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Heute bekam ich eine Gratislektion südosteuropäischer Kommunarden über die Besitzverhältnisse des öffentlichen Raumes in Gelsenkirchen. 8-10 glutäugige Carmens verschiedenster Altersstufen, versuchten nicht aus den Fenstern zu fallen, während sie nachdrücklich gegen mich Fäuste schüttelten, Flüche schwallen ließen und ihre Zindolos und Guarils auf der Straße anfeuerten, die mir erklärten, wem diese und wem der Bürgersteig gehören würde.

Nämlich ihnen.

Den Söhnen und Töchtern Südosteuropas.

Weil ihnen nicht nur die Straße und der Bürgersteig gehören würde, sondern auch die vier dort parkenden Autos mit den orangefarbenen Zetteln an der Windschutzscheibe, hätte ich absolutes Fotografierverbot.

Da Schmerz lehrreich wäre, bot man mir die erhobene Faust zum Gruße ans Gesicht und bellte mir bulgarisch-rumänisches-was-weiss-ich Stadtrecht ins Ohr. Ich meinte fast, in einer Carmen Inszenierung zu sein, in die als cleverer Regieeinfall die Posaunen von Jericho Wagners Walkürenritt hinein tröteten.

Geschrei, Gewusel, Gekeife, Geschiebe, Gezerre, zwischendurch kurze Besinnungspausen, in denen die Vorhut Ruhezeit im Türeingang nahm, ein Zigarrettchen auf das ihnen gehörende Trottoir schnippte, um mir danach erfrischt neue juristische Erklärungen, mit vor meinem Gesicht kreisenden Fäusten zu geben.

Ich habe in schlichter Sprache und freundlichem Ton angedeutet, dass ich durchaus auch mit dem Faustrecht vertraut wäre, sah aber schon die Shitstorm Schlagzeilen: 67zig jähriger, weißmänniger, kulturunsensibler renitenter Rentner, traumatisiert respektlos hinterrücks 25zig jährigen Neubürger und seine Begleiter, die hilflos mit ansehen mussten, dass ihr Recht und Gesetz ignoriert wurde.

Dann könne man doch besser die Polizei rufen, es ginge schließlich um ihr Eigentum und Recht, fand der älteste und lauteste von ihnen, während er den auf ein Kämpfchen mit mir versessesten, sanft umarmt aus der Ereigniszone zog.

Polizei fand ich gut, habe die dann auch angerufen.

Notruf der Polizei. Um was geht es? Aha, Südosteuropäer bedrohen sie. Wo? Aha. Was machen die denn jetzt? Aha, haben sich zurück gezogen. Ja, eh, wir kommen dann gleich mal vorbei. Wieviele sind das denn? Also insgesamt eher 8? Nur 3 noch? Die anderen sind im Haus verschwunden? Bitte warten Sie vor Ort bis wir kommen.

Die eingerittene Kavallerie klärte schnell und sachdienlich die Situation. Jemanden verbal zu bedrohen, wäre nicht strafbar. Jemanden Gewalt anzudrohen, wäre nicht strafbar. Jemanden Verbote zu erteilen, wäre nicht strafbar. Jemanden zu nötigen, wäre nicht strafbar, jemanden einzuschüchtern, wäre nicht strafbar.

Sie würden den Faustrechtlern die geltenden Gesetze erklären und daran erinnern, dass die Straße und der Bürgersteig allen Bürgern gehören würde. Mich erinnerten sie daran, dass ich in Gelsenkirchen wäre, dass man vor allem in Gelsenkirchen Süd eine spezielle Situation hätte. Dass sie täglich mit solchen Konflikten zu tun hätten und die Lösung nicht auf der Straße zu finden wäre.

Sympathisch waren sie mir ja, diese durch die Diplomatenschule gestählten Verwaltungsbeamten, die ihre Sisyphusaufgabe in GE-Süd nicht nur gelassen, sondern auch allen Seiten gerecht ausgleichend wahr nahmen.

Ihre Wunden leckend, Zigarrettchen schmauchend, von oben mit liebkosenden Zusprüchen bedacht, zogen sich die verhinderten Faustkämpfer in ihre Ecke zurück, aufmunternd beklopft von den inzwischen dazu gestoßenen Fans, Kumpanen, Freunden, Verwandten.

Ein Anwohner stieß dazu. Er würde hier wohnen und könne deshalb nicht wie ich, offen Widerspruch äußern.

Kannst mal sehen.

Er hätte aber alle sich an die Gesetze, Vorschriften und Verfahren haltenden Möglichkeiten eines Bürgers ausgeschöpft, allein… es würde sich nichts ändern.

Kannst mal sehen.

Na ja, tröste ich ihn, umarme ihn nicht, weil ja noch Corona iss, zitiere aber die MLPD (hier AUF) – die nun erkannt hat, dass einige Südosteuropäer nicht nur revolutionäres Objekt wären, sondern auch schon mal ganz schön Stress machen können. Weshalb die revolutionären Südosteuropäer den Stressern unter ihnen, Dampf machen sollten. In Sachen Ruhe & Ordnung – Sauberkeit & Höflichkeit usw.

Cool (Kühl) denke ich… das nenn ich echtes Subsidaritätsprinzip – keine neuen Stellen für Integrationssensibler, Theatertherapeuten, Inklusionskünstler – nee, einfach nur: Schnauze, sonst Auge!

Bin gespannt, wann die anderen Parteien nachziehen werden.

Was selbstverständlich kein Aufruf zur Wahl der AUF/MLPD sein soll… nur so ein Hinweis, dass sogar dort angekommen ist, dass nicht alle, die Einhaltung von Regeln anmahnen, Nazis sind.

Noch 7 Tage bis zur Kommunalwahl.

Unterdrückte Wut, Verzweiflung, Hilflosigkeit auf der einen Seite, buersche Waldbogen-Doppelhaushälften Eigenheimer auf der anderen Seite.  Cool (Kühl)

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Von Heinz Niski

Handwerker, nach 47 Jahren lohnabhängiger Arbeit nun Rentner. Meine Helden: Buster Keaton, Harpo Marx, Leonard Zelig.

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So.Jo.T.

Prof. Aladin El-Mafaalani würde wohl im Sinne seines Buches „Das Integrationsparadox: Warum gelungene Integration zu mehr Konflikten führt“ argumentieren: Der Streit wäre ein deutlicher Hinweis darauf, dass die Menschen hier angekommen sind, und an der Gesellschaft teilhaben wollen, wenn ich ihn richtig verstanden habe.
https://www.bpb.de/shop/buecher/schriftenreihe/285606/das-integrationsparadox

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Bernd Matzkowski

Der Herr Professor mit der Wunderlampe oder Sie oder Sie und der Herr Professor Aladin verwechseln hier (sprachlich oder gedanklich) Teilhabe mit Inbesitznahme oder, um es „moderner“ zu sagen, Partizipation mit Stammeskultur. Und wenn Sie – weiter unten – die vom Autor des Textes genannten Personengruppen dem Faustrecht zuordnen, dann ordnen Sie diese Gruppen zugleich dem Frühmittelalter zu, denn bereits im Spätmittelalter war das Fausrecht verpönt wie auch die Fehde verboten war. Diese Zuordnung ist aber vielleicht ein wenig diskriminierend, denn dieser Personenkreis weiss die moderne Gesetzgebung und Rechtsprechung durchaus anzuwenden bzw. zu nutzen (im eigenen Interesse)!!

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So.Jo.T.

Aber die Formalien des Fehderechts, die Einsatz der Faust vorher anzudrohen, wurden doch eingehalten. 🤔
Seit dem späten Mittelalter gilt nämlich folgende Einschränkung für das Faust- und Fehderecht: „Es wurde durch bestimmte Förmlichkeiten wie die besondere vorherige Ankündigung sowie das Verbot der Fehde an bestimmten Wochentagen und gegenüber bestimmten Personen weiter eingeschränkt.“
https://de.wikipedia.org/wiki/Faustrecht

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Ro.Wo.Bi

Das Gesetz des Stärkeren jedenfalls wirkt. Rückzug in die Nachbarstadt und hoffen, dass es hier beschaulich bleibt.

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Ro.Wo.Bi.

Die guten Mittelständler werden den Spieß umdrehen und es ihnen gleichtun – bis auf ein paar hoffnungslose Idealisten*.

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Balkan Versteher

Interessant. Kultursensibler Umgang ist kompliziert. Es gibt vieles zu bedenken. Zu lernen. Zu verstehen. Man sollte ins Gespräch kommen. Aufeinander zugehen. Lesen hilft.
https://www.republik.ch/2020/08/18/das-dunkle-gesetz?utm_source=pocket-newtab-global-de-DE

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So.Jo.T.

Manni Beck bietet den Grünen an, über die Situation im Anno 1904 für Schalke-Nord zu diskutieren. Wurde aber bereits gemacht, wenn ich mich recht erinnere.
https://www.facebook.com/david.fischer.14203/posts/3245246972259834

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Ro.Fi.

ich bin so froh darüber, obwohl ich nicht weiß warum, kriminelle Energie im Blut zu haben. Sagte man mir mal bei ner Gerichtsverhandlung. „Sie haben kriminelle Energie“ – da war ich stolz und bekam meine Fleppe wieder – heute widerum war ich stolz auf Luna, denn sie kackte direkt unter den achtsamen Augen von Ezzedine und ich grinste

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Ro.Bie.

2016/17: Bulmker /Hohenzolllernstr: Vor einer beliebten, griechischen Pommesbude: Polizisten essen dort gerne und oft. Plötzlich fährt eine Kolonne schwerer Autos vor. Die Straße ist sehr eng. Sieben, acht Wagen parken in Zweiereihe bis zur Hohenzollern hintereinander. Eine Großfamilie – etwa 15 Personen aus Südosteuropa, chic gekleidet, vielleicht eine Hochzeitsgesellschaft, steigt aus, geht auf den Imbiss zu. Kein Durchfahren für Andere mehr möglich. „Wahnsinn!“, denkt eine „Gästin“, die gerade in der Schlange vorm Bestelltresen steht. Sie stellt sich auf die kleine Eingangstufe, um die Straße, nicht die Menschen, mit den vollgestopten Autos zu fotografieren, und steht dabei halb im Laden, halb auf der Treppe. Ein recht kleinwüchsiger, etwa 17-, 18-jähriger Rom stürmt auf sie zu, beschimpft sie lautstark, droht. Hinter ihm folgt die Gesellschaft ebenfalls mit Gezeter. Die gefühlt acht griechischen Servicekräfte hinterm Verkaufstresen igorieren die Szenerie, bedienen einfach weiter.
Seitdem boykottierte sie den Laden. Und verließ zwei Jahre später wegen Häufung solcher Ereignisse die Stadt.

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