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Als langjähriges Mitglied im Kulturausschuss und im Aufsichtsrat des Musiktheaters und als jemand, der über Jahrzehnte hinweg aktiv einen kleinen Teil zur Kultur in Gelsenkirchen beigetragen hat, habe ich mal in den Abschnitt zur Kultur im SPD-Kommunalwahlprogramm (Langversion) geschaut, um mir einen Eindruck von der kulturpolitischen Vorstellung der SPD für die kommenden fünf Jahre zu machen.

Ganz ehrlich und zu Beginn: Inhaltlich wird man kaum etwas Neues oder gar Sensationelles finden: Musiktheater, Consoltheater, Orchester, neue Spielstätte (Kirche), Entwicklung der Kulturzone Bochumer Straße etc. Alles in Ordnung, aber eigentlich auch selbstverständlich!
Wobei auffällig ist, dass die SPD im Zusammenhang mit der Kultur und kulturellen Einrichtungen ständig den Eindruck erweckt, ihr gehöre die Kultur und nur ihr sei das kulturelle Leben in Gelsenkirchen zu verdanken.

Zitat gefällig?

Gelsenkirchen ist kulturell breit aufgestellt. Das ist der Verdienst unserer sozialdemokratischen Politik.

Ach so ist das! Mal abgesehen davon, dass es hier grammatisch korrekt nicht „der Verdienst“, sondern „das Verdienst“ heißen müsste, ist das Kulturangebot in Gelsenkirchen zunächst einmal ein Produkt derjenigen, die hier Kultur „machen“, und nicht das Verdienst einer Partei. Und dann sei die SPD einmal daran erinnert, dass sie sich jahrelang gegen die Förderung der freien Kultur durch Einführung eines entsprechenden Haushaltstitels gewehrt hat.
Und die SPD sei auch einmal daran erinnert, dass sie es war (die Zeitungsarchive sind voll davon), die das Musiktheater immer wieder in Frage gestellt hat. Allerdings ist das Besitzergreifende der SPD bezüglich der Kultur in einem Punkt zutreffend, nämlich im Zusammenhang mit der Rückgabe eines Raubkunstwerks aus dem Museum an die Erben. Da hat die SPD sich gewehrt, bis die Limbach-Kommission der Stadt und damit auch der SPD politisch und moralisch ein erbärmliches Zeugnis ausgestellt hat.

Im Programm heftet sich die SPD immer wieder die Kultur ans Revers, so dass es nur noch als penetrant zu bezeichnen ist.
Nur einige Beispiele:

Mit neuen Formaten, wie dem Festival der freien Kulturszene Szeniale oder dem derzeit laufenden Umbau der Heilig-Kreuz-Kirche in Ückendorf zur Kulturstätte, bauen wir das kulturelle Angebot in unserer Stadt aus.

Mit umfassenden Investitionen in der Vergangenheit haben wir dafür gesorgt, dass die notwendigen Modernisierungen inzwischen abgeschlossen sind. Zudem haben wir nicht nur das Ballett im MiR stärken können. Mit der Ansiedlung der neuen Puppenspiel-Sparte konnten wir das Angebot erweitern

Daher haben wir dafür gesorgt, dass das Kinder- und Jugendtheater finanziell abgesichert wird.

Unser Musiktheater
Unser Consoltheater

Das Kulturprogramm der SPD ist so eine Art Warenhauskatalog, in dem man blättern kann, um sich Produkte anzuschauen, die man dann bei der SPD bestellen kann. Nicht ein neuer Gedanke ist zu finden, sieht man einmal davon ab, dass ein „Tag des Bergbaus“ eingeführt werden soll – angesichts der rasanten Dekarbonisierung und der letzten Überbleibsel des (Braun-)Kohlebergbaus ist das nur noch nostalgischer Zynismus. Auch das Wortgeklingel „partizipativer Kulturentwicklungsplan“ ist ja keine originäre oder gar originelle SPD-Idee, sondern schon lange in der Diskussion und bleibt im Programm letztlich vage, ganz unabhängig davon, ob Kulturplanung nicht dem Wesen von Kultur widerspricht!

Viel entscheidender ist aus meiner Sicht, worauf die SPD nicht eingeht, etwa auf die kulturellen Brüche, die durch den weiter gewachsenen Anteil von Menschen nicht-deutscher Herkunft entstanden sind und täglich neu im Zusammenleben entstehen. Wie und ob überhaupt Menschen, die als Flüchtlinge oder EU-Einwanderer aus Süd-Ost-Europa zu uns gekommen sind, am kulturellen Leben teilnehmen, scheint für die SPD keine Frage zu sein, da scheinen das eine oder andere Kulturfest mit Tanz, Musik und Döner oder Sardellen hinreichend als Lösung zu sein! Wie auch die demographische Entwicklung für die SPD im Zusammenhang mit Kultur keine Rolle spielt. Die Frage, wie Kultur auf die mit klassischen Kulturangeboten (Bücher, Zeitschriften, Theater) fremdelnden Jugendlichen, die zu Anhängseln digitaler Endgeräte geworden sind, reagieren soll, spielt keine Rolle! Kurz: Den wirklichen Zukunftsfragen, man könnte auch sagen „Konfliktfeldern“ wendet sich die SPD erst gar nicht zu! Stattdessen bietet sie das gelackte Bildchen einer heilen Welt der Kultur an, die von der SPD am Laufen gehalten (sprich: finanziert) wird.

Zum Schluss noch dies: Die ehemalige Landeszentralbank, die heute die FLORA und städtische Dienststellen beherbergt, war einmal als Kulturhaus, als Experimentierlabor, als soziokulturelles Zentrum vorgesehen (ja, liebe SPD, es gibt noch Menschen, die sich daran erinnern!). Von diesen Plänen aus grauer kulturpolitscher Vorzeit hört und liest man nichts bei der SPD – warum eigentlich nicht?

• Alle kursiv gesetzten Passagen sind Originalzitate aus dem Programm (Langfassung)

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Von Bernd Matzkowski

geb. 1952, lebt in GE, nach seiner Pensionierung weiter in anderen Bereichen als Lehrer aktiv

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2 Kommentare
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Heinz Niski

Das passt schon alles.

So wie sich manche lokale Künstler völlig distanzlos an die Futtertröge der nicht mehr Mehrheitspartei und an die Verteiler öffentlicher Gelder ranwanzen, sich „frei“ glauben, aber pädagogische Kunst oder Gentrifizierungskunst machen, so weit reichen dann folgerichtig die kühnen neuen Entwürfe, Ideen.

Das passt schon alles.

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So.Jo.T.

Wenn hier beschrieben wird, „dass die SPD im Zusammenhang mit der Kultur und kulturellen Einrichtungen ständig den Eindruck erweckt, ihr gehöre die Kultur und nur ihr sei das kulturelle Leben in Gelsenkirchen zu verdanken.“, so ist das wohl richtig, weil die Stadt Gelsenkirchen ja der SPD gehört.

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