Machen Memoiren überhaupt Sinn?
Von Hans Frey
Als ich im Juni 2005 meinen sog. „Ruhestand“ antrat, konnte ich auf ein 35jähriges politisches Leben zurückblicken.
Lange hatte ich mit mir gekämpft, ob ich so etwas wie meine politischen Memoiren schreiben und dann auch noch veröffentlichen sollte. Meine engsten Freunde und Freundinnen wissen, dass ich große Vorbehalte hatte.
► Einmal haftet Memoiren der Ruf an, eine Form von Selbstbeweihräucherung zu sein. Das mag ich nicht.
► Zweitens ist die menschliche Erinnerung ein höchst fragiles Konstrukt. Man legt sich Menschen, Dinge und Vorgänge oft so zurecht, wie man sie im Nachhinein gerne hätte – möglicherweise auch zur nachträglichen Rechtfertigung. Insofern sind Autobiografien mit Vorsicht zu genießen. Das war mir immer bewusst, sodass ich überhaupt nicht ausschließen konnte und kann, demselben Phänomen zu erliegen.
► Drittens weiß man nicht, ob man damit mehr Schaden als Nutzen anrichtet. Es geht also auch um den menschlichen Anstand. Wer Autobiografien schreibt, redet nicht nur pausenlos über sich selbst, sondern auch über andere. In diese Schilderungen fließen dann, ob man es will oder nicht, ganz subjektive Sympathien und Antipathien ein, sodass aus dem Geschriebenen sehr schnell eine Form von Kolportageroman werden kann, mit dem man Klatsch und Tratsch verbreitet und hier und da auch alte Rechnungen begleicht.Wenn es um Politik geht, liegt diese Versuchung erst recht nahe. Genau das wollte ich aber auch nicht.
Also, so lautete die Konsequenz, Finger weg von diesem Unterfangen! Da Sie den vorliegenden Text lesen, können Sie unschwer erkennen, dass ich mich an meinen eigenen Vorsatz nicht gehalten habe. Ich habe mir nämlich irgendwann gesagt: Es ist einfach zu schade, die Geschichte, die ich erlebt habe, dem Vergessen anheim fallen zu lassen. Das war in der Güterabwägung für mich letztlich ausschlaggebend. In diesem Moment war mir auch klar geworden, wie ich an das Unternehmen heran gehen musste. Um es sofort auf den Punkt zu bringen: Ich musste mich den Problemen, die ich oben genannt habe, stellen und mich zu ihnen bekennen. Das heißt:
► Natürlich will ich darstellen, dass ich ein interessanter Mensch bin, der einiges geleistet hat. Meine Güte, wer will das nicht, zumal es bei mir wirklich gerechtfertigt ist.
► Selbstverständlich habe ich die Abläufe so geschildert, wie sie mir richtig erscheinen. Wie sagte schon Max Frisch? Jeder Mensch erzählt sich eine Geschichte, von der er irgendwann glaubt, dass sie seine eigene ist.
► Selbstredend mache ich bei der Darstellung von Personen und Vorgängen aus meinen Sympathien und Antipathien keinen Hehl. Es wäre doch unehrlich, anders zu verfahren, oder? Jedenfalls sehe ich das so, und ich stehe dazu. Trotzdem behaupte ich: Aus diesem und dem nachfolgenden Band sind keine Hymnen des Eigenlobs, keine Klatschgeschichten, kein böses Nachkarten und keine zusammen phantasierten Märchen geworden. Warum? Weil ich meine Berichte ständig mit Zeitdokumenten konfrontiere, die sozusagen eine Rückkoppelung für den kritischen Leser und für mich selbst darstellen. Sodann habe ich mich (gerade auch für meine Begriffe) eines moderaten Tons befleißigt und alles vermieden, so weit es möglich war, was andere verletzen könnte. Mehr, meine Damen und Herren, können Sie wirklich nicht von mir verlangen. Es bleibt mir nur noch zu hoffen, dass Ihnen mein Buch zusagt. Sollten Sie darüber hinaus noch einen Gewinn daraus schöpfen, dann hat es sich sogar gelohnt.
Hans Frey
Das Herrkules-Magazin wird ab sofort an jedem Montag ein Kapitel aus dem Buch
“Ja, das alles und mehr! Geschichten und Geschichte aus 35 Jahren Politik – Band 1 Wilder Honig”
von Hans Frey präsentieren und startet mit dem Kapitel: