Seltsam aus der Zeit gefallen kommt die wunderbar betörend, verstörende Ausstellung „Feeling Called Love – Collection Of An Idiot“ eines anonym bleiben wollenden Sammlers daher, die noch bis zum 30.06.2019 im Kunstmuseum Bochum zu sehen ist.
Während die WAZ dem Sammler und Kurator einen „leichten Hang zur Eitelkeit“ als Beweggrund seines ungenannt sein wollens bescheinigt, loben andere ( WDR5/Scala – Westart ) sein Konzept, die Aufmerksamkeit auf die Künstler und die Arbeiten zu fokussieren.
Ein Schild am Eingang der Ausstellung weist mit Gendersternchen darauf hin, dass zwar keine Gefühle verletzt werden sollen, allerdings möglicherweise „provozierende Kunstwerke“ zu sehen wären und deshalb unter sechzehnjährige nur in Begleitung eines Erziehers Zutritt hätten.
Ob das in Zeiten von Snuff-Videos und öffentlich zugänglichen Enthauptungsvideos durch islamistische Pervers-Kriminelle Überbehütung oder sinnvolle pädagogische Maßnahme ist, bleibt offen.
Dass Studenten an amerikanischen Universitäten Warnhinweise vor Shakespeare Textpassagen gezeigt werden müssen, wenn dort Gewaltschilderungen vorkommen, lässt ahnen, dass viele der Bochumer Ausstellungsstücke heute so nicht mehr entstehen würden.
Die Freiheit der Sicht des anarchisch-archaischen, wild melancholischen Punks, Hintergrund einiger der gezeigten Künstler sowie auch des Kurators, wäre in Zeiten, in denen Eugen Gromringers Gedicht „Avenidas“ als „sexuelle Belästigung“ empfunden wird, nicht mehr möglich.
Während andere Galerien Darstellungen von Frauen entfernen, weil weibliche Körper als entweder ‚passiv-dekorativ‘ oder als ‚femme fatale‘ präsentiert werden, wagt sich das Kunstmuseum Bochum, in die Schusslinie von #MeToo und Gender- Mainstreaming zu geraten.
Tod, Eros, Liebe, Lust, Mord wird mal spielerisch, heiter, mal beklemmend düster inszeniert. Wo man „weiße alte Männer“ als Schöpfer einer überinszenierten Weiblichkeit vermutet, überraschen Künstlerinnen als „Täter“.
Voyeuristisch-pornografisches entstammt den Pinseln und Federn feministischer Künstlerinnen, die Orientierungsleitlinien heutiger politischer Korrektheit helfen dem Betrachter nicht und das ist gut so.
Wer will, wird allerdings in Mircea Sucius Version des Nachtmahrs von Heinrich Füssli mit Hitler als Alb, die Verherrlichung des Bösen sehen. Gromringer lässt grüßen.
Gefährdet in den Strudeln der Korrektheit unter zu gehen, ist auch ein Knetfiguren Animationsfilm, zeigt er doch nicht nur einen um Verzeihung bittenden und sich selbst kastrierenden Mann, von dessen Körper am Ende nur noch der Kopf über bleibt, sondern auch eine Lolita, die seinen Kopf beliebt, seine Nase als Dildo benutzt.
Das lässt allerlei Raum für Spekulation und Skandalisierung offen, könnte die Bilderstürmer im Auftrag des politisch richtigen Schönen, Guten, Wahren auf den Plan rufen.
Die Ausstellungswunderkammer ist mit Schätzen von Jürgen Kramer, Gustav Kluge, Felix Droese, Norbert Schwontowski, Marilyn Minter, Cindy Shermann, Marlene Dumas, Jonas Burgert, Marianna Gartner, Blalla W. Hallmann, Takeshi Makishima, Eva Aeppli, Susanne Kirchner-Liner, Marianna Gartner, Mircea Sucio, Alex Tennigkeit, Robert Stanley und vielen anderen gefüllt.
Kunsthistorische Bezüge, Hinweise auf die Entwicklung des Punk, Blicke in unser aller Abgründe, Schrilles, Hintergründiges werden so leidenschaftlich präsentiert, dass diese Ausstellung ein MUSS ist für alle, die mit Beuys und Punk groß geworden sind oder für Jüngere, die diesen Zeitraum erspüren wollen.
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