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Wie die WAZ heute zu melden wusste, haben „Fridays-for-Future“- Aktivisten einen Vortrag von Christian Lindner an der Universität Leipzig gestört. Die Demonstranten stürmten den Vortragssaal samt Bannern, Rufen und „Ich-stelle-mich-mal-kurz-tot“-Performance. Christian Lindner forderte sie zur Teilnahme am  Dialog auf, doch die „Aktivisten“ standen von den Toten wieder auf, zeigten ihm die kalte Schulter und verließen den Veranstaltungssaal. (siehe hier: https://www.waz.de/politik/fridays-for-future-aktivisten-stuermen-lindner-vortrag-id226222053.html)

Einen Saal zu stürmen und einen Vortrag zu stören, hat eine lange Tradition und ist als politisches Mittel nicht  eindeutig mit dem „Links-Rechts-Schema“ zu kategorisieren: die Horden der SA bedienten sich in der Weimarer Republik dieser Methode gerne, die Studenten der APO bedienten sich dieser Methode gerne, auch in den radikaleren Gruppen der Öko- und Friedensbewegung war dieses Mittel nicht unbekannt und wurde gerne angewandt, etwa wenn es galt, einen „Lobbyisten der Atommafia“ am Vortrag zu hindern!

Was aber klar war: es handelt sich hier um ein politisches Mittel der Verletzung der Redefreiheit (wenn der Redner daran gehindert wird, seinen Vortrag zu halten), es stellt eine Form von Hausfriedensbruch dar, wenn der Aufforderung, den Saal zu verlassen, nicht gefolgt wird, es ist eine Form der gewaltsamen Auseinandersetzung durch Aufbau einer Drohkulisse,  kurz: es ist auf verschiedenen Ebenen ein Rechtsbruch.

Heute scheint das nicht mehr so klar zu sein! Interessant ist nämlich, dass ein Rechtsbruch  offensichtlich keine Rolle spielt, wenn die Eindringlinge (vermeintlich) die richtige Haltung haben, in diesem Fall zum Thema Klima. Sie sind dann eben keine Eindringlinge, Störer, Unruhestifter oder Gewalttäter, die einem Redner das Recht auf Redefreiheit rauben bzw. dieses Recht einschränken, nein, sie sind AKTIVISTEN! (zu diesem Begriff siehe auch hier: https://magazin-herrkules.de/2017/10/01/was-ist-eigentlich-ein-aktivist/). Und „Aktivisten“ sind in einer positiv besetzten Angelegenheit aktiv. Das zeigt sich auch an den sog. „Klimastreiks“, die einen Rechtsbruch darstellen (Verstoß gegen die Schulpflicht). Da ein großer Teil der Öffentlichkeit und vor allem der veröffentlichten Meinung in diesem Fall aber die „gute Sache“ teilen, wird nicht nur über den Rechtsbruch hinweggesehen, sondern diese Pflichtverletzung wird sogar noch als „positiv“ gesehen, denn es geht ja schließlich um die Zukunft der Menschheit!

Man stelle sich aber nur für einen kurzen Moment vor, diese Freitags-Streiker gingen für eine schärfere Asylpolitik auf die Straße, forderten mehr und schnelle Abschiebungen oder sogar nur die Einhaltung gültigen Rechts. Dann würden die Aktivisten zu einem MOB! Dann hätte ein MOB Lindners Vortrag gestört und auf fürchterliche Art und Weise Grundrechte angegriffen.

Der WAZ-Beitrag ist ein schönes Beispiel für die Methode des  FRAMING (frame, engl.: Rahmen).

Beim Framing entsteht ein (begrifflicher und gedanklicher) Rahmen, in den Ereignisse, Vorgänge und bestimmte thematische Zusammenhänge eingebettet und zugleich einem Deutungsmuster zugeordnet werden. Inhalte werden auf diese Weise strukturiert, einem  Bewertungsraster unterworfen und moralisch auf- oder abgewertet.

Bei den Störern von Lindners Vortrag ist der Rahmen bestimmt durch Begriffe wie Klima, Klimawandel, Klimaschutz. Ein eigentlicher Rechtsbruch wird hier eingebettet und ins Positive gewendet, weil der Einsatz für den Klimaschutz als richtige, positive Haltung gedeutet und bewertet wird. Aus dem Rechtsbrecher (negativ besetzt)  wird deshalb ein Aktivist (positiv besetzt); der Rechtsbruch wird zu einer positiv zu bewertenden Aktion umgedeutet – jedenfalls in diesem Rahmen. So ist es auch mit den „Freitags-Streiks“. Auch hier wird ein Rechtsbruch ins Positive moralisch überhöht (es geht schließlich um unser aller Zukunft, also eine gute Sache).

Ein zweiter Aspekt: ein Aktivist, der sich mit anderen zusammentut, bleibt ein Individuum, eine singuläre Persönlichkeit als Teil einer Gruppe von Aktivisten. Ist der Rahmen negativ gesetzt, verschwindet das Individuum, geht sozusagen im Mob auf. Der Mob kennt keine Singularität, kein Individuum. Er hat kein Gesicht, sondern eine Fratze.

Unvorstellbar also, wenn es ums Klima geht, die Überschrift: „ Mob stürmt Lindner-Vortrag an der Uni Leipzig“! Dafür sorgt schon das Framing, an dem auch die WAZ beteiligt ist!

 

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Von Bernd Matzkowski

geb. 1952, lebt in GE, nach seiner Pensionierung weiter in anderen Bereichen als Lehrer aktiv

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Heinz Niski

Einen „Mob“ konnte ich auf dem Video nicht erkennen. Es war eine gut organisierte und abgestimmte gewaltfreie Aktion von wahrscheinlich besser gebildeten Menschen ohne großartige Neigung zu plündern, morden, zur Brandschatzung.

Gezielte Regelverstöße gehören zur gesellschaftlichen Realität genau so wie die Einhaltung von Regeln. Ziviler Ungehorsam kann auch schon mal Imperien stürzen.

Eine Lindner Lesung mit „Störaktionen“ zu pimpen, ist ungefähr so, als wenn Damen von Pussy Riot an einem FKK Strand ihre Brüste blank ziehen würden.
Die Medienaufmerksamkeit ist gesichert, gleichwohl steht man am Ende als „Depp“ da, der offene Türen einrennt und nicht diskursfähig ist.

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