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3. Tag (nachmittags)

„Schön, dass Sie gekommen sind. Ich bekomme nämlich neuerdings selten Besuch. Schön, dass Sie gekommen sind. Ich bekomme nämlich neuerdings selten Besuch. Schön, dass Sie gekommen sind. Ich bekomme nämlich neuerdings selten Besuch.“

Die Stimme aus dem Bett rechts von mir prallte gegen mein Gehirn, in dem sich ein Druck ausgebreitet hatte, als liege ein Betonmischer auf meiner Schädeldecke. Ich betastete meinen Kopf und fühlte die Nähte in dem Bereich der Kopfhaut, der kahl war.

„Ich habe auch erwartet, dass Sie irgendwann mal kommen. Denn im Grunde sind Sie ja Schuld an meinem….Zumindest haben Sie eine Teilschuld—aber nicht zu knapp. Und die da haben eine Teilschuld, die da an der Wand.“

Ich blickte zur Wand. Die gleichen Portraits wie in Qualles Büro, selbst die Rahmen waren gleich. Und die zwei Augenpaare, die mich fixierten.

„Aber der Regierungschef hat die Hauptteilschuld – aber nicht zu knapp. Das mit dem Rohr. Das mit dem Rohr. Das mit dem Rohr. Das zieht Luft, Luft…..Lufffffffffttt!“

Ich drehte meinen Kopf zur Seite. Von dem Gesicht, das zur Stimme gehört, war nicht viel zu sehen, dafür aber jede Menge Bandagen um den Schädel des Mannes rechts von mir.

„Sie haben sich nämlich falsch verhalten, falsch verhalten! Erinnern Sie sich noch — an die letzte Wahl? Da haben Sie gewählt. Falsch gewählt. Falsch gewählt. Bestimmt falsch gewählt. Und seitdem sind die an der Wand dran.“

Sollte ich ihm sagen, dass ich die nicht gewählt hatte. Vielleicht stoppte das seinen Redefluss?

„Und vor zwei Wochen, vor zwei Wochen,bei dieser Diskussion, in der Glotze, das ist der doch ausgeflippt. Ausgeflippt. Ausgeflippt. In der Glotze. Als wenn er Gas im Kopf hätte. Gas im Kopf. Gas im Kopf! Wissen Sie, mit Gas kenne ich mich aus, kenn ich mich aus, als Heizungsinstallateur kenne ich mich da noch aus. Von früher.“

Ich blickte aufs das Porträt des Regierungschefs. Der und ausflippen? Dieser Kühlschrank auf zwei Beinen, der sich, als der liebe Gott die Gefühle verteilt hatte, ganz hinten in der Reihe angestellt hatte, in der Hoffnung, dass nichts davon für ihn übrigblieb. Und tatsächlich: bestenfalls eine Messerspitze hatte er noch abbekommen.

„Das mit dem Rohr. Das mit dem Rohr. Das mit dem Rohr. Das zieht Luft, Luft…..Lufffffffffttt! Jedenfalls, da habe ich den in der Glotze gesehen – wie er ausgeflippt ist, als wenn er Gas im Kopf hätte. Und ich habe gedacht: Der flippt ja aus, als wenn er Gas im Kopf hat. Mit Gas kenn ich mich aus. Und ich bin raus auf den Balkon, wegen Bier im Kasten. Denk: Hol dir mal ´ne Flasche Bier. Und bin ausgerutscht. Und ausgerutscht. Und ausgerutscht. Und rüber über die Brüstung. Und runter. Zwei Stockwerke. Und denk noch so beim Fliegen: Man, hat der aber Gas im Kopf. Und rein in den Anschluss für den Gartenschlauch. Den Wasserkran konnten sie absägen. Aber das Rohr…Das zieht Luft, Luft…..Lufffffffffttt!“

Ein Lachen, das von irgendwo ganz tief unten in mir anstieg, wollte nach oben, drängte nach außen, wollte sich Bahn brechen. Aber der Druck im Kopf kämpfte dagegen an, hielt das Lachen gefangen, drückte es wieder weg. Ich wendete mich zur Fensterseite und zog die Decke über den Kopf. Gedämpft durch die Daunen hörte ich:

„Schön, dass Sie gekommen sind. Ich bekomme nämlich neuerdings selten Besuch. Schön, dass Sie gekommen sind. Ich bekomme nämlich neuerdings selten Besuch. Schön, dass Sie gekommen sind. Ich habe auch erwartet, dass Sie mal kommen. Denn im Grunde sind Sie ja Schuld an meinem…Zumindest haben Sie eine Teilschuld—aber nicht zu knapp.“

Der Druck im Kopf hatte den Kampf gewonnen. Ich schlief ein.{jcomments on}

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Von Bernd Matzkowski

geb. 1952, lebt in GE, nach seiner Pensionierung weiter in anderen Bereichen als Lehrer aktiv

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