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Leise rieselt die VIER auf das Zeugnispapier – ein Beitrag zum Tag der Zeugnisausgabe

Es ist ´mal wieder soweit. Tausende und Abertausende Schülerinnen und Schüler nehmen ihr Zeugnis in Empfang, die Beratungs-Hotlines sind frei geschaltet, die Seelentröster haben Hochkonjunktur.

Die Lehrkräfte haben den hoheitlichen Akt der Notenvergabe hinter sich gebracht, ein Schulhalbjahr hat seinen Abschluss gefunden. Soweit – so gut! Ein Ritual eben!

Allerdings hat sich doch einiges geändert in den letzten Jahren: Wir haben heutzutage eine Übergangsquote zum Gymnasium von rund 65 %, an die vor Jahren kaum zu denken gewesen wäre. Wir haben immer mehr Zugangsberechtigungen zum Hochschulstudium (Abitur bzw. Hochschulreife) bei gleichzeitigem Anstieg von 1er-Abis.

Daneben haben wir aber ebenso einen wachsenden Anteil von Jugendlichen ohne Schulabschluss, eine wachsende Zahl von Schulabgängern, die zwar die Berechtigung zum Hochschulstudium haben, aber zunächst einmal in sogen. „Prä-Exzellenz-Kursen“ (früher nannte man das Brückenkurse) fit gemacht werden müssen für ein Studium, wir haben vermehrt Klagen der Hochschulen über den studentischen Mangel an Grundfertigkeiten für ein Studium. Und wir haben wir mittlerweile eine ins Gigantische gewachsene Nachhilfeindustrie.

nuernbergertrichterEine Studie der Bertelsmann-Stiftung hat ergeben, dass im Jahre 2010 rund 1,1 Millionen Schüler Nachhilfe in Anspruch genommen haben. Die Nachhilfeindustrie machte einen Umsatz von 1, 5 Milliarden Euro – Nachhilfe ist damit fast zum Regelfall geworden, nicht mehr nur eine Ausnahme. Heute wird Nachhilfe in Anspruch genommen, um den Notenschnitt von 1,4 auf 1,3 zu steigern – wenn das die Zugangsberechtigung zum Wahlstudienfach gewährleistet.

Das ist in doppelter Weise ein Skandal und ein Beleg für das Scheitern der Reformen seit „PISA“ und „Bologna“.

Erstens: Das, was die Ausnahme sein sollte, wird zur Regel, nämlich Nachhilfe. Neben der öffentlichen Schule etabliert sich ein als Wirtschaftszweig organisiertes System von Neben- bzw. Zweitunterricht. Das öffentliche (staatliche) Schulsystem lässt seine Mängel und Schwächen privatwirtschaftlich ausbügeln.

Zweitens: Es ist eben nicht mehr der einzelne Student oder Oberstufenschüler, der einem schwächelnden Siebtklässler ein paar Stunden Mathe oder Englisch gibt, um bei gefährdeter Versetzung auf die sichere Notenseite zu kommen. Es ist eine privatwirtschaftlich organisierte Nachhilfeindustrie mit all ihren Instituten, Kursangeboten und einem Fahrplan von Grund- und Aufbaukursen sowie Ferienprogrammen. Eine Industrie, die natürlich auf Gewinn angelegt ist und die, weil durchaus kostenträchtig, wiederum die abhängt, die in unserem Schulsystem sowieso benachteiligt sind, nämlich die Kinder aus sogen. „bildungsfernen Elternhäusern“ oder aus Familien mit geringem Einkommen, die sich diese Kurse nicht leisten können.

Und das alles vor dem Hintergrund einer auf die Optimierung von „Humankapital“ ausgerichteten Entwicklung, bei der eine umfassende Bildung, die auch eine Erziehung von Persönlichkeiten, von Individuen sein sollte, ersetzt worden ist durch eine Zurichtung für den Arbeitsmarkt in möglichst großer Zahl und nach möglichst kurzer Schulzeit, eine Entwicklung, bei der der Wert des Einzelnen nur noch in seiner Fähigkeit zur Wertschöpfung besteht!{jcomments on}

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