Freie Plätze vorhanden
Plätze gehören wie Häuser zum Stadtbild, ebenso wie die Menschen sozial und gleichzeitig individuell sind.
Und daraus ergeben sich schon die wesenhaften Funktionen, die diese Organisationsbestandteile des gemeinsamen städtischen Lebens erfüllen. Für das öffentliche und soziale Leben steht der Platz, für das private, aber bestenfalls trotzdem nicht weniger soziale Leben, steht die Behausung.
Abgeleitet aus dem griechischem platýs (flach, eben, weit, breit) steht der Platz als „verbreiterte“ Straße als persönlich-konkreter Kommunikationsort zur Disposition. Wenn ich nur wüsste, ob das stimmt. Oder nur als Einzelnes stimmt neben den vielen anderen Aussagen, die diesen Zusammenhang anders erklären. Denn so wäre es ja einfach. Der Wertverlust im Bewusstsein des Einzelnen vom „Sozialen“, verstanden als Gemeinschaftlichen, spiegelt sich im Öffentlichen.
Eine Aussage, die im Umkehrschluss genauso funktioniert. Das Verschwinden der Plätze aber gerade in einer Stadt, die nicht wächst, sondern kleiner wird, wandelt mich umso absurder an, weil doch eigentlich Platz genug da sein sollte. Die Verlegung von Kommunikation weg von der konkreten und persönlichen ins Virtuelle, oftmals Anonyme, kann nicht nur der Technik geschuldet sein. Zwar unterliegen die Städte und Gemeinden wirtschaftlichen Zwängen und die Vermarktung öffentlichen Raumes ist ein einfaches Mittel der Geldbeschaffung.
Warum die politischen Versammlungen die Fantasielosigkeit besitzen, ideell werthaften öffentlichen Raum, der daneben doch wirtschaftliche Nutzung zulässt, der ausschließlichen wirtschaftlichen Nutzung preiszugeben, bleibt angesichts der Möglichkeiten rätselhaft. Gerade in Gelsenkirchen. Gilt es doch die städtischen Pfründe und damit die Stadt insgesamt attraktiver zu machen. Es zeigt, wie weit sich Politik von ihrer ursprünglichen Zugehörigkeit zur Philosophie als Ethik des Sozialen entfernt hat. Heute scheint Politik ein Fachgebiet der Betriebswirtschaft, Abteilung Staatswirtschaft, zu sein.
Dass Politiker so scheinbar leichtfertig ihre angestammten, öffentlichen Präsentationsgelegenheiten preisgeben, wundert trotzdem nicht. Die virtuelle Öffentlichkeitsarbeit ist heute mit weniger Aufwand und besser steuerbar einfacher zu bewältigen. Der große Vorteil dabei ist, dass der direkte Kontakt mit den Menschen weitestgehend überflüssig wird.
Denn welcher Volksvertreter beschäftigt sich gerne mit einer desillusionierten, aufmüpfigen Menge, geschweige denn mit Einzelschicksalen, deren Problemhaftigkeit er / sie selber mitverschuldet hat?
Aber noch einmal. Gerade in Gelsenkirchen. Nahe liegend wäre doch z.B. die Installation der Bluebox als Veranstaltungsort in dieser exponierten innerstädtischen Lage auf dem Parkplatz des Marktes, denkbar unter der Egide der Flora oder als innerstädtische Filiale des Kunstmuseums Gelsenkirchen.
Der Wochenmarkt könnte in verkleinerter Form erhalten bleiben. Aber aufgehoben ist ja nicht aufgeschoben. Es findet sich schon noch ein Plätzchen, wo eine ähnliche Entscheidung getroffen werden muss. Und vielleicht vergisst der Rat ja einmal die wirtschaftliche Bedrängnis der Stadt und votiert für den gemeinschaftlichen, öffentlichen Raum. Denn findet der Mensch seine sozialen Bedürfnisse dauerhaft nicht befriedigt, in der Psychotherapie sind dafür freie Plätze vorhanden.
Platzangst – oder warum Gelsenkirchen Marktplätze verbannt