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Tag 1

Galerie auf Zeit, Hauptstraße 5 Le rstelle

Welche komplexen Gedanken sich die Fotografen, Designer und Installateure Siggy Schwill, Attila Schuster und Klaus Kasperszak vor der von ihnen furchtlos gestalteten Leere gemacht haben, ahne ich nicht. Möglicherweise: „wie können wir uns mit samt unseren Arbeiten irgendwo zwischen Horror Vacui und dem zu riesigen Raum im Nichts verlieren?“ „Wie halten wir das zahlreiche Straßen-Laufpublikum vom Schaufenster und vom Kunstwerk fern?“ „Wie viel Leere passt in eine Vitrine?“ „Warum mit Licht arbeiten, wenn doch auch Leerstand unbeleuchtet daher kommt?“ „Welche Disproportion zwischen Raum und Bild ist die größtmögliche?“ Die Installation und die wunderbar fotografierten Abrisslandschaften, die gefundenen Relikte, Stillleben, die Scheinwelt-Spiegelungen von Straßen und Gebäuden, werden nicht konsequent auf Ort und Publikum eingestimmt präsentiert. Es kann aber auch sein, dass ich nur von der falschen Seite den Raum betrat und ich mich in absichtsvoll gelegten Stolperdrähten mental verhedderte. Großes Plus: die drei reflektieren künstlerisch das Ausstellungsthema „Leerstand“ und liefern eine spannende „Work in Progress“ Idee ab. Sie füllen sukzessive den Ort mit Foto-Impressionen des Lebens in diesen Räumen während der Dauer der Ausstellung. Ein Bezug zum Ausstellungsthema „Leerstand“ ist offensichtlich.

Rauminstallation im Keller

Allein im Kellergewölbe. Die sakrale Rauminstallation Martine Mivilles, Dirk Schattners und anderer schleicht sich leise in unbeeinflussbare Ebenen meines Ich. Zu Schuberts Winterreise, beleuchtet von Dutzenden roten und weißen Kerzen in verschiedenen Industrieregalen, Verschlägen, wird ein Text Dirk Schattners (Träume) rezitiert. Kinderkreuzzug / Fluchtraum, so der Titel der eigentlich universal gültigen und zeitlosen Annäherung an das Thema des Missbrauchs und der Ermordung Schutzloser. Eine Stimme, Klaviermusik, die Kinderrutsche, aufgereihte Kinderschuhe, Kerzenlicht, diese spärlichen aber wirksamen Mittel werden in ihrer Wirkung wortwörtlich zerschossen durch eine überflüssige Einspielung von Maschinengewehrsalven, die das alltäglich und weltweit stattfindende Grauen auf Kriegshandlungen reduziert. Der Hinweis auf einen „Fluchtraum“ im Titel macht eine Verbindung zum Ausstellungsthema möglicherweise möglich.

Ode an die Heimat

Auf Spurensuche begibt sich der junge, in Hamburg, Istanbul und Gelsenkirchen beheimatete Akine Sipal und zeigt assoziative Texte und Fotografien über Istanbul. „Du bist der wilde Fick im Angesicht einer brennenden Doppelhaushälfte. Es ist der flüchtige Blick, der ihre Gäste vereinnahmt, doch unter den verkrusteten Jahrhunderten verbirgt sich etwas, dass sich einem erst nach einer Dauer zeigt, sich in seiner vollendeten Nacktheit entblößt und dann wieder entzieht, Istanbul du schönes Biest,“ so ein Textfragment von ihm. Seine Präsentation hat den Charme des Flüchtigen, Improvisierten, Beiläufigen. Ich widerstehe meinem Drang, die Trennscheiben zwischen den Räumen mit Glasreiniger zu konfrontieren. Diese Bilder könnten auch hinter der zerfransten Fassade eines Abrisshauses freigelegt sein, Untergangszeugen, Geschichten, die zu niemandem mehr gehören. Ein Bezug zum Ausstellungsthema ist möglicherweise möglich.


Collagen

Ein Hinweis belehrt mich, dass ich nun Collagen ohne Kunstanspruch von Olaf Stöhr sehen könne. Ich werde störrisch. Eine Handwerker- oder Hobbymesse will ich nicht. Ich erkläre die Schnitt- und Klebearbeiten unbesehen zur Kunst. Ich darf das. Kunst wird, wenn ichs sage. Bevor ich Einzelheiten erkennen kann, fällt mir die in sich stimmige Farbkomposition der Bilder auf. Feine Sachen, die bestöbert werden wollen. Mich interessiert die Jazz- und Film-Noir-Welt der 30er und 40er Jahre gerade nicht, auch nicht das Spiel mit Pop Ikonen, also rausche ich weiter mit dem Gefühl, auf einer Zeitreise zu sein. Ich freue mich über die jugendliche Lebendigkeit eines atavistischen Sujets. Hat er die Leere gefüllt, das Ausstellungsthema getroffen? Kaum.

Theatermalerei

Leere saugt mich auf. Die riesenformatigen Bilder der Theatermalerin Verena Wagner sind so wirkmächtig, dass ich erst mal ein paar Schritte zurück gehen muss. Diese Blicke und Figuren, irgendwo zwischen Einsamkeit, Leere, Trauer, Melancholie, Resignation, Selbstversunkenheit, wollen getröstet und angefüllt werden. Die brauchen ein Lächeln, jemand sollte sie in den Arm nehmen. Nicht sofort, regenverhangene Tage wollen auch genossen werden. Deshalb: erst mal nicht stören und auf Zehenspitzen weiter. Das Thema Leerstand wird kaum bei diesen beeindruckenden Arbeiten Pate gestanden haben.

 Malerei und Collage

 

Alfredo Morales alias Lutz Motzko experimentiert mit unterschiedlichen Materialien, wie Fresnel-Linsen Streufolien, Holz, Metallpapier und schneidet, klebt, werkelt Collagen daraus.

Eine Serie bildet mysteriös stilisierte Stadtteile ab.

Das hat je nach Blickwinkel sicher mit den Thema zu tun… der Triptychon mit springendem Delphin im Mondlicht jedoch bleibt verrätselt.

 

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Von Heinz Niski

Handwerker, nach 47 Jahren lohnabhängiger Arbeit nun Rentner. Meine Helden: Buster Keaton, Harpo Marx, Leonard Zelig.

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