Die ausgetricksten Trickser oder Das Wolfsgeheul in Berlin und anderswo ist verlogen
Da hatte man sich das doch alles so schön ausgedacht: Zwei Verlierer der thüringischen Landtagswahl vom 27.10.2019 wollten doch so gerne an der Macht bleiben, trotz der Wahlschlappe. Die SPD, mit 8,2% in den Landtag eingezogen (Verluste: 4,2 %), und die Grünen, mit 5,2 % so eben über die Hürde gesprungen (bei Verlusten von 0,5%), waren vom Wähler deutlich abgestraft worden. Und obwohl Linken-Ministerpräsident Ramelow gegenüber der vorherigen Landtagswahl 2014 einen Stimmenzuwachs von 2,8 % für sich verbuchen konnte, reichte es nicht mehr für eine Mehrheit im Landtag, weil die Zugewinne der Linken die Verluste von SPD und CDU nicht kompensieren konnten. Die eigene Mehrheit war also futsch – im Grunde war die Regierung abgewählt worden, ein Gang in die Opposition wäre nur konsequent gewesen, vor allem für die nahezu zur Bedeutungslosigkeit geschrumpften Sozialdemokraten und Grünen. Nun hatten die beiden Parteien sich aber so schön am warmen Lagerfeuer des Regierens eingerichtet, dass es darüber nachzudenken galt, wie man trotz der Niederlage ein Sieger sein konnte. Der Ausweg war die Konstruktion der Minderheitsregierung unter Ramelow, der sich im dritten Wahlgang, in dem schon eine Stimme Mehrheit reichen würde, wieder zum Ministerpräsidenten wählen lassen wollte. Die Regierungsarbeit sollte dann unter Tolerierung durch CDU und FDP fortgesetzt werden. Tricky ausgedacht – aber eben nicht tricky genug! Dass in der dritten Runde ein FDP-Mann, dessen Partei ganz hauchdünn den Sprung über die 5%-Hürde geschafft hatte, nicht nur die Stimmen seiner eigenen Fraktion, sondern auch die der CDU und vor allem der AfD bekommen würde, obwohl diese einen eigenen Kandidaten aufgestellt hatte, stand bei den Tricksern von Linken, SPD und Grünen nicht auf dem Zettel! Nutzlos kalt gestellt der Sekt also – und statt perlenden Schaumweins nun perlende Tränen der Heuchelei oder der Empörung oder der Fassungslosigkeit, statt knallender Korken konsternierte Politdarsteller, die sich verzockt hatten und nun gerne und laut , ja nahezu hysterisch vom Betrug am Wähler kreischten (zur Erinnerung: wer hatte bei der Wahl seine Mehrheit verloren?), aber wohl eher verzweifelt waren, weil man sich doch so schön eine weitere Regierungszeit mit all den zu vergebenden oder bereits vergebenen Posten ausgemalt hatte.
Das eigentliche Problem ist doch eher in der Grundkonstellation der derzeitigen politischen Verhältnisse zu sehen: All das Trommelfeuer gegen die AfD, das Nazigetöse, das auch jetzt gleich wieder in die Welt getrötet wurde, hat in Thüringen nicht nur seine Wirkung verfehlt, sondern wohl eher dazu beigetragen, dass die AfD mit 12,8 % den größten Stimmenzuwachs bei der Landtagswahl erzielt hat und zur zweitstärksten Partei geworden ist (23,4%). Dieser Stimmenzuwachs der Höcke-AfD hat bei Linken, SPD und Grünen aber nicht zur Selbstbesinnung geführt, zum Nachdenken über die Gründe für diesen Stimmenzuwachs, sondern zu machtpolitischen Spielchen, die mit taktischen Manövern zum Erfolg geführt werden sollten. Dass SPD, Grüne und Linke nun wegen einer offensichtlich besseren Taktik (nämlich der, einen eigenen Kandidaten aufzustellen, diesem aber nicht eine Stimme zu geben, wie es die AfD gemacht hat) zum Opfer gefallen ist, hat einen gewissen Charme. Einen maliziösen Charme!
NACHTRAG!
Ein Charme, den die ausgetricksten Trickser allerdings nicht erkennen wollen, weil ihnen durch diese Wahl der Spiegel vorgehalten worden ist, in dem sie sich – zur Kenntlichkeit entstellt- selbst erkennen müssen. Dass der gewählte FDP-Mann nur ein Kurzzeit-Präsident werden würde, stand zu erwarten! Zu groß das Geschrei, zu laut die Verurteilungen in der regierungsfreundlichen Presse in Berlin, zu wankelmütig oder wenig standfest wohl auch der Gewählte selbst. Ob Neuwahlen, wenn sie denn kommen, die Probleme lösen, muss sich erst noch zeigen. Ob es eine mehrheitsfähige Regierungsbildung geben wird, werden die Thüringer entscheiden!
Stimmt, ist ganz neu – aber wir müssen uns jetzt wohl oder übel drangewöhnen dass eine Partei einen eigenen Ministerpräsidentenkandidaten aufstellt und ihm dann keine Stimme gibt. Herr Kules findet dies demokratisch.
Nach den Umfragen vor der Wahl war sich die Regierung nicht sicher, wieder eine, wenn auch knappe, Mehrheit zu bekommen und hat für diesen Fall eine Minderheitsregierung eingeplant und den Haushalt 20/21 schon vorher verabschiedet.
Da die SPD und die Grünen als Regierungspartner der Linken bei der Wahl dann Stimmen verloren haben; die Thüringer aber in Umfragen mit der Regierung unter Ramelow mehrheitlich zufrieden waren und die Linke wieder die stärkste Partei wurde – ist eine Minderheitsregierung die logische Konsequenz, denn durch die Links-/Rechtsgleichsetzung der CDU konnte es gar keine andere handlungsfähige Koalition geben. Herr Kules bezeichnet dies als Trickserei; es hätte bei den Regierungsparteien „nicht zur Selbstbesinnung geführt, zum Nachdenken über die Gründe für diesen Stimmenzuwachs [der AfD], sondern zu machtpolitischen Spielchen“.
Wer in Thüringen ausser der AfD „hysterisch vom Betrug am Wähler kreischte“ erschließt sich mir nicht, ich bitte da um Aufklärung.
1. Demokratisch ist es, wenn die gewählten thüringischen Abgeordneten entscheiden, nicht aber Parteizentralen in Berlin. Das Vorgehen der AfD, so wird es im Artikel doch beschrieben, war ein Trick, der besser funktioniert hat als der Trick der anderen (nämlich einen Ministerpräsidenten im 3. Wahlgang mit einer Stimme Mehrheit wählen zu lassen). Beide Verfahren bewegen sich aber im Rahmen der thüringischen Verfassung – sind also von daher demokratisch legitimiert (!!!)
2. Das teilweise hysterische Geschreische kam von Vertreter*****innen der Zentralen in Berlin (einschlägige Twitterstellungnahmen lesen sowie Presseerklärungen) und von der medialen Zunft in der Hauptstadt – den „Leitmedien“ der gedruckten Presse und der öffentlich-rechtlichen Sender, die den Eindruck vermittelten, wir stünden kurz vor einem Putsch.
3. Ich habe im Prinzip nichts gegen eine Minderheitsregierung (habe das Modell schon nach der Bundestagswahl befürwortet), sondern ktitisiere im Beitrag, dass zwei Wahlverlierer, nämlich SPD und Grüne, sich an die Linke ranwanzen, um an der Macht zu bleiben, statt in die Opposition zu gehen. Herr Ramelow hätte sich dann andere Partner suchen müssen oder eben – von Fall zu Fall- sich eine Mehrheit suchen müssen. So aber haben die Linke, die SPD und die Günen selbst die Falle aufgestellt, in die sie getappt sind.
4. Zuletzt: wie schon im Artikel gesagt, bin ich der Auffassung, dass diese ständige Nazi-Schreierei gegenüber der AfD nichts bringt (siehe die Höcke-Erfolge), den Nationalsozialismus verharmlost und dessen Opfer verhöhnt. Ja, in der AfD gibt es sicher Leute, die der NS-Zeit anhängen, ein schiefes Weltbild haben, national-konservativ sind. Die AfD besetzt aber auch die frei gewordene konservative Mitte, die früher von der CDU und der CSU besetzt worden ist. Und, siehe die Ergebnisse in den alten roten Hochburgen des Reviers, aber eben auch in den östlichen Bundesländern, sie bekommt Stimmen aus der (vormaligen) Wählerschaft der SPD. Diese Wähler sind sicher nicht zu Nazis mutiert, sehen aber in der SPD nicht mehr ihre Heimat. Sie zurückzuholen gelingt nicht mit dem Nazi-Geschrei!
Diese Kungelei in Hinterzimmern führt doch wohl komplett am Wähler vorbei zu Ergebnissen, die sich die wenigsten mit ihrem Kreuz auf dem Wahlzettel nicht im Traum vorstellen konnten. Und das soll legitim sein – was bitte muss passieren, dass genau dieses Tricksen und Täuschen aufhört?
Demokratisch legitimiert, wie oben formulert, meint: Im Rahmen der Verfassung. Dass das Verfahren einen bitteren, unmoralischen Beigeschmack hat, steht auf einem anderen Blatt. In der öffentlichen Debatte wird aber von einigen so getan, als habe hier ein Putsch o.ä. stattgefunden.Nein, alle Seiten haben sich im Rahmen der Landesverfassung bewegt. Das mag man unmoralisch finden, ja, ist aber verfassungskonform.
..und da wäre eine neuzeitliche Überarbeitung sinnfrei?
Ein konstruktives Misstrauensvotum ist auch tricky, widerspricht dem Rechtsempfinden des kleinen Mannes von der Straße.
„Legitimität ist gleich Legalität“ sagt aber das Verfassungsgericht dazu.
https://de.wikipedia.org/wiki/Misstrauensvotum
Wenn Trickserei dazu führt, dass es keinen Alterspräsidenten der AfD gibt, reiben sich wahrscheinlich diejenigen die Hände, die bei der jetzigen Trickserei im Thüringer Landtag nun sehr empört sind.
Ich fand es mindestens unterhaltsam und ein tolles Lehrstück darüber, dass gewiefte Schlitzohren manchmal ihren Meister finden, vor allem, wenn sie Gestaltungsoptionen (Minderheitsregierung etc.) kategorisch verweigern.