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Furore macht zur Zeit ein Werk des jungen andorranischen Landart Künstlers Hraven Tersgelund   in Gelsenkirchen, der mit seiner mutigen Arbeit einmal mehr beweist, dass das Gerede von der Stadt der Abgehängten, der Provinziellen, der zu Recht die rote Laterne tragenden aller Städterankings der letzten Jahrzehnte, keinen Bezug zur Lebenswirklichkeit von Stadt und Bürgern hat.

„Düsseldorf, München, Hamburg, Paris, Barcelona, Trondheim, sie alle verweigerten sich. In Gelsenkirchen rannte ich offene Türen ein, wurde ich warmherzig empfangen und Politik, Verwaltung und die Bürger erwiesen sich als aufgeschlossene und kenntnisreiche Partner“ – so der nicht unumstrittene Vertreter einer Kunstsparte, die sich einer Zuordnung entzieht und irgendwo zwischen „Trees as Art“ – „Land Art“ und „Geophatischer Mythic Art“ changiert, dabei gewollt tradierten Rezeptionsmustern gleichsam den Spiegel vor hält und erratisch impulsiven Affekten des Betrachters freien Lauf ermöglicht.

Dass dies nicht nach jedermanns Geschmack ist, dass klandestine Strukturen auch und vor allem in der autochthonen Kunstszenerie aufgebrochen werden, er schon mal als „frei schwebendes esotherisches Arschloch“ verortet wird, nimmt der sympathische Charmeur gelassen.

„Gelsenkirchen hat mythische Kraftfeldlinien den Mechtenberg entlang und es gibt Hinweise, dass am Schnittpunkt meines Werkes die Schnatermann-Regenballade von Ina Seidel entstand und genau hier Annette von Droste-Hülshoff 1819 für ihr erstes öffentliches (Gesangs)Konzert übte. Das hat mich fasziniert, nicht mehr los gelassen und führte zwangsläufig zu einer Auseinandersetzung mit dem Ort, mit der Stadt, mit diesem der Seelen wunderlichen Bergwerk.“

Die Stadt, das Forstamt, das Tierheim Erle waren schnell begeistert von dem Konzept, übernahmen Patenschaft und technische Unterstützung und so wurden im letzten Jahr Baumstämme gesammelt, die an Kraftfeld-Schnittpunkten sturmentwurzelt wurden und nun Basis für die biotisch-metamorphe Skulptur „mitutumi“ sind.

Das provokante Statement von Bondage Figuren in einem Sumpfgebiet … wird noch erhöht durch die Verwendung widersprüchlicher Materialien, so ist Sisal und Hanf ein klares Bekenntnis zu den Ursprüngen der Natur (auch der menschlichen mit all seinen Abgründen?) andererseits deutet die Einbindung von Aluminium auf die Herrschaftsgeste, Siegerpose Technik-Affiner Gaja Verachter hin.

Ein verwirrend flirrendes Werk, das der Andorraner nicht ohne Statement zur Geschlechterfrage schuf. Scheint der fast obszön überhöhte Phallus einer der Figuren das Ensemble auf den ersten Blick zu dominieren, erkennt der besinnliche Betrachter die wahre Hand, die Großes schafft.

Hier paart sich Natur und Technik, Freiheit und Abhängigkeit, Geist und Körper in unvergleichlicher Pose an einem Ort, der für genau das steht: Tradition & Moderne – kurz – die Gegensatzpaare der menschlichen Evolution.

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Von Heinz Niski

Handwerker, nach 47 Jahren lohnabhängiger Arbeit nun Rentner. Meine Helden: Buster Keaton, Harpo Marx, Leonard Zelig.

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Bernd Matzkowski

Toller Beitrag! Vor allem aber: Tolle Aktion des Künstlers! Und dass die Stadtgesellschaft sich so offen gezeigt und Unterstützung gewährt hat, ist der Beweis dafür, dass Gelsenkirchen mehr ist als das, was miesmacherische Statistiken uns vorgaukeln wollen. Die Kraft des Ursprünglichen, Geheimnisvollen, Mystischen ans Tageslicht geholt wie einst das schwarze Gold aus den Tiefen der Schächte. Kohle geht- Kunst kommt! Da sollte uns nicht bange sein vor der nächsten Umfrage!
Aufbruch also! Und deshalb:Stützstrümpfe angelegt, Rollator in Gang gesetzt und dem Ruf des Künstlers gefolgt. Werdet Teil eines magischen Kraftfeldes!

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Endlich Anonym

War dort. Da ist nichts (mehr?) Trophäensammler? Kunstkenner? Vandalen?
Dennoch gute Idee.

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