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Endlich hatten auch die Grünen ´mal wieder etwas zu feiern! Und taten es mit bereit gehaltenen Konfetti-Kanonen, deren Inhalt sie über sich selbst nach der Entscheidung über die „Ehe für alle“ rieseln ließen.

Aber was da als „Sternstunde“ des Parlaments abgefeiert wurde, nämlich eine Entscheidung, deren  Verfassungskonformität wohl noch überprüft werden wird, war, aus einem anderen Blickwinkel betrachtet, doch eher eine peinliche Veranstaltung!

Zustande gekommen waren Debatte und Abstimmung letztlich nur, weil sich die Kanzlerin wieder einmal verbal verstolpert hatte.

So ähnlich wie am 9.November 1989 Günther  Schabowski bei der Pressekonferenz der DDR-Führung zur in Aussicht gestellten Reiseregelung für DDR-Bürger. Schabowski hatte auf eine Journalisten-Frage so verschwurbelt reagiert, dass seine Antwort als Hinweis auf eine sofortige Grenzöffnung und uneingeschränkte Reisefreiheit für DDR-Bürger verstanden wurde. Merkel hatte  auf eine Interviewfrage  reagiert, aber eigentlich etwas ganz Selbstverständliches  gesagt, nämlich dass Bundestagsabgeordnete letztlich nur ihrem Gewissen verpflichtet sind.  Das steht so im Grundgesetz – aber wie wir wissen, unterwerfen sich im Alltagsgeschäft die Abgeordneten zumeist dem Fraktionszwang. Weil die Banalität der Merkelschen Aussage aber im Kontext der Debatte um die „Ehe für alle“ fiel, wurde ihr Satz nun als Signal verstanden, eine Abstimmung über ein Thema einzustielen, das zwar schon seit Jahren auf dem Tisch jedes Abgeordneten liegt, es aber einerseits eben wegen jenes Fraktionszwanges und andererseits wegen einer koalitionsinternen Rücksichtnahme der SPD auf die CDU/CSU-Fraktion nicht zur Abstimmungsreife geschafft hatte.

Nun also wurde das Thema rasch auf die Tagesordnung gesetzt und die „Ehe für alle“ wurde mit großer Mehrheit verabschiedet. Praktischer Vorteil: Grüne, FDP und SPD hatten kurz nacheinander die „Ehe für alle“ als unabdingbare Voraussetzung für das Eingehen einer Koalition nach der  Bundestagswahl genannt. Somit sind also diverse Koalitionen wieder denkbar!

Was als „Sternstunde“ des Parlaments vermarktet wurde, war nichts anderes als eine krude Mischung aus taktischen Manövern und Schachzügen auf der Basis einer Plauderei der Kanzlerin über (eigentlich) Selbstverständliches.

Und dass es der SPD, die die Abstimmung angeschoben hatte, hauptsächlich darum ging, sich ein paar Wochen vor der Wahl gegenüber der Kanzlerin und dem Koalitionspartner mit eigenem Profil abzusetzen, ist so leicht durchschaubar wie wenig erfolgreich, was die Wahlaussichten für die SPD angeht, die sich durch diese Abstimmung nicht wesentlich verbessern werden.

Eine Sternstunde hätte es werden können, wenn die lapidare Aussage der Kanzlerin einmal zum Anlass genommen worden wäre, die große Koalition aller Parteien, was das Thema „Fraktionszwang“ angeht, zum Thema zu machen. Eine Sternstunde hätte es werden können, wenn die Plauderei der Kanzlerin einmal zum Anlass genommen worden wäre, ihren Politikstil generell zu kritisieren, nämlich das Regieren par ordre du mufti. Der Ausstieg aus der Atomenergie, die Aushebelung des Schengen-Abkommens 2015 und jetzt die „Freigabe der Abstimmung“ im Kontext der „Ehe für alle“: alles Themen, bei denen Merkel zunächst ohne das Parlament politische Entscheidungen „aus dem Bauch“ heraus gefällt hat, Entscheidungen, die ihr auch im Rahmen der Richtlinienkompetenz der Kanzlerin so nicht zugestanden haben.

Dass sich die CDU/CSU-Fraktion, mangels einer Alternative und von wenigen Abweichlern einmal abgesehen, immer wieder diesem Führungsstil unterwirft, ist noch nachvollziehbar, denn man will es sich mit Frau Merkel nicht verderben. Aber die anderen Fraktionen spielen das Spiel mit – aus einer Koalitionsverpflichtung heraus oder weil man meint, eigene Ziele durchsetzen zu können, sozusagen Merkel für sich vereinnahmen zu können.

Was aber letztlich bewirkt wird, ist der Eindruck, es komme sowieso nicht auf das Parlament an, sondern nur noch auf die Kanzlerin, womit der Wahlslogan der CDU aus dem Jahre 1969 endlich zur Realität geworden ist, denn der lautete „Auf den Kanzler kommt es an!“

Nun feierten die Grünen ja nicht nur im Bundestag nach der Abstimmung sich selbst, so als hätte man eine der wirklich ganz großen Menschheitsfragen gelöst, sondern die Party  ging auch noch am Wochenende auf dem Landesparteitag  in Dortmund weiter, wo Volker Beck für seinen beharrlichen Einsatz für die Rechte von Schwulen und Lesben und die „Ehe für alle“ mit „standing ovations“ abgefeiert wurde.

Ansonsten wurde auch hier Selbstverständliches als große Erkenntnis verkauft. So ließ sich der Landesvorsitzende Sven Lehmann zu der imposanten Aussage hinreißen, für grüne Mitglieder solle es „völlig in Ordnung (sein), Ministern, Abgeordneten und Vorsitzenden zu widersprechen.“

Das ist ja mal ein Dingen! Das geht ja über die Freigabe der Abstimmung aus Gewissensgründen, die Merkel entdeckt hat, noch weit hinaus. Ministern, Abgeordneten und sogar Vorsitzenden darf man also bei den Grünen widersprechen- und ganz ohne anschließende Strafe? Wer hätte das gedacht!

Aber der eigentliche Hit kommt noch, nämlich die von der stellvertretenden Landesvorsitzenden Monika Neubaur vorgetragene Weisheit, man könne mit „Rechthaberei“ keine Wahl gewinnen!

Recht hat sie! Und deshalb: Konfetti! Konfetti!

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Von Bernd Matzkowski

geb. 1952, lebt in GE, nach seiner Pensionierung weiter in anderen Bereichen als Lehrer aktiv

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