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von Bernd Matzkowski

Überall erhebt der Moslem, oft in Gestalt des Türkischstämmigen, sein dunkelhaariges Haupt, das manchmal, handelt es sich um ein Weib, auch noch verschleiert oder bekopftucht ist. Die Curry-Wurst – längst vom Döner-Spieß verdrängt.

Der Autoschrauber präsentiert zur Rechnung gesüßten Tee. Beim Friseur wird das Beschneidungsmesser von einem Mann aus Anatolien geschwungen. In Schrebergärten flattert der Halbmond auf rotem Tuch und fordert die blau-weiße Fahne beim Flattern heraus. Glutäugig die Mädchen bei H und M – vor und hinter der Kassentheke. Die Trinkhalle (der Kiosk) – fest in türkischer Hand. Und da und dort flutet der Ruf des Muezzins, von Lautsprechern plärrend verstärkt, die Straßen der Stadt. Er, der Fremde, mit Migrationshintergrund oder –vordergrund, ist, so scheint es, allgegenwärtig, ist ubiquitär.

Aber: Halt! Es gibt noch Hoffnung!

Denn es gibt Bereiche, in denen der autochthone Deutsche als Platzhirsch sein Revier markiert hat und es unbehelligt und standfest verteidigt. Und das ist, so seltsam es klingen mag, ausgerechnet der Bereich, der doch den Königsweg zur Integration darstellen soll – die Bildung. Oder genauer gesagt: die gymnasiale Bildung. Oder noch genauer gesagt: das Abitur. Die WAZ hat in ihren Lokalausgaben GE vom 9.Juli und 12.Juli 2011 die Namen der Abiturentia 2011 abgedruckt – aufgeführt nach den Gymnasien und Gesamtschulen in unserer Stadt. Und siehe da – das ist das Positive! – es findet sich eine recht große Zahl von jungen Menschen, deren Namen darauf schließen lassen, dass ihre Eltern (oder Großeltern) nicht unbedingt dem Stamme der Germanen zugehörig sind oder waren (ganz unabhängig von der Staatsangehörigkeit).

Schaut man aber genauer hin – meint, in die Namenslisten der einzelnen Schulen, fällt etwas auf:

Am Max-Planck in Buer finden wir Julia und Lukas, Charlotte und Marie-Therese, Philipp-Sebastian und Robin Christopher. Da fallen dann Deniz und Laisong doch ziemlich auf (die wir übrigens am Annette-von Droste völlig vergeblich suchen).

Schauen wir zur GSÜ, finden wir Kübra und Dilan, Aysegül und Burcu – und dort sind ein Heiko, eine Sarah und ein Kevin die „Randexistenzen“.

Die anderen Schulen bilden mal mehr, mal weniger in die eine oder andere Richtung tendierend, also mehr oder weniger zu Duygu oder Lars, den fließenden Übergang ab (das Annette-von-Droste ganz viel mehr den Lars und die Isabell und ohne Cansu, das Grillo und Ricarda schon häufiger die Ebru). Und das Jahre nach der Einführung des Zentralabiturs, das doch sicher stellen sollte, dass die Bildungsabschlüsse vergleichbar werden, weil alle auch dasselbe Aufgabenpaket zu bewältigen haben! Mithin sollte man annehmen können, dass es auch auf dem Weg zum Abitur, der mit zentralen Lernstandserhebungen und Vergleichsarbeiten gepflastert ist, nicht mehr allzu große Abweichungen vom Pfade gibt.

Was geht da also ab in unserer Stadt?

Wie kommt es zu dieser schulischen Auswahl nach Ethnien oder Kulturen oder Status und Herkunft der Eltern? Geht Lara-Jane zum Annette, weil Sarah-Kim dorthin geht oder weil sie glaubt, ihren Tarzan (alias Gerrit-Steffen) eben doch nur am Max-Planck zu finden?

Fühlen sich Elif und Muhammed mit Özge und Yasin am Grillo doch wohler als mit Theresa, Louisa und Leon Vincenz am Annette, wollen sie also lieber unter „ihres gleichen“ bleiben?

Gehen Maja und Adrian zum Max-Planck, weil sie (oder ihre Eltern) glauben, am Schalker oder gar an der GSÜ „unterfordert“ zu sein? Nehmen (bewusst oder mehr instinktiv) Iman und Arzu (GSÜ) an, sie könnten am Max-Planck nicht „mithalten“ (Kleidung, Status der Eltern, Intellekt, Lernmotivation), wohingegen Manuel und Malina Melanie (Max-Planck) von der (irrigen oder richtigen?) Annahme ausgehen, ein Abitur-Zeugnis der GSÜ gelte weniger als eines vom Max-Planck?

Spiegelt sich in der Verteilung der Abiturienten lediglich die Trennung zwischen dem Stadtsüden und dem Norden wider?

Oder ist es so, dass im Unterbau der Qualifikationsstufen (alte 12 und 13), also den Stufen 5-9 und der EF (alte 11) an der einen Schule doch mehr auf Förderung und Integration gesetzt wird als an der anderen?

Oder anders gesagt: sind das Max-Planck und das Annette die beiden verbliebenen (gallischen) Dörfer, die sich dem Ansturm der Eroberer aus dem Osten entgegen stemmen?

Sind die didaktischen Säue, die durch die Dörfer (die Schulen) getrieben werden (kooperatives Lernen, offene Formen des Unterrichts, individuelle Förderung), nur die Hirngespinste von Ministerialbeamten und ihren wissenschaftlichen Sherpas in der Schulverwaltung der Bezirksregierung? Oder sagt uns das schlicht nicht mehr, aber auch nicht weniger über den tatsächlichen Stand der Integration im Bildungsbereich bzw. in unserem Schulwesens insgesamt, das zwar eines der teuersten der Welt ist, aber eben auch eines, in dem soziale, kulturelle und ethnische Herkunft und der Status der Eltern immer noch mehr als in anderen Ländern über den Schulerfolg entscheiden ?

Vielleicht ist es aber auch schlicht so, dass die Namenslisten – besonders die vom Max-Planck-Gymnasium und vom Annette-von Droste-Hülshoff-Gymnasium nur die letzten Signale havarierender Schiffe sind, die immer noch glauben, eine Gesellschaftsordnung abbilden zu können, die es so schon nicht mehr gibt.

Das wäre dann damit zu erklären, dass die Mannschaft dieser Schiffe (Kollegium) und die Passagiere (Schüler) zwei Zeilen der großen westfälischen Dichterin Annette von Droste-Hülshoff aus dem der Novelle „Die Judenbuche“ voran gestellten Vorwort ganz anders verstehen, als Annette sie wohl gemeint hat: „Du Glücklicher, geboren und gehegt Im lichten Raum, von frommer Hand gepflegt (…).“

Der „lichte Raum“ dieser Gymnasien soll, so mag man es sehen, nicht verdunkelt werden durch Mehmet, Ayse und Ebru und den Schatten, den sie werfen.

Doch lautet das Sprichwort nicht: EX ORIENTE LUX?{jcomments on}

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Von Bernd Matzkowski

geb. 1952, lebt in GE, nach seiner Pensionierung weiter in anderen Bereichen als Lehrer aktiv

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