notdurft – und schöner werden der Beton und die Hauswand, der Stromkasten oder das Verkehrszeichen in den meisten Fällen dadurch jedenfalls eher nicht.
Deswegen überlege ich, ob ich die Geschichte von Tomek und Gina nicht mit einem neuen Kapitel versehe und zusätzlich Dynamik in ihre Beziehung bringe: Ich könnte z.B. heute in der Nacht eine Pappe über den Schriftzug kleben. Und auf die Pappe habe ich mit Filzstift geschrieben: „Gina! Der Tomek betrügt dich mit der Chantal aus dem 3.Stock! Ein Freund!“
Könnte ich!

Ich denke darüber nach!

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Von Bernd Matzkowski

geb. 1952, lebt in GE, nach seiner Pensionierung weiter in anderen Bereichen als Lehrer aktiv

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An.Rol.

vor über 50 Jahren hat meine erste Liebe in die Rinde eines Baumes im Westerholter Wald die Anfangsbuchstaben unserer Namen geritzt . Der Baum , sehr hoch, sehr dick, sehr alt,stand auf einem Wegekreuz auf Buerschem Gebiet und es waren viele Namen in der Rinde verewigt. Vor einigen Jahren wurde der Baum gefällt . Es gab darüber sogar eine Pressemitteilung und es kam Wehmut bei mir auf. Ja, vielleicht albern, aber auch die Erinnerung kehrte zurück und die war schön! ☺️ Ja, ja, in den Stamm ritzen geht gar nicht😕. Irgendwie gibt es dieses Bedürfnis bei Verliebten auf diese oder ähnliche Weise die Zuneigung zu zeigen. Finde ich auch nicht so toll, aber in meinem Kopf entstehen dann Geschichten, was wäre wenn usw.🙂

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Heinz Niski

Dafür gibt es heute diese Gefängnisschlösschen an Brücken … …

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An.Rol.

und sogar auf dem Hochofen im Duisburger Landschaftsparcomment image

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