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Es gibt in dem Film „Er ist wieder da“ dokumentarische Szenen, die nicht in der literarischen Vorlage vorkommen (können). In diesen Passagen des Films, die in die Spielhandlung einmontiert sind, begegnet „Hitler“ Menschen in der Bundesrepublik, so etwa am Brandenburger Tor (bitte ein Foto, Herr Hitler!), bei einem (Rasse-)Hunde-Züchter oder bei der Fahrt im offenen  „Führer-Mercedes“ (Begeisterung bei etlichen Passanten mit Migrationshintergrund).

Zu den eindrücklichsten dieser Szenen gehört ein Besuch „Hitlers“ in der NPD-Parteizentrale, deren mieses äußeres Erscheinungsbild, besonders das kleine Türschild, dem „Führer“ schon negativ auffällt. Einmal im Hauptquartier, lässt „Hitler“ den Vorsitzenden der NPD antreten und macht ihn vor versammelter Parteiriege „fertig“: wie man sich denn so anbiedern  und sich nationaldemokratisch anstatt nationalsozialistisch nennen könne, ist einer seiner Vorwürfe. Das Ober-Backpfeifengesicht von der NPD sitzt wie ein Schulbub vor „Hitler“, läuft rot an und sackt in sich zusammen wie ein Biskuitteig, den man zu früh aus dem Ofen genommen hat. Und die gesamte NPD-Riege steht in schweigender Hilflosigkeit mit dümmlichen Gesichtern, aber ehrfurchtsvoll gegenüber dem vermeintlichen Hitler um ihren Parteivorsitzenden herum und hat den Vorwürfen des „Führers“ nichts entgegenzusetzen, der diese Dumpfbeutel vorführt und sie als das zeigt, was sie im Kern sind: arme Würstchen, die diesem Staat wohl kaum gefährlich werden können!

Ich vermute ´mal, dass alle Mitglieder des Senats des Bundesverfassungsgerichts diesen Film vor der Entscheidung über das NPD-Verbot (noch einmal) angeschaut haben, denn das Gremium kommt in seinem 300 Seiten starken Urteil, das einstimmig gefällt worden ist, zu dem Ergebnis, die NPD nicht zu verbieten. Dabei steht es für den Senat fest, dass die NPD verfassungsfeindlich und mit der NSDAP wesensverwandt ist. Begründet wird die Ablehnung des Verbotes mit dem Hinweis, es fehle der NPD an Gewicht, um ihr Handeln zum Erfolg führen zu können. Deshalb stelle sie keine Gefahr für die Demokratie dar.

Hatte das Verfassungsgericht im Jahre 2003 den Antrag auf Verbot mit der Begründung abgelehnt, die Partei sei durchsetzt von V-Leuten des Verfassungsschutzes, so gibt es in diesem Jahr eine deutliche Akzentverschiebung in der Begründung, weil das Gericht nicht allein auf Grundlage der Programmatik der Partei im Abgleich mit der Verfassung entscheidet, sondern ein „außer-juristisches“ Kriterium einzieht, nämlich die politische Bedeutungslosigkeit der NPD. Das war 1956, beim Verbot der KPD, noch ganz anders. Seit 1953 war die KPD schon nicht mehr im Bundestag vertreten (bei den Wahlen hatten ihr lediglich 2,2%  der Wähler die Stimme gegeben), und im Jahr des Verbotes hatte sie nur noch 85 000 Mitglieder. Damals hieß es, trotz – oder vielleicht besser: wegen – dieser relativen Schwäche der Partei, in der Begründung des Verbots: „Eine Partei kann nach dem Gesagten auch dann verfassungswidrig im Sinne des Art. 21 Abs. 2 GG sein, wenn nach menschlichem Ermessen keine Aussicht darauf besteht, daß sie ihre verfassungswidrige Absicht in absehbarer Zukunft werde verwirklichen können.

Bei seiner jetzigen Entscheidung hat das Bundesverfassungsgericht diese Argumentation nicht nur negiert, sondern geradezu auf den Kopf gestellt – und dies angesichts einer NPD, die nur noch 5000 Mitglieder hat, alle Landtagsmandate verloren hat, lediglich einen Vertreter im Europaparlament vorzuweisen hat und bei der  letzten Runde der Landtagswahlen nur zwischen 0,20% in Bremen und 4,95% in der Spitze in Sachsen an Stimmen geholt hat.

Beim KPD-Verbot hatte sich das Verfassungsgericht rund 5 Jahre bis zur Entscheidung Zeit gelassen (Antragstellung durch die Bundesregierung 1951), wobei die Entscheidung letztlich wohl als Zugeständnis an die Adenauer-Regierung zustande kam, nachdem es einen Wechsel im Amt des Vorsitzenden des Gerichts gegeben hatte.

Nun ist es nicht nur schneller gegangen mit der Entscheidung als in den 50er Jahren (Antrag 2013), sondern das Verfassungsgericht watscht zum zweiten Mal die Antragsteller, hier die Bundesländer, ab.

Das Verfassungsgericht hängt die Hürden für das Verbot einer Partei mit seiner Entscheidung, auch die mögliche Durchsetzungskraft verfassungsfeindlicher Programmatik zu überprüfen, recht hoch, verlässt jedenfalls den rein verfassungsrechtlichen Raum. Man kann das Urteil deshalb auch als Mahnung an die Antragsteller, die Bundesländer,  und die im Parlament vertretenen Parteien lesen, die Auseinandersetzung mit extremistischen Kräften zunächst auf der politischen Ebene zu suchen, nicht primär auf der juristischen.

Zudem: Ein Verbot der NPD hätte zum gegenwärtigen Zeitpunkt lediglich eine Symbolfunktion gehabt, aber faktische Auswirkungen auf die (neo-) nazistische Szene wohl nicht. Denn dort geben mittlerweile sowieso ganz andere Kräfte den Takt vor!

 

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Von Bernd Matzkowski

geb. 1952, lebt in GE, nach seiner Pensionierung weiter in anderen Bereichen als Lehrer aktiv

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