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Es gibt diese Tage, da greife ich am Frühstückstisch zur Zeitung, lese eine Passage, und mir fällt das Brötchen aus dem Gesicht: Vor Ärger, Empörung oder Belustigung über den vermeldeten Unsinn. Dann gibt es diese Tage, an denen die Zeitungslektüre zu nichts anderem führt als zu gedehnter Langeweile bei der Kenntnisnahme des Gelesenen. Und dann gibt es diese seltenen, diese äußerst seltenen Tage, an denen mir ob der Lektüre das Herz aufgeht, eine wohlige Wärme durch Körper, Geist und Seele fließt und ich, gleich Roy Black und Anita, singen möchte: „Schön ist es auf der Welt zu sein.“
Heute war endlich wieder einmal ein solcher Tag, als ich nämlich in der WAZ das Interview der funky-Jugendreporter Knuth Löbe und Lisa Rethmeier mit Carla Büttner (23) las, ihres Zeichens Links-Jugendbundessprecherin (solid). Büttner, Studentin der Sozialwissenschaften und der Philosophie, die z. Zt. mit ihrer Bachelor-Arbeit beschäftigt ist, wurde zu ihrem Jugendverband und dessen Verhältnis zur Partei DIE LINKE befragt, zur Rolle junger Menschen in der Politik und den Parteien, zur „Antifa“ („Antifaschismus ist nicht nur friedlicher Protest, er nutzt manchmal auch Gewalt, ob man das nun gut findet oder nicht“), zur Hochschulpolitik und natürlich auch – wie kann es anders sein – zur „linken“ Klimapolitik. Und die Antwort, bei der dann mein Herz zu hüpfen begann, war. „Unsere Lösung ist auch hier der Sozialismus – unsere Lösung für alles.“
Peng, heissassa und hopsasa und fiderallala, und, wie der Volksmund gerne sagt: lieber den Spatz in der Hand als mit jemandem nicht gut Kirschen essen! Und wenn da nicht jemand mit Kanonen auf fremde Federn schießt – oder so ähnlich!
Endlich hat sie jemand gefunden: Die Lösung für alles! Bis jetzt habe ich immer gedacht, die Lösung sei 42 (in Worten: zweiundvierzig). Jedenfalls ist das die Lösung, die der Supercomputer in Douglas Adams „Per Anhalter durch die Galaxis“ auf die Frage nach dem Leben, dem Universum und allem anderen (dem Rest) gibt (life, the universe an everything). Und jetzt das! Keine Tinktur, keine Impfung, keine Tablette, keine langen Übungen, bei denen man sich vielleicht noch eine geistige Distension oder einen Diskusprolaps zuzieht. Und auch nicht die seltsamen Methoden, von denen das um 1800 entstandene Spottlied Göttinger Studenten über den Doktor Eisenbart in zwölf Stropen zu erzählen weiß (hier mal die Strophen 1 und 2):
Ich bin der Doktor Eisenbart,
widewidewitt, bum, bum,
kurier die Leut’ auf meine Art,
widewidewitt, bum, bum.
Kann machen, dass die Blinden geh’n,
widewidewitt, juchheirassa,
und dass die Lahmen wieder seh’n,
widewidewitt, bum, bum.

Vertraut sich mir ein Patient,
So mach‘ er erst sein Testament,
Ich schicke niemand aus der Welt,
Bevor er nicht sein Haus bestellt.

Nein, das geht einfach einfacher: Ob Hühnerauge, Corona, Unwetter, Flut oder harter Stuhlgang: Sozialismus ist die „Lösung für alles!“ Einfach nur toll, dieses Lösungsmittel! Wobei sie auch sagt: „Uns ist klar, dass der Sozialismus nicht einfach morgen wiederkommt.“ Das ist dann doch etwas ernüchternd für mich gewesen. Und dabei wollte ich meine Arzttermine für diesen Monat schon mal absagen (Herzschrittmacherkontrolle!) und ab sofort jegliches Medikament absetzen. Schade! Aber ich will mein persönliches Wohlbefinden auch nicht zu weit in den Vordergrund rücken. Auch wenn es so ist, dass es etwas dauert, bis er wiederkommt, der Sozialismus, und Carla auch nicht sagt, von woher er überhaupt wiederkommt, hat sie mir doch meinen Tag versüßt: die Sonne scheint, der Himmel ist fast blau – ein wunderschöner Tag! Wenn wir jetzt noch Sozialismus dazu hätten: da würde ich fast vor Glück platzen!
Fast! Wenn mir nicht dieser Nietzsche durch den Kopf ginge:
Der Sozialismus – als die zu Ende gedachte Tyrannei der Geringsten und Dümmsten, der Oberflächlichen, der Neidischen und der Dreiviertel-Schauspieler(…)“.

Quelle/Interview: WAZ, Papierausgabe, Mediacmpus, 6.September 2021

 

Hervorhebungen (fett/kursiv) durch mich, BM

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Von Bernd Matzkowski

geb. 1952, lebt in GE, nach seiner Pensionierung weiter in anderen Bereichen als Lehrer aktiv

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Fra.Prez.

Walter hatte es gewusst. Den Sozialismus in seinem Lauf, halten weder Ochs noch Esel auf

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