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Kommentar

In der Zeit der Bonner Republik soll es üblich gewesen sein, dass die Journalisten die Privatsphäre der politischen Elite respektierten. Anders: man wusste um die Liebeleien von Kanzler Willy Brandt, schrieb aber nicht darüber und schoss auch keine Fotostrecken. Das Private blieb ein Tabu!
Mit der Zeit änderte sich das – von beiden Seiten. Politiker stellten sich auch privat zur Schau und die Presse griff das gerne auf – bekanntestes Beispiel die „Pool-Szenen“ mit Rudolf Scharping, veröffentlich von der Zeitschrift „Bunte“ am 23.8.2001. Mit diesen Bildern begann der Absturz des damaligen Verteidigungsministers, denn die Bilder waren nur der Start dafür, das Verhalten von Scharping als Minister (Inanspruchnahme der Flugbereitschaft für private Zwecke, der Minister planschend mit seiner „Gräfin“ im Pool, während Bundeswehreinheiten zum Einsatz in Mazedonien aufbrachen u.a.) ins Visier zu nehmen. Rund ein Jahr nach den „Pool-Fotos“ war Scharpings Karriere am Ende.
Das Private ist nun sogar Teil der „Fehler-Kultur“ geworden. Ursula Heinen-Esser begründete ihren Mallorca-Aufenthalt während der Flutkatastrophe mit dem Alter ihres Mannes, dem die Betreuung der Tochter und ihrer Freundinnen auf Mallorca nicht zuzumuten war. Die Party, die dort veranstaltet wurde, war, auch das gab Heinen-Esser zu, eine Geburtstagsparty für ihren Mann. Immerhin: Heinen-Esser tat zurück – wohl auch auf Druck von Hendrik Wüst, der im Wahlkampf in NRW steht.
Nun trat Anne Spiegel vor die Presse, verdruckst, scheinbar (nicht anscheinend!) den Tränen nahe, nahezu tonlos und in einem Büßergewand (braunes Kleid), um Fehler einzugestehen und ihr Verhalten zu erklären: Grund für ihren langen Aufenthalt in Frankreich , während daheim die Katastrophe Menschenleben gekostet und Existenzen zerstört hatte, sei die vormalige Erkrankung ihres Mannes (Schlaganfall) und seien die Folgen der Corona-Pandemie für ihre Kinder gewesen. Ob der Mann und die Kinder auch der Grund dafür waren oder sind, dass sie die Öffentlichkeit belogen hat, hat sie nicht gesagt: Spiegel hatte ja über einen Sprecher  zuvor erklären lassen, sie habe von Frankreich aus digital an allen Kabinettssitzungen teilgenommen. Diese Lüge war sogar in der tagesschau verbreitet worden. Tatsächlich hat sie in der fraglichen Phase an keiner Sitzung teilgenommen – auch nicht digital!
Frau Spiegel ist unglaubwürdig, ihr ganzer Auftritt war ein einziges Schmierenstück: Warum sie, wenn ihr die Familie so wichtig ist, der Mann der Fürsorge bedarf und die Familie Ruhe benötigt, sogar noch den Sprung vom Ministeramt in Rheinland-Pfalz an den Regierungstisch in Berlin getan hat, was sicherlich nicht weniger Stress bedeutet, kann sie nicht erklären und erklärt sie auch nicht. Auch ihre Lügen und deren öffentliche Verbreitung (per amtlichem Sprecher) lassen sich kaum mit dem Schlaganfall des Mannes vor einem Jahr erklären. Und mal ganz ehrlich: Hat die Familienministerin überhaupt eine Vorstellung davon, was die Corona-Zeit für normale Familien mit geringem Einkommen und kleinen Wohnungen bedeutet hat, als Schulen und Kitas geschlossen waren und Außenkontakte eingeschränkt werden mussten? Hat sie, die dienstbare Geister um sich hat und diese sich auch leisten kann, überhaupt eine Vorstellung davon, was die Corona-Lockdowns für eine alleinerziehende Mutter oder einen alleinerziehenden Vater bedeutet haben, die mal nicht eben private Betreuung organisieren, geschweige denn bezahlen können? Wohl nicht, denn dann würde sie ihr eigenes „Schicksal“ nicht so aufblasen und überdimensionieren!
Es gibt noch einen weiteren Aspekt: Frau Spiegel (und auch Frau Heinen-Esser) sind (waren) hochdotierte, privilegierte Frauen in einem Staatsamt. Sind sie vielleicht dafür jetzt verantwortlich, dass das Bild von Frauen, die Beruf und Familie vereinbaren wollen, einen schweren Schlag bekommen hat, weil ein doppelter Negativ-Eindruck erweckt wird: beide Frauen haben die Wahrheit über ihr Verhalten gedehnt- bis zur Lüge – und schaden damit dem Frauen-Bild in der Öffentlichkeit. Noch schlimmer: sie führen ihre Familien (Männer und Kinder)ins Feld, um ihr eigenes Versagen, ihre Fehlhandlungen, ihren Betrug an der Öffentlichkeit zu erklären bzw. zu rechtfertigen. Das ist beschämend, weil sie damit allen Frauen einen Bärinnendienst erweisen!
Heinen-Esser ist zurückgetreten. Immerhin! Die Lügnerin Spiegel bisher nicht. Angeblich soll bei einem Treffen von Spitzen-Grünen aus Regierung und Partei Spiegel aufgefordert worden sein, ihr Amt niederzulegen (Abstimmungsergebnis 6:O).
Sie hat das (bisher) abgelehnt: Sie möchte noch eine Chance haben!
Wahrlich eine neue politische Kultur!

 

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Von Bernd Matzkowski

geb. 1952, lebt in GE, nach seiner Pensionierung weiter in anderen Bereichen als Lehrer aktiv

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Heinz Niski

Für mich ist das auch ohne Binnen I und Genderstern ein Hinweis auf den Stand der Emanzipation und die Geschlechtergerechtigkeit. Was früher nur Männern zugeschrieben wurde, können sich nun auch Frauen gönnen. Kleine und große Lügeleien, Karrieresprünge auf Kosten der Gesundheit, der Familie. Gleichzeitig gönnt man sich Auszeiten, denn irgendeine Krise ist ja immer, vergisst hier ein Extra Einkommen anzugeben, löscht dort SMSsen (von der Leyen), die ganze Palette wird bedient.

Schröder hat sich ja mit Gummistiefeln, den Sandsack auf der Schulter, den Flutwellen entgegen fotografieren lassen.

Da hätte Frau Spiegel punkten können… mit Spitzhacke oder am Bagger im Ahrtal.
Also, ich denke, sie hat eine zweite Chance verdient, allein schon, damit die Bilder bei der nächsten Katastrophe gefälliger sind

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Ro.Bien.

nee. allein die geschichte über das „wording“ war schon ein ungeeignet wert.
https://www.n-tv.de/panorama/Chats-zur-Flutnacht-belasten-Ministerin-Spiegel-article23183427.html

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Heinz Niski

nun ja, Geschlechterparität bedeutet natürlich auch, dass „ungeeignet“ gleichmäßig verteilt sein muss. Dass dabei die Frauen durch die Quote benachteiligt sind, also rein statistisch sich mehr ungeeignete gegen möglicherweise besser geeignete Männer durchsetzen, ist ja so gewollt. Das verfälscht das Bild, weil dann scheinbar Frauen doch mehr Fehler machen..

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Ro.Bien.

 ich finde das logisch. wenn weniger frauen in hohen positionen sitzen und die dann fehler machen, fällt das natürlich mehr auf. besonders dann wenn männer nachrücken. sagt aber nix aus – außer bei denen, die das eh missverstehen wollen.

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Klau.Holl.

Die sich selbst erfüllende Prophezeihung?

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Ro.Bien.

guck an. noch n bisschen gezappelt und schon isse weg. gut so. es gibt sicher ein anderes lukratives pöstchen.

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Heinz Niski

nicht standfest, die Frau Spiegel. 🤭

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Ro.Bien.

Wenn ich allein an Scheuer und Spahn denke…

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To.Kli.

schade, sie hat so ein schönes, herbes Gesicht, fast wie gemeißelt. Ich könnte sie ohne unterlass ständig zeichnen, malen, fotografieren.

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To.Kli.

„So kann man sie auch sehen! “ Na, wie will man sie denn jetzt sonst noch sehen? Ich hab‘ schon echt das Beste rausgeholt! Aber gut, wo Menschen sind, da passieren Fehler. Sie hat nun das getan, was sie tun musste, nämlich ihr Amt niedergelegt. Und nun darf sie gerne auch einen Posten als Aufsichtsratmitgliedernde haben. Eine Demokratie muss das aushalten. Ein moralisches Fehlverhalten bedeutet ja nicht gleich kognitive Insuffizienz. Soll sie dort wirken, wo es ihrer moralisches Handeln erlaubten Zuspruch findet: Privatwirschaft. Sie haben es bereits erwähnt.

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Mi.Rob.

Ich tipp mal auf Antonia Hofreiterin als Nachfolgerin.

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To.Kli.

Du meinst „Nachfolgendes“

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Mi.Rob.

Familie ist halt Frauensache.
Deswegen muss eine Frau Familienministerin werden.

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Heinz Niski

Frau und Proporz als Familienminister verstößt gegen den Gleichheitsgrundsatz. Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte einschalten, die BRD in Grund und Boden klagen. Kompromiss: eine(r) Transgender Person macht es, z.B. ein Mann, der sich als Frau fühlt.

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Fra.Prez.

Bravo, der Kommentar sitzt in jeder Beziehung. Ich meine das nicht nur, weil ich ein toxischer alter weißer Mann bin.

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To.Kli.

bei den grünen lernt man sühnen

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Jö.War.

Widerlich, ihr Kommentar.

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Mar.Kay.

Sehe ich ziemlich genauso.

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Redaktion HerrKules

Übertrag einer social media Diskussion

Ademir Mustic
Mir ist eines in diesem Zusammenhang extrem wichtig hervorzuheben.
Deutschland braucht auf allen Ebenen (Kommunal, Landes- Bundespolitisch) qualifizierte, durchsetzungsstarke und emphatische Frauen.
Was Deutschland nicht braucht und was die Grünen weder mit der Wahl von Baerbock zur Kanzlerkandidatin, noch mit Spiegel zur Familienministerin verstanden haben, sind Quoten-Frauen, ohne die o.g. Attribute.
Nach der Beliebtheit und Qualität der Arbeit von Habeck zu urteilen und dem Wissen wie der Wahlkampf verlaufen ist, haben die Grünen mit Baerbock die Kanzlerschaft hergeschenkt. Die Chance kommt vermutlich nie wieder.
Spiegel hingegen war schon mit dem Ministerium in Rheinland-Pfalz überfordert und ist wiederum nur aus einer Quote heraus Familienministerin geworden.
Diese Personalentscheidungen zeigen, dass Ideologien an der falschen Stelle das eigene politische Ziel konterkarieren und, schlimmer noch, in Katastrophensituation zu bleibenden Schäden führen können.
In diesem Zusammenhang möge sich die SPD hinterfragen, ob das Verteidigungs- und Innenministerium mit den wirklich kompetentesten Menschen besetzt wurden, die zur Verfügung stehen.

Franz Przechowski
@ Ademir Mustic zwei Nuancen aus meiner Sicht: Habeck gibt den besseren Kanzler und wird bei der nächsten Wahl seine Chance bekommen. Baerbock hat zwar den Wahlkampf vergeigt, überzeugt jedoch als Ministerin. Als sporadischer Wähler der Grünen zolle ich besonders Frau Baerbock allen Respekt.

Markus Derpuetz
@ Franz Przechowski wow. Sehe ich ähnlich, bin sehr überrascht dass es mich nicht nur 1x gibt….comment image

Ademir Mustic
@ Franz Przechowski Sie zeigt in der aktuellen Krise ungeahnte Fähigkeiten, hat jedoch als Quotenfrau die historische Chance zur Kanzlerschaft für die Grünen vertan.
Ob die je wiederkommt wage ich zu bezweifeln

Franz Przechowski
@ Ademir Mustic für Baerbock nicht mehr

Albert Ude
@ Franz Przechowski Ihr Guten! Baoh! Sach mal die Lottozahlen an, Ihr wisst so viel.

Birgit Wehrhöfer
@ Ademir Mustic Quoten gibt es überall in den Parteien, auch bei CDU und SPD und auch bezüglich Männer. Früher hieß das mal Proporz: Katholiken, Evangelische, Norddeutsche, Süddeutsche, Konservative, Linke, alles muss(te) irgendwie berücksichtigt werden. Aber wenn um Frauen geht, dann wird das Wort Quotenfrau zur Verunglimpfung verwendet.
Das mal so grundsätzlich. Anne Spiegel möchte ich damit nicht verteidigen. Ihr Verhalten fand ich auch unmöglich.

Ademir Mustic
@ Birgit Wehrhöfer warum fordert eigentlich keine Frau eine Frauenquote bei Berufen wie Schlosser, Schweißer, Postbote, Fliesenleger oder Müllmann?

Birgit Wehrhöfer
@ Ademir Mustic warum langweilt mich diese Frage? Stimmt doch gar nicht, der Befund. Seit Jahrzehnten gibt’s doch Riesenanstrengungen, mehr Mädchen/Frauen für typische Männerberufe zu interessieren.

Ademir Mustic
@ Birgit Wehrhöfer von Begeisterung war nicht die Rede. Wir sprechen über Quoten. Die werden bisher nur für Vorstand- und Aufsichtsratsposten und für politische Ämter gefordert. Also nochmals die Frage. Warum nicht eine Frauenquote bei der Müllabfuhr?

Birgit Wehrhöfer
@ Ademir Mustic können wir von mir aus ebenso fordern. Die wird aber ebenso wenig eingehalten wie eine Vorstandsquote, in der ich v.a. symbolischen Gehalt sehe. Jetzt erzähl mir aber nicht, dass das daran liegt, dass es zu wenig geeignete Frauen gibt, das stimmt nämlich nicht.
Aber mein Punkt war nicht die Quote an sich, sondern dass die Quote als angeblich untaugliches Mittel immer dann herangezogen wird, wenn eine Frau scheitert. Niemals bei einem Mann, obwohl die ebenso häufig auf dem Quotenticket unterwegs sind. Da heißt es nur anders: wir müssen die Interessen der Arbeitnehmer berücksichtigen, deshalb brauchen wir im Vorstand noch einen Gewerkschafter…

Rowo Bienert
@ Birgit Wehrhöfer Ein Name: Scheuer!

Werner Callies
Grüne als Führungskräfte der BRD. Heute stehen wir am Abgrund, morgen sind wir einen Schritt weiter…

Franz Przechowski
@ Werner Callies du übertreibst etwas. Ohne Habeck und Baerbock wäre die aktuelle Regierung noch zögerlicher

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Helmut Wagner
Das war wirklich starker Tobak, was Frau Spiegel geboten hat. Mich stört an der Diskussion darum, dass schon wieder Versuche gibt, diese schwache Nummer als Resultat des Patriarchats quasi reinzuwaschen, nachzulesen zB bei SPON.

Angela Koszewa
Bei dem Artikel möchte ich an so vielen Stellen kotzen, so viel hab ich heute gar nicht gegessen. Und ich bin im Urlaubcomment image
Am selben Tag zahlt Boris Johnsen ein Bußgeld für seine Corona Party und macht einfach weiter.
Man(n) hätte den Artikel doch wenigstens die Quotenfrau der Redaktion schreiben lassen können, damit er nicht so durchsichtig ist. Oder haben die da etwa keine?comment image

Michael Robionek
@ Angela Koszewa
Frau Spiegel ist hier natürlich das Opfer beim Thema Ahrtal.

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