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Ich bin krass, nun ja, weil ich die Meinung meinerseits in die Welt katapultiere und die Meinung deinerseits abserviere. Sie nicht höre und nicht hören möchte. Die Interesse an meinem Umfeld? Nicht anwesend. Meine Mitmenschen? Nicht anregend? Ich bin krass.

Ich bin krass, weil ich in Dortmund voller Selbstbewusstsein mit meiner S04-Geldbörse um die Häuser ziehe und in Dorstfeld sogleich den Kürzeren ziehe. Ich bin krass, weil ich mich im Hochsommer auf Schalke mit einem BVB-Schal wärme und die eigens definierte Wärme der Ur-Schalker in meinen Bann ziehe. Aber eigentlich bin ich krass, weil ich in Deutschland Fussball verschmähe, mit Doppel-S schreibe, auf einem Berg von Fussballfachzeitschriften sitze und trotz meiner Abneigung Fanartikel besitze.

E. Abacho / Jo Schniderjan
Handling Anonymouse

Ich bin krass, ich schlafe am Tag, Red Bull macht mich wach weil Kaffee mir zu ungesund ist. Ich bin krass, Cola wird bei 200 Grad erhitzt, bis die Feuerwehr bei mir auf der Fensterbank sitzt und ihre Helme durchschwitzt. Ich bin krass, ich esse Butter am Stück, Pizza gekühlt, Käse verpackt und Joghurt zerhackt. Die MSC-Plakette auf Fischstäbchen aus Kabeljau (oder Seelachs? Weiß ich nicht genau!) ist für mich Dekoration und Hamburger bei Macces eine Geschmacksexplosion. Bei Burger King postiere ich mich, sammel die Kronen, baue mir meinen Burger-King-Thron, trotze dem Hohn und lass den Namen der Feinschmeckerkette Wirklichkeit werden: ich werde der erste Burger-Monarch auf Erden!

Ich bin krass, ich revolutioniere den Business! Ich drehe Rap-Videos, obgleich ich nicht rappen kann. Ich drehe in Duisburg, weil mir Düsseldorf zu trübe ist. Ich reime sein auf sein, führe die Punchlines ein und reime ist auf ist. Ich bin krass, publiziere meine eigenen Charts und jage Dubstep vom Hof, Musik wird mir zu viel, ich werde Philosoph.

Ich bin krass, ich merke, als Philosoph reißt dir die Gesellschaft die Beine mit ganzer Wucht weg. Ich tue nichts dagegen. Mir öffnen sich alle Möglichkeiten, bin hochbegabt. Scharfsinnig genug für einen Lotsen, menschenfreundlich genug für einen Arzt, kräftig genug für einen Soldat. Dennoch. Ich bleibe bei mir selbst. Kein Ertrag? Abgehakt! Kein Geld? Egal, raus in die Welt!

Ich bin krass, komme weit herum. Von der Erde bis zum Mond und wieder zurück? Mit der Rakete? Nö, ich bin gut zu Fuß! Von Spanien nach Marokko? Mit dem Schiff? Nö, ich schwimme, sind doch nur 197.000 Fuß! Durchlaufe Westeuropa barfuß, um die Idee vom freien Europa und von freien Grenzen endlich zu verstehen, nehme nebenbei die Schweiz eigenmächtig in die EU auf und löse den Terror in Luft auf. Ich bin so krass, dass ich die Kriege und Konflikte beende, alle Wogen glätte, Obama und Putin mit meinen Ideen plätte….und die Welt vertraut mir, als ob ich die volle Kontrolle hätte. Ich bin krass, nutze meinen Einfluss, trage ein Kapuzineräffchen an die Spitze der Macht, schaffe Golf und Geld ab und gebe die Arenen der Welt als Schauplatz dem Poetry Slam ab! Ich schreibe ein eigenes Wörterbuch, in dem „Hass“, „Krieg“ und „Spinat“ nicht vorkommen. Ich stelle die Benutzung der Wörter „Lügenpresse“, „Volk“ und „Perfektionismus“ unter Strafe und lass die Leute bei Reklamation zu mir kommen.

Ich bin krass, mir wird alles zu viel.

Ich bin krass, bin auf dem selben Level wie Heinrich Faust, habe die Welt nicht verstanden.

Ich bin krass, ich wache auf.

Ich bin krass. Ich schreibe diesen Text, weil alles mal raus musste und ich alles andere als krass bin, meine Unernsthaftigkeit hiermit schriftlich zu einem Teil ausdünste.

Man soll nicht alles glauben, was man liest oder hört, nicht alles ernst nehmen und hinterfragen. Das gilt auch für diesen Text.

Jetzt denken sich alle: „Moralapostel zum Schluss? Waaaas?“

Tja, wie gesagt, ich bin halt krass.

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Von Frederik Guski

Frederik Guski (Jahrgang 1998) ist ein Schüler, der im Marathon zwischen drei Innenstadtgymnasien Gelsenkirchens Gedanken an Fußball (Schalke 04!) und guter, vielfältiger Musik verschwendet. Nebenbei aktiver Tennis-und Klavierspieler. Darüber hinaus talentiert im Merken belangloser Informationen, historisch interessiert und offen für alle Kulturen und Länder.

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Heinz Niski

Endlich mal Widersprüche & Zerrissenheit so wohltuend auf den Punkt gebracht, dass man sich gleich Ganz & Geheilt fühlt.

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Bernd Matzkowski

als alter Bühnenmann sage ich (natürlich): gehört vorgetragen, also vor publikum vorgetragen (schade, dass kinski schon tot ist, dann also frederik selber)
als alter Lehrer sage ich: eins plus (15 punkte)
als alter schreiber sage ich: toller schreibstil (sprachstil):lass dir den von keinem deutschlehrer austreiben
als in inhalten interessierter sage ich: lies nach bei heinz (kommentar)

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H. Peter Rose

Ein toller Text, der die Stimmungslage in unserer ökonomisch-hysterischen Spassgesellschaft trefflich beschreibt. Ich kann den Kommentaren von H.N. und B.M. nur zustimmen. Unbedingt weitermachen.

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