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Der lohe Lichtfunke Prometheus‘ ist ausgebrannt, dafür nimmt man jetzt die Flamme von Bärlappenmehl – Theaterfeuer, das keine Pfeife Tabak anzündet. Da krabbeln sie nun, wie die Ratten auf der Keule des Hercules, und studieren sich das Mark aus dem Schädel, was das für ein Ding sei, das er in seinen Hoden geführt hat. Ein französischer Abbé dociert, Alexander sei ein Hasenfuß gewesen; ein schwindsüchtiger Professor hält sich bei jedem Wort ein Fläschchen Salmiakgeist vor die Nase und liest ein Collegium über die Kraft. Kerls, die in Ohnmacht fallen, wenn sie einen Buben gemacht haben, kritteln über die Taktik des Hannibals – feuchtohrige Buben fischen Phrases aus der Schlacht bei Cannä und greinen über die Siege des Scipio, weil sie sie exponieren müssen.
(Karl von Moor in Schiller, Die Räuber, 1. Akt, 2. Szene)

Schillers kraftmeiernder Karl von Moor doziert hier über den Geist der Epoche, die er einige Zeilen später im Drama noch als „Kastratenjahrhundert“ markieren wird. Ein Jahrhundert, über das sich einzelne Genies in Selbstermächtigung erheben sollen, wie Karl später seine Handlungen rechtfertigen wird, um sich am Ende dann ,als Gescheiterter, zu einer Art „Ersatz-Jesus“ zu stilisieren. Vernichtend fällt in der obigen Passage Karl Moors Urteil über Universitätsgelehrte aus, die Vorlesungen über die Kraft halten, sich aber durch Salmiakgeist gegen ihre Ohnmachtsanfälle wappnen. Schiller (Promovierter Mediziner, Militärarzt) bzw. sein Karl von Moor weist auf den Widerspruch zwischen dem hohen Anspruch (der Professor doziert über Kraft) und der jämmerlichen Wirklichkeit hin (schwindsüchtig, neigt zu Ohnmachtsanfällen).
Lebte Schiller heute, nein- anders, – hätte Schiller schon den Ärzte-Präsidenten Frank Ulrich Montgomery gekannt, hätte er vielleicht in die Rede Karl von Moors noch eine andere Figur eingefügt, nämlich den Mediziner, der den hippokratischen Eid geleistet hat, aber ihn nicht nur nicht beachtet, sondern aktiv gegen ihn verstößt. Besonders gegen eine Passage des Eids (manchmal auch Schwur genannt), die da lautet:
Meine Verordnungen werde ich treffen zu Nutz und Frommen der Kranken, nach bestem Vermögen und Urteil; ich werde sie bewahren vor Schaden und willkürlichem Unrecht.“**
Damit meine ich nicht, dass sich Herr Montgomery für eine Impfpflicht gegen das Corona-Virus ausspricht, obwohl diese Pflicht extrem in die Freiheitsrechte eingreifen würde (weswegen ich sie, obwohl selbst zweifach geimpft und Risikopatient mit Vorerkrankungen, ablehne). Und ich meine damit auch nicht, dass er diese Forderung erhebt, obwohl sich das Impfversprechen („nach der 2. Impfung sind wir geschützt“) als „Falschaussage“ (von mir verwendet, um das Wort „Lüge“ zu vermeiden) herausgestellt hat, dass es Impfdurchbrüche bei bisher als „vollständig geimpft“ geltenden Menschen gibt, dass nun allerorten für „Booster-Impfungen“ die Trommel gerührt wird und teilweise sogar von weiteren Impfungen gesprochen wird, für die auch durch das bereits bekannte Panik-Feuerwerk geworben wird.
Nein! Meine Einschätzung gründet sich allein auf eine Aussage, die Montgomery in einer der Sonntags-Talk-Shows abgesondert hat, als er sagte: „ Wir erleben eine Tyrannei der Ungeimpften, die über die Geimpften bestimmen und uns diese ganzen Maßnahmen aufoktroyieren (…). Wir müssen uns alle impfen lassen, dann haben wir genug Sicherheit.“ Abgesehen von seiner Fremdwort-Sprachschluderei (oktroyieren heißt bereits aufzwingen, aufdrängen, so dass das Präfix „auf“ völlig überflüssig ist) erweist er sich hier für mich als einer jener, wie Galileo Galilei in Brechts Drama sagt, „erfinderischen Zwerge, die für alles gemietet werden können.“***
Montgomery spricht hier in echtem Orwellschen Neusprech, denn für ihn sind diejenigen, die ein ihnen zustehendes grundgesetzliches Freiheitsrecht in Anspruch nehmen, Tyrannen. Für ihn sind nicht die während der verschiedenen Lockdowns beschlossenen (teils medizinisch/wissenschaftlich völlig unsinnigen) Maßnahmen, die mit dem Entzug von Grundrechten für alle verbunden waren, „Tyrannei“, sondern diejenigen Tyrannen, die sich auf Grundrechte berufen, nicht aber sie abschaffen. Er propagiert, trotz der Fakten, die anderes sagen ( am vergangenen Freitag über 37000 Neuinfektionen) , dass uns die Impfung Sicherheit bringt, wo doch derzeitig die berüchtigten Inzidenzen höher sind als je zuvor, obwohl weitaus mehr Menschen „vollständig“ geimpft sind als im letzten Herbst/Winter. Indem Montgomery Nicht-Geimpfte zu Tyrannen erklärt, ohne auch nur einmal zu erwägen, ob dies nicht ihr gutes Recht ist und ob es nicht auch gute Gründe gegen eine Impfung geben kann, verstößt er gegen seinen Eid, wenn es dort heißt, er solle Menschen vor Schaden bewahren. Hier aber stigmatisiert er eine Gruppe, will den Zorn der Gesellschaft auf sie lenken. Das Stigmatisieren einer bestimmten Gruppe ist aber nichts anderes als ein Pfeil aus dem Köcher populistischer Demagogen und Hetzer, die selbst tyrannische Züge tragen. Montgomery ist der klassische Dieb, der „Haltet den Dieb“!“ ruft.
Letztlich ist es aber so, dass Montgomerys Gekläff (ja, ganz bewusst als abwertendes Stilmittel benutzt) sich nahtlos einreiht in die Linie von falschen Versprechungen, gebrochenen Zusagen, konfusen Entscheidungen, gesundheitspolitischem Stückwerk ohne Plan, Diffamierung abweichender Meinungen, selbst wenn sie von hoch angesehenen Medizinern (etwa Prof. H.Streek) kommen, und pauschaler Verunglimpfung von Kritikern der Regierungspolitik.
Es ist sicher so, dass unter den Impfgegnern auch Spinner, Verschwörungstheoretiker, abgedrehte Esoteriker und Dumpfbacken sind. Mag sein, mag sein! Ist aber wurscht, wenn es um die Inanspruchnahme eines Freiheitsrechts geht! Diese Inanspruchnahme von Grundrechten ist nicht an einen Schulabschluss, einen IQ, eine Standeszugehörigkeit oder eine politische Haltung zu bestimmten Problemen geknüpft. Nicht Impfgegner müssen sich rechtfertigen, sondern diejenigen, die Rechte einschränken wollen. Denn die Rechte sind kein Gnadengeschenk freundlicher Politiker oder von Ärzteverbandsfunktionären! Dieselben Dumpfbacken, abgedrehten Esoteriker, Verschwörungstheoretiker und Spinner gehören nämlich auch zu denen, die unsere Regierung wählen (oder es nicht tun), Steuern zahlen (oder das nicht müssen), zur Arbeit gehen (oder das nicht können oder wollen) oder all das tun und lassen (oder nicht), was im Rahmen der Gesetze erlaubt ist!
Sie sind keine Tyrannen, sondern Bürgerinnen und Bürger unserer Gesellschaft! Das kann, sollte und muss akzeptiert werden! Auch von einem Herrn Montgomery! Der mit Aussagen wie diesem einem Abbau demokratischer rechte Vorschub leistet!
Wenn dem Ärztefunktionär die Inanspruchnahme von Rechten nicht passt, sollten er vielleicht für ein Praktikum in Gesellschaftswissenschaften nach China ziehen oder nach Nordkorea! Oder zu Putin!
Da könnte er mal für eine gewisse Zeit erfahren, was Tyrannei heißt!
Vielleicht auch für immer!
Falls man ihn nicht zurück lässt!

 

*IN TYRANNOS: Die zweite Auflage (1782) von Schillers Drama „Die Räuber“ hatte eine Titelvignette, die einen aufgerichteten Löwen und den Wahlspruch „In Tyrannos“ (Gegen die Tyrannen) zeigte.
**https://de.wikipedia.org/wiki/Eid_des_Hippokrates
*** Bertolt Brecht, Leben des Galilei (14. Bild)

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Von Bernd Matzkowski

geb. 1952, lebt in GE, nach seiner Pensionierung weiter in anderen Bereichen als Lehrer aktiv

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An.Schwen.

Verwunderlich ist auch, dass Niemand erwähnt, dass lt. Sicherheitsbericht des PEI mittlerweile 180000 Menschen mit erheblichen, gemeldeten Impfnebenwirkungen zu kämpfen haben. Davon 20000 schwer und 1800 Menschen daran verstorben sind. Wieso wird das nicht thematisiert? Die Aussage von Herrn Montgomery ist Volksverhetzung und sollte strafrechtliche Konsequenzen haben. Meine Meinung als doppelt Geimpfte.

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