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November, vor sechs Jahren

Die Koalition zerbrach an der Frage des absoluten Rauchverbotes. Dass man in Gaststätten, öffentlichen Gebäuden, Festzelten und Fußballstadien nicht mehr rauchen durfte, hatten bereits die Vorgängerregierungen beschlossen.

Und das war von der Bevölkerung mit einer Mischung aus Zustimmung und Gleichmut akzeptiert worden. Nun aber sollte auf Drängen der PDKE das Rauchen generell verboten werden – auch in Privatwohnungen und im öffentlichen Raum. Die Produktion von Tabakwaren sowie deren Import sollte innerhalb eines Zeitraums von einem halben Jahr eingestellt werden.

Durch die Fraktion der PDWU ging in dieser Frage ein Riss. Ein beträchtlicher Teil ihrer Abgeordneten lehnte ein generelles Rauchverbot ab – einerseits mit Hinweis auf den Verlust von Arbeitsplätzen in der Tabakindustrie, auf der anderen Seite, weil man dieses Verbot als zu starken Eingriff in die persönliche Freiheit der Bürger ansah. Auf die Gruppe der Abweichler wurde durch die Fraktionsspitze der PDWU starker politischer Druck ausgeübt, verbunden mit heftigen persönlichen Angriffen auf die Wortführer der Verbotsgegner.

Allein: ausgerechnet in dieser Frage blieb der Kern der Abweichler hart, auch wenn sich einige der Opponenten auf die Seite der Fraktionsführung ziehen ließen. Bei der Abstimmung im Parlament fehlten schließlich fünf Stimmen für eine Mehrheit. Die Oppositionsparteien, die geschlossen gegen das Verbot gestimmt hatten, triumphierten.

Großrauchjäger - KarikaturDie PDKE kündigte die Koalition auf, Neuwahlen wurden angesetzt. Eine Propagandaschlacht der PDKE setzte ein, die ein bis dahin nicht gekanntes Ausmaß annahm: großflächige Plakatierungen, eine Unzahl von Werbespots, Wahlbroschüren, die als Darstellung der Regierungsarbeit aufgemacht und aus den Etats des Regierungschefs und des Ministeriums für Inneres, Schule und Bildung finanziert wurden, kamen millionenfach zur Verteilung und wurden selbst in Schulen von Parteigängern der PDKE als Unterrichtsmaterial eingesetzt. Gruppen von Parteigängern der PDKE zogen nahezu täglich landesweit vor den Büros der anderen Parteien und vor deren Wahlkampfständen auf und diskreditierten deren Funktionäre und Mitglieder unter Verweis auf die Abstimmung im Parlament als Schädlinge an der Volksgesundheit.

Vereinzelte Übergriffe auf Wahlkämpfer der anderen Parteien und das Abreißen oder Zerstören von Plakaten wurden von der Polizei und den Ordnungsbehörden, die dem PDKE-geführten Ministerium für Inneres, Schule und Bildung unterstanden, weder unterbunden noch gar verfolgt.

Ein Klima der Einschüchterung legte sich auf das Land und erreichte seinen Höhepunkt am Wahlsonntag, als sich die Wähler genötigt sahen, durch vor den Wahllokalen aufgezogene Gruppen von Parteigängern der PDKE zu gehen, die mit Plakaten und dem Rufen von aggressiven Parolen zur Stimmabgabe für ihre Partei aufforderten.

Als alle Stimmen ausgezählt waren, kam das Ergebnis einer Sensation gleich. Die PDKE blieb mit 43,9 % deutlich unter dem sicher geglaubten Erfolg und verfehlte die absolute Mehrheit der Sitze.

Nur mit Mühe konnte der Regierungschef seinen Zorn und seine Enttäuschung überspielen, als er zur abendlichen Kundgebung, die als Siegesfeier auf dem Platz vor dem Parlamentsgebäude geplant war, erschien und vor seine Anhänger ans Mikrophon trat. Mit belegter Stimme kündigte er an, den eingeschlagenen Kurs der Erneuerung fortzusetzen und dafür einen Koalitionspartner zu suchen, auf den in allen Fragen verlass sei.

Mitten in seiner Rede fiel, unerwartet und eigentlich noch zu früh für das Jahr, der erste Schnee. Als tanzten sie zu Sibelius´ Valse Triste, drehten sich die Flocken melancholisch um den hinter seinem Rednerpult verschanzten Regierungschef und bedeckten die Menschen auf dem Platz, als wären sie mit Puderzucker bestreut.

Am Rande der Kundgebung hielt sich eine kleine Gruppe Jugendlicher auf. Sie formten einige Schneebälle, drückten darin die Zigaretten aus, die sie geraucht hatten, warfen die Bälle in Richtung des Podiums und verschwanden anschließend unter Gelächter in der Dunkelheit.

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Von Bernd Matzkowski

geb. 1952, lebt in GE, nach seiner Pensionierung weiter in anderen Bereichen als Lehrer aktiv

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