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Wenn wir im HerrKules  auf George Orwells „1984“ verwiesen haben, um bestimmte Entwicklungen der Gegenwart zu beschreiben, dann haben wir bisher zumeist Elemente der geistigen Kontrolle, die Orwell in seinem Roman beschrieben hat, aufgegriffen: etwa die alltäglichen und allgegenwärtigen Versuche, die Sprache zu „reinigen“ und Begriffe aus ihr zu entfernen, die nach der Auffassung von politischen und moralischen Wächtern und Zensoren als  „politisch unkorrekt“ eingestuft wurden (Mohr, Neger, Indianer, Eskimo, Zigeuner etc.), oder neue Begrifflichkeiten einzuführen, die die Gedanken in eine gewünschte Richtung lenken sollen.

Diese „Reinigung“ der Sprache wurde und wird bei uns allerdings – anders als bei Orwell –  nicht von einem „Ministerium der Wahrheit“ betrieben, sondern von Medien, gesellschaftlichen Gruppen, „antirassistischen“ Instituten, Parteien, NGOs und gesellschaftlichen Gruppen betrieben  und auch an entsprechenden Lehrstühlen der Universitäten entwickelt, die die sog. „mainstream-Richtung“ verfestigen wollen. Dieses „Neusprech“, wie Orwell es nennt, ist keine Sprachspielerei, sondern verfolgt die Absicht, über Sprachmuster Gedankengebäude zu formen, die Widerspruch gegen Entscheidungen staatlicher Art unterdrücken, Opposition verhindern und Andersdenkende stigmatisieren. Über die „Spracherziehung“ soll eine geistige „Umerziehung“ erfolgen! Diese „Spracherziehung“ (be-)trifft heute Positionen, die jenseits der Linie einer „wohlwollenden“ Mehrheit liegen, egal ob es um die Corona-Maßnahmen, um die  Migrationsthematik, um die (innere) Sicherheit oder die Energie- und Verkehrspolitik geht. Ganz schnell werden abweichende sprachliche und inhaltliche Positionen in die rechtsextreme Ecke gestellt oder sogar mit dem Etikett „Nazi“ belegt, wenn man nicht die „anerkannten“ Begrifflichkeiten verwendet, die dokumentieren, dass man „auf Linie“ ist und nur erlaubte Gedanken teilt. Tut man das nicht, wird man an den Schandpfahl gebunden (shit-storm auf twitter, facebook) oder gehört zu denjenigen, die geächtet werden, weil sie „Kontaktschuld“ auf sich geladen haben. Dieses Vokabular des „Neusprech“, um es mit Orwell zu sagen, wird benutzt, um ein undifferenziertes „labeling“ der Kritiker regierungsamtlicher Positionen zu betreiben und Kritik an Regierungsmaßnahme, wie etwa die Einschränkung von Grundrechten, als illegitim zu diffamieren. Auf diesen Personenkreis soll der Hass der Mehrheit gelenkt werden, um die Regierungspolitik vor Kritik zu schützen. Einen kaiserlichen Satz paraphrasierend: Man kennt dann keine Andersmeinenden mehr, sondern nur noch Impfbegeisterte, Energiewendler, Woke und nachhaltig Essende!*

In der gegenwärtigen Situation (Krieg Russlands gegen die Ukraine) ist es aber angemessen und angebracht, auch einmal auf die (fiktiven) geopolitischen Ausgangsvoraussetzungen im Orwell-Roman hinzuweisen. Die Welt, so wie sie Orwell zeichnet, ist in drei große Machtblöcke bzw. Imperien eingeteilt: Ozeanien, Eurasien und Ostasien. Diese Blöcke befinden sich im Kampf um die Vorherrschaft über die Welt, führen permanent Kriege gegeneinander. Handlungsort des Romans ist „Ozeanien“, zu dem Nord-und Südamerika, Australien und die britischen Inseln und Teile im Süden Afrikas gehören. Nimmt man „Ozeanien“ einmal für die heutige anglo-amerikanische Sphäre, also das alte britische Königreich samt den ehemaligen Kolonien und Protektoraten sowie die die heutigen USA und Australien, liegt es nahe, Orwells  „Ostasien“ als das heutige China und „Eurasien“ als Russland inklusive Kontinentaleuropa, also ohne England und Irland, zu sehen.

Folgt man Orwells Gedankengang und setzt seine Drei-Staaten-Konstruktion in die aktuelle Kriegssituation und die Ansprüche, die Putin jüngst in seiner Rede erhoben hat, dann wären die logischen Schritte des Mannes im Kreml auf dem Weg zu „Eurasien“ die „Rückgewinnung“ der Staaten des ehemaligen „Ostblocks“ und seines Machtbereichs ( also etwa die baltischen Staaten, Polen, Ukraine, Rumänien, Bulgarien, ehemalige Tschechoslowakei und Balkanstaaten etc.) und danach die Unterwerfung Kontinentaleuropas. China wiederum hätte, nach der „Heimholung“ Taiwans als erstem Schritt,  seine Machtstellung über Japan, Korea und andere ostasiatische Staaten ausgedehnt. Dies hätte zur Voraussetzung, dass sich die USA weiter von seinen europäischen Verbündeten entfernen und  die Staaten der EU durch innere Konflikte weiter geschwächt werden, so dass sie dem Druck einer expansiven und aggressiven Ausweitung Russlands über die jetzigen Staatsgrenzen hinaus (einschließlich der installierten Marionettenregime) nichts entgegenzusetzen hätten – weder politisch noch wirtschaftlich und erst recht nicht militärisch. Man denke in diesem Kontext einer versuchten Destabilisierung Europas etwa an eine gesteuerte Einschleusung von Migranten in den Bereich der EU, wie wir es kürzlich an der polnischen Grenze erlebt haben.

Natürlich klingen diese Gedankengänge wie eine irrsinnige Spielerei. Aber hätten wir gedacht, dass nach dem II. Weltkrieg und der Überwindung des „Kalten Krieges“ ein irrsinniger Krieg wie der jetzige stattfinden könnte? Wohl nicht! Aber:  Vielleicht haben wir das deshalb nicht gedacht, weil wir vergessen oder verdrängt haben, dass in EUROPA bereits von 1991 bis 2001 die „postjugoslawischen“ Kriege (in wechselnden Konstellationen) stattgefunden haben. Deren Ausgangspunkt war das Streben Kroatiens und Sloweniens, sich aus dem Staatenverbund des ehemaligen Tito-Jugoslawien zu lösen (Volksabstimmungen in beiden Teilstaaten), verbunden mit einer westlichen Orientierung (Beitritt zur EU und NATO). Diese Loslösung wollte die damalige Führung Jugoslawiens nicht akzeptieren (Einsatz der Armee), wie Putin auch den Willen nach Selbstständigkeit (und Westorientierung) der Ukraine nicht akzeptieren kann und will und den Ukrainern das Recht abspricht, in einem eigenen Staatsgebilde zu leben. Und schaut man sich gleichzeitig an, wie und wo überall China versucht, seinen Einfluss und seinen Machtbereich zu erweitern (Neue Seidenstraße), wie es demokratische Strukturen unter Nicht-Einhaltung geschlossener Verträge in Hongkong abgebaut und wie es besonders seine Kriegsmarine ausgebaut hat, dann wäre es naiv zu glauben, China sei nicht schon längst auf dem Weg, an die Seite der alten Weltmächte zu treten und sie zu überholen. Die heutige Abhängigkeit des Westens von China hinsichtlich bestimmter wichtiger Produkte ist mindestens so groß wie die Abhängigkeit von russischem Gas und Öl – eher größer! Während wir also den russischen Bären an der Vordertür zu bekämpfen meinen, steigt der asiatische Tiger durch das Seitenfenster ein!

Was ich hoffe: Dass Orwells Vision nicht vollends wahr wird!

 

*Kaiser Wilhelm II. in einer Reichstagansprache am 4.8.1914:  „Ich kenne keine Parteien mehr, ich kenne nur noch Deutsche“.

 

 

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Von Bernd Matzkowski

geb. 1952, lebt in GE, nach seiner Pensionierung weiter in anderen Bereichen als Lehrer aktiv

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8 Kommentare
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Fra.Prez.

Hochachtung!

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jon doe

Lügen ins Kriegszeiten

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kriegtaktik2.jpg
Konteradmiral

Orwell muss wohl ein Zeitreisender gewesen sein. Obwohl die Konstellation seiner in „1984“ beschriebenen Supermächte Ozeanien, Eurasien und Ostasien heute etwas anders aussieht.
Beim Versuch aktuelle Ereignisse zu verstehen, kann ein Perspektivwechsel hilfreich sein. Wir, die westliche Welt, die Heilsbringer, die alles nach ihrer eigenen Schablone messen, werden erkennen müssen, dass es Völker gibt, die nicht von uns missioniert werden möchten. China und Indien, Nuklear-Mächte mit je mehr als 1,3 Milliarden Menschen, sind inzwischen so weit entwickelt, dass sie keine Ratschläge aus dem Westen annehmen müssen. Beide Nationen haben sich im UN-Sicherheitsrat, bei der gegen Russland gerichteten Resolution, enthalten. Asien ist auf dem Weg, der wirtschaftliche und finanzielle Mittelpunkt der Welt zu werden. Viele Afrikanische und Lateinamerikanische Nationen lehnen ungebetene westliche Ratschläge ebenfalls dankend ab. Sie geraten aber zunehmend unter den Einfluss Chinas. „Wandel durch Handel“ haben die Chinesen inzwischen perfektioniert. Während Orwells Ostasien weit expandiert, schmilzt Eurasien auf das kleine Europa zusammen. Das in diesem Verhältnis kleine Europa ist in der Zange zwischen USA und Ostasien gefangen und taugt vielleicht nur noch als Absatzmarkt oder eben als Kriegsschauplatz. Fiktion oder Realität?

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Ro.Bien.

Wir sind halt am Ende der Nahrungskette angekommen. Nachdem wir die Welt Jahrhundertelang kolonialisiert und ausgebeutet haben. Jetzt dreht sich der Kreis. Meine Meinung.

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jon doe

https://www.youtube.com/watch?v=dwbDMnEraO0

anonymouse hackt russische militärische infrastruktur

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jon doe